Offene Zahlungen oder versteckte Rücküberweisungen an Ärzte, sogenannte Kickbacks, sind bereits jetzt eindeutig verboten. „Kickbacks eines Akustikers, einer Apotheke oder eines Krankenhauses an einen Arzt sind rechtswidrig, weil sich ein Patient darauf verlassen können muss, dass die ärztliche Empfehlung sich am Wohl des Patienten und nicht an den finanziellen Vorteilen des empfehlenden Arztes orientiert“, sagt Stephan Rau, Anwalt der Münchner Kanzlei McDermott Will & Emery.
Von ganz anderem Kaliber sind jene Hörgeräteakustikunternehmen, an denen sich Hals-Nasen-Ohren-Ärzte mit Kapital beteiligen können, um von ihren Patienten im Nachgang und im Verborgenen ein zweites Mal zu profitieren. So können Ärzte als Mitunternehmer an den verkauften Hörgeräten mitverdienen. Da liegt der Verdacht nahe, der Arzt schicke seine Patienten zu jenem Anbieter, an dem er selbst beteiligt ist.
Zu den Akustikern mit stiller Ärzte-Beteiligung zählte etwa die Versacustic GmbH in Ratingen bei Düsseldorf mit insgesamt 19 Filialen. Das Unternehmen lud vor zwei Jahren Hals-Nasen-Ohren-Ärzte ins Mannheimer Maritim Hotel ein, um ihnen „...im Rahmen eines Infoabends ein hochinteressantes und rechtlich geprüftes Modell im Bereich des Betriebs von Hörzentren mit Kapitalbeteiligung“ vorzustellen.
Marktführer
Gemeint war damit wohl nichts anderes als das Angebot an die Mediziner, bei Versacustic einzusteigen. Mittlerweile verzichtet das Unternehmen auf solche Methoden: Die Kette gehört inzwischen dem österreichischen Hörakustiker Neuroth und veranstaltet nach Worten von Geschäftsführer Michael Munzel keine solche Akquisitionsabende mehr. Zudem habe sich Versacustic von den Ärzten schriftlich versichern lassen, dass die Beteiligung an der GmbH ihre Empfehlungen für die Inanspruchnahme eines bestimmten Akustikers nicht beeinflusst habe.
Als Marktführer unter den Hörgeräteakustikern mit ärztlicher Beteiligung gilt die Focus Hören AG, an der der österreichische Hörgeräteakustiker Neuroth seit 2010 ebenfalls zu einem Viertel beteiligt ist. Das Bonner Unternehmen betreibt bundesweit 60 Filialen und nimmt für sich in Anspruch, das Geschäftsmodell erfunden zu haben.
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Geschäftsmodell
„Focus Hören ist der Pionier der ärztlichen Beteiligung am Hörgerätemarkt“, sagt Mitgründer Thomas Stinnesbeck, der das Unternehmen gemeinsam mit seinem Geschäftspartner, dem Ärzteberater Peter Ruwe aus Bonn, im Jahr 2003 aus der Taufe gehoben hat. Stinnesbeck leitete früher den Hörgerätevertrieb des Münchner Technologie-Konzerns Siemens, für den er das Geschäftsmodell, nach dem Focus Hören heute arbeitet, seinerzeit entwickelt hat. Als Siemens jedoch darauf nicht ansprang, setzte er die Idee selber um.
Stinnesbeck und Ruwe halten die Mehrheit an Focus Hören. Die Ärzte können Anteile an der AG oder an einzelnen Filialen erwerben und werden am möglichen Gewinn beteiligt. Nach Angaben von Stinnesbeck haben sich bislang etwa 100 Ärzte an den bundesweit 60 Filialen beteiligt. Die meisten sind mit 25 000 Euro dabei. Den Jahresumsatz von Focus Hören beziffert Stinnesbeck auf etwa zehn Millionen Euro. Nur ein Drittel der Filialen mache derzeit allerdings gute Gewinne.