




Lange Zeit haben Buchhändler, Boutiquen und Weinläden auf Internetriesen wie Amazon gestarrt wie das Kaninchen auf die Schlange. Doch inzwischen formiert sich immer mehr Widerstand gegen die scheinbar übermächtige Online-Konkurrenz. Im Kampf helfen sollen lokale Internet-Marktplätze und Suchmaschinen, die anzeigen, wo in der Nachbarschaft ein gesuchter Artikel gerade verfügbar ist.
Vorreiter ist dabei nicht eine der großen deutschen Metropolen, sondern Wuppertal. Die Stadt hat zusammen mit dem Internet-Start-up Atalanda Ende vergangenen Jahres den lokalen Marktplatz Online City Wuppertal (OCW) ins Leben gerufen. Dort präsentieren inzwischen 47 lokale Händler vom Autoteile-Anbieter über den Süßwarenshop bis zum Modeladen fast 4000 Produkte, wie die zuständige Projektmanagerin Christiane ten Eicken berichtet. Der Clou des Angebots: Die Produkte werden auf Wunsch noch am selben Abend zugestellt.
Amazons Logistik-Netz in Deutschland
In Deutschland hat Amazon bislang neun Logistikzentren an acht Standorten: In Graben bei Augsburg, Bad Hersfeld mit zwei Logistikzentren, Leipzig, Rheinberg, Werne, Pforzheim, Koblenz und Brieselang.
Mehr als 9.000 Festangestellte aus über 100 Nationen. In der Weihnachtszeit kommen nach Angaben des Konzerns 10.000 weitere Saisonkräfte hinzu.
860.000 Quadratmeter (120,5 Fußballfelder) mit einer Lagerkapazität von mehr als 3 Mio. m³.
Am 15.12.2013 verzeichnete Amazon.de 4,6 Mio. Kundenbestellungen. Das waren 53 pro Sekunde.
Atalanda-Geschäftsführer Roman Heimbold berichtet, das Start-up sei inzwischen mit über 60 Städten im Gespräch über die Gründung weiterer lokaler Marktplätze. Auch andere Internet-Start-ups haben das Thema für sich entdeckt. So offeriert die unter anderem von Holtzbrinck Ventures unterstützte Website Locafox Verbrauchern die Möglichkeit, online festzustellen, wo in der Umgebung ein gesuchtes Produkt zu finden ist, und es auch gleich zu reservieren. Das Motto: „Online-Shoppen. Im Geschäft kaufen.“ Ähnlich ist das Angebot der zum Metro-Reich gehörenden Website Simply Local, die mit dem Slogan wirbt: „Alle Produkte deiner Stadt auf einen Blick und Klick“. Allerdings befinden sich beide Portale noch in der Testphase.
„Die größte Trumpfkarte der lokalen Händler im Wettbewerb mit der Feuerwalze Amazon ist die rasche Verfügbarkeit der Produkte, die sie bieten können. Sie sind näher dran am Kunden. Sie können die bestellte Ware noch am selben Tag zustellen. Das schafft Amazon nicht“, beschreibt der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein den Vorteil des Local-Shopping.
Doch bei aller Aufbruchstimmung warnt Heinemann vor zu viel Euphorie. Online City Wuppertal erscheine vielen Städten als Patentrezept, um die lokalen Händler wettbewerbsfähiger zu machen. Aber noch fehle der Beweis, dass das Konzept funktioniere. Schließlich müssten die neuen Angebote mit Marktplätzen wie eBay oder Amazon konkurrieren, die ein viel größeres Angebot offerieren könnten. „Daran, dass Kunden bereit sind, beim Interneteinkauf eine schlechtere Auswahl, schlechtere Informationen und höhere Preise hinzunehmen, weil sie damit den lokalen Handel stärken, glaube ich schon lange nicht mehr“, urteilt Heinemann.
Die Paketzustellung der Zukunft
Bei der Auslieferung der Paketsendungen legen die Kunden vor allem Wert darauf, dass sie zu ihren Alltagsgewohnheiten passt: 37 Prozent der Befragten haben bereits Erfahrungen, ihre Pakete zum Wunschtermin (auch nach Feierabend) nach Hause liefern zu lassen, weitere 40 Prozent würden diese Option gerne nutzen. Die Lieferung zum Wunschtermin ist damit aktuell die erste Wahl der Verbraucher. Viele Versandhändler haben sich diesem Bedürfnis bereits angepasst.
Quelle: PricewaterhouseCoopers AG (PwC): Die Paketzustellung der Zukunft, November 2014
Laut PwC nutzt jeder vierte Deutsche heute gelegentlich bis häufig Paketstationen oder Paket-Shops verschiedener Logistikdienstleister als Zustellmöglichkeit. Rund die Hälfte der Deutschen steht dieser Lösung jedoch noch kritisch gegenüber und hat sie bisher nicht genutzt.
Als wichtigste Eigenschaften einer Paketstation gab eine klare Mehrheit der der Befragten (87 Prozent) an, dass eine Paketstation möglichst einfach und selbsterklärend zu bedienen sein muss. Ein weiterer kritischer Aspekt ist die Erreichbarkeit: 72 Prozent legen Wert darauf, dass die Station mit dem Auto gut erreichbar ist, 67 Prozent zu Fuß. Außerdem sollen Pakete in allen Größen und von verschiedenen Paketdienstleistern dort gelagert werden können (83 bzw. 80 Prozent der Befragten).
Die Lieferung an den Arbeitsplatz ist für viele Arbeitnehmer eine attraktive, da zeitsparende und praktische Option, sasgt die Studie: Knapp jeder zweite Berufstätige (49 Prozent) würde diesen Service gerne nutzen. Bislang lässt sich nur eine kleine Minderheit der Berufstätigen (5 Prozent) Pakete direkt ins Büro liefern. Einen Aufpreis für diesen Service würden aber nur 7 Prozent in Kauf nehmen.
Rund ein Drittel der Deutschen wäre unter bestimmten Voraussetzungen bereit, für eine Lieferung am gleichen Tag (Same Day Delivery) einen Aufpreis von bis zu 12 Euro zu zahlen. Die taggleiche Lieferung kommt für die meisten jedoch nur für bestimmte Anlässe und in Ausnahmefällen in Frage, beispielsweise für Weihnachts- und Geburtstaggeschenke in letzter Minute. Rund zwei Drittel geben an, den Service der Lieferung am selben Tag generell nicht nutzen zu wollen; entweder aus grundsätzlichen Überlegungen oder weil sie eine Gebühr von rund 12 Euro als zu hoch empfinden.
Auch die Macher hinter OCW räumen ein, dass das Projekt noch ganz am Anfang steht. „Im Moment ist es noch eher ein Online-Schaufenster. Wir werden wohl zwei Jahre brauchen, um daraus einen vollwertigen Online-Shop zu machen“, sagt Atalanda-Geschäftsführer Heimbold. Ein entscheidendes Element sei die Schulung der beteiligten Händler. Wie weit der Weg in Wuppertal noch ist, zeigt eine einzige Zahl. Trotz der bundesweiten Beachtung des Projekts bewegt sich die Menge der bisherigen Online-Bestellungen noch im zweistelligen Bereich.
Tatsache ist: Wer kleine Händler ins Internet bringen will, stößt auf ganz praktische Probleme. Oft fehlt den Läden ein elektronisches Warenwirtschaftssystem, dass es ermöglicht, sofort zu überprüfen, ob ein bestimmter Artikel verfügbar ist. „Viele lokale Händler agieren noch wie in der Steinzeit“, meint Handelsexperte Heinemann. Der Erfolg der jüngsten Initiativen werde deshalb ganz wesentlich von deren Bereitschaft abhängen, sich auf die Erfordernisse des Online-Handels einzulassen und das nötige Geld in die Hand zu nehmen.





An Begeisterung fehlt es bei den Wuppertaler Pionieren jedenfalls nicht. Um seine Süßwaren in der Online City anbieten zu können, habe er manchmal bis vier oder fünf Uhr morgens daran gearbeitet, Produkte zu fotografieren und Texte zu schreiben, erzählt Markus Kuhnke vom Naschkatzenparadies. Auch über die Anschaffung eines elektronischen Warenwirtschaftssystems denkt der Geschäftsmann nach. Auch wenn die Zahl der Online-Bestellungen, die ihn bisher über OCW erreichten, überschaubar ist, zweifelt er nicht am Erfolg des Projekts: „Ich glaube nicht, dass Amazon von Anfang an gut verkauft hat.“