Die Qualität der Früchte könne in Minutenschnelle in einer herkömmlichen Ölmühle ruiniert werden, sagt März. Oliven müssten unmittelbar nach der Ernte möglichst unverletzt rasch weiterverarbeitet werden und Anlagen, die möglichst wenig Sauerstoff an die Oliven lassen, verhinderten ungewünschte Prozesse, die sich in Fehlnoten wie Kakao, Essig oder Fußschweiß äußerten.
Moderne Anlagen kosten jedoch Geld. Die Familie Jordan aus Solingen hat betreibt seit 1989 eine Olivenölproduktion in Griechenland und vermarktet unter dem eigenen Namen das Öl. Das Unternehmen betreibt auf Lesbos eine Ölmühle nach neuestem Standard. Hier wird das Öl im sogenannten "Kaltextraktionsverfahren" gewonnen, bei dem die Oliven in einem geschlossenen und weitestgehend vor Luft geschützten Kreislauf verarbeitet werden. Gepresst werden die Oliven im klassischen Sinne nicht. Jordan vermarktet das Öl unter der eigenen Marke für rund 17 Euro den Liter. Die Marke steht über der Herkunft.
Denn besser verkaufen lässt sich immer noch der Zusatz „Italienisches“ Olivenöl. „Die Kosten für die Mitarbeiter sind in Italien jedoch höher“, sagt Conrad Bölicke. Preise zwischen 2,30 bis 2,80 pro Kilogramm Oliven wären in Italien üblich, in Griechenland lägen sie bei 1,80 bis 2,25. Italienisches Öl, zumal mit dem Zusatz der Herkunft aus Ligurien oder Toskana ist besonders beliebt. Gleich bei fünf Ölen ermittelte Stiftung Warentest, dass die Öle nicht aus dem Land stammten, das auf dem Etikett angegeben war.
Der Autor Tom Hillenbrand schildert in seinem Buch „Tödliche Oliven“ die Problematik der Begeisterung für italienische Oliven. Es wird weit mehr verbraucht, als das Land produziert. „Die Panscherei ist zu 90 Prozent ein italienisches Problem“, sagt Hillenbrand, der für die Fälle seines Kommissars Kieffer die Hintergründe der Olivenöl-Produktion recherchiert hat. „Es ist Teil der noch größeren Lebensmittelbetrugs-Industrie“.
Selbst wenn sie nicht illegal handelt – Olivenöl ist selbst dann ein industrialisiertes Produkt von großen Konzernen, wenn das Gebinde und das Etikett die romantische Welt Italiens beschwört. Das beliebteste Olivenöl in den USA ist die Marke Filippo Berio, an dessen Mutterkonzern Salov wiederum der staatseigene chinesische Lebensmittelkonzern Bright Foods die Mehrheit hält. Die in Deutschland bekannte Marke Bertolli gehört inzwischen zum spanischen Weltmarktführer deOleo mit einem Marktanteil von 22 Prozent.
Den Produzenten, die es zu einem Teil nicht besser wissen, die es zum anderen Teil nicht anders wollen, den Händlern, die daran verdienen wollen, spielt in die Hände, dass die Bewertung von Olivenöl sehr schwierig ist. „Am verheerendsten ist, dass die professionellen Verkoster sich untereinander nicht einig sind und auf sie somit kein Verlass ist“, sagt Andreas März. Er fordert nicht nur eine Abschaffung des Klassifizierungssystems hin zu lediglich den zwei Bezeichnungen „Olivenöl“ und „rektifiziertes Lampantöl“, sondern auch die Abschaffung von offiziellen Panels. „Tatsächlich lässt der Gesetzgeber die Panels mit der undankbaren Aufgabe der Qualitätsprüfung völlig allein“, sagt März. Er schlägt vor, wichtige Parameter wie zum Beispiel Fehlaromen mittels elektronischer Nasen ermitteln zu lassen. So könnten fehlerhaft Öle aussortieren, bevor sie die menschlichen Tester beurteilen.