Parker zieht sich zurück Das Ende des Wein-Papstes

Er hat mit den Parker-Punkten den Weinmarkt revolutioniert. 37 Jahre nachdem Robert M. Parker jr. sein Bewertungssystem eingeführt hat, kündigte der Kritiker jetzt an, nicht mehr an den Bordeaux Primeur Verkostungen teilzunehmen. Sein Nachfolger will "flippiger" werden - die Winzer sind besorgt.

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Die zehn besten Weine unter 15 Euro
Weingut Dr. LoosenLoosen gilt als einer der besten Winzer Deutschlands, der seit vielen Jahren auch internationale Anerkennung erfährt. Dieser Wein, der den Testern des "Wine Spectators" immerhin 91 von 100 Punkten wert war, rangiert auf Platz 40 und kostet in Deutschland unter 10 Euro.http://www.hawesko.de/wein/villa-loosen-riesling-2012 Quelle: Presse
Santorini Assyrtiko WeißweinGriechenlands Weinbau ist alt, aber heutzutage ein wenig unter dem Radar. Die Assyrtiko-Rebe aus Santorini hat die Tester des Wine Spectator zu 90 Punkten begeistert. Er landete auf Platz 70 und kostet in Deutschland um die acht Euro. Leicht ist er nicht - satte 13,5 Volumenprozent.http://www.proastio-shop.de Quelle: Presse
Domäne Wachau Grüner Veltliner Federspiel TerrassenWas in Deutschland mit Begriffen wie Gutswein, Kabinett oder Spätlese erreicht werden soll, erledigen in Österreich die Begriffe „Federspiel“ oder „Smaragd“. Federspiel ist gut, Smaragd ist besser. Der Grüne Veltliner Jahrgang 2012 aber überzeugte die amerikanischen Tester und sie gaben ihm 90 Punkte, Rang 90 von 100 Plätzen. Reife Ananas und Apfelkuchen entdeckten die Weinkritiker. In Deutschland sind vom Jahrgang 2012 nur noch wenige Flaschen zu finden. Die aber kosten keine 10 Euro.http://www.domovino.de/weisswein/osterreich/wachau/2011-gruner-veltliner-federspiel-terrassen.html Quelle: Screenshot
Quinta do Portal Douro ColheitaScharfe Gewürze und dunkle Schokolade – so üppig erschien der Jahrgang 2012 des Portugiesischen Rotweins den Testern. Rauch, Sahne und Zeder rundeten das Finish ab, so die Verkostungsnotizen, die mit 92 Punkten und Platz 27  enden. In Deutschland ist der Wein aus den Sorten Touriga Nacional, Tinta Roriz und Touriga Franca, der in den USA mit 15 US-Dollar aufgeführt wird, für rund 9 Euro zu haben.http://www.portugal-weinversand.de/Quinta_do_Portal_-_Tinto_Colheita_2011.html Quelle: Presse
Buitenverwachting Sauvignon Blanc Constantia BaytenWeißer Pfirsich ist es gewesen, der als Note den Nasen vom Wine Spectator entgegen kam. Sauvignon Blanc ist momentan eine sehr beliebte Traube. Auch Südafrika hat als Anbaugebiet in Deutschland viele Freunde. Dieser hier platzierte sich mit 90 Punkten bei 15 US-Dollar Preis auf Rang 63, hier ist er mit unter 9 Euro günstiger zu haben.http://www.vinehouse.de/buitenverwachting-sauvignon-blanc-constantia Quelle: Presse
Vino Nobile Montepulciano Vecchia CantinaFleischige Tannine – das spürt man auf der Zunge. Der Jahrgang 2010, so die Tester vom Wine Spectator, sollte wegen der oft pelzig auf der Zunge liegenden Tannine, die sich langsam im Wein abbauen und meist eine Zeit des Atmens im Glas erfordern, erst ab 2016 getrunken werden. Kaufen aber kann man ihn schon jetzt, auch diesen Wein für unter 10 Euro.http://vinsole.de/Italien/Toskana/Vecchia-Cantina/Vino-Nobile-Montepulciano-Vecchia-Cantina-Rotwein-Toskana-Italien.html Quelle: Presse
St.-Urbans-Hof Riesling Alte RebenFeinherb. Nicht trocken. Aber „köstliche Aromen von glasierten Aprikosen“ gefielen den Testern so gut wie auch das Finish mit Noten von Rosinen und Muskat. Der St. Urbans-Hof an der Mosel wird in dritter Generation von Nik(olaus) Peter Weis geführt und erntet auch in deutschen Publikationen viel Applaus für die Rieslinge von der Mosel.http://www.vineshop24.de/Weine-aus-aller-Welt/Deutschland/Nik-Weis-Sankt-Urbans-Hof-Wiltinger-Alte-Reben.html Quelle: Presse

Es ist der entscheidende Schritt im Rückzug des Großmeisters: Der weltweit bedeutendste Weinkritiker, Robert M. Parker jr., wird keine neuen Bordeaux-Jahrgänge mehr beurteilen. „Die Zeit ist reif, diese Funktion zu übergeben“, erklärte der 67-Jährige. Bereits vor drei Jahren zog sich der Kritiker aus der Chefredaktion seines Newsletters „The Wine Advocate“ zurück. Mit dem Abgang von der traditionsreichen Bordeaux-Bühne emanzipiert Parker endgültig das geschaffene Imperium von seiner Person.

Als sein Nachfolger wird künftig der britische Weinkritiker Neal Martin über die Parker-Punkte in Bordeaux entscheiden. Dieser kündigte bereits einen „flippigeren Zugang“ zu den Weinen an. Entsprechend beunruhigt sind die Bordelaiser Winzer. Sie sind unsicher, ob „seine“ Parker-Punkte die Preise ebenso prägen werden wie die des Großmeisters a.D..

Parker hat seinen Rückzug gut vorbereitet: Sein System funktioniert seit langem ohne ihn. So stammt auch Neal Martin aus der neunköpfigen Mannschaft, die Parker aufgebaut hat. Weltweit bewerten sie Weine und vergeben die begehrten Parker-Punkte. Der Mann, der Weine zu weltberühmten Marken macht, ist so längst selbst eine geworden.

Wo die Deutschen ihren Wein kaufen

Die Inflation der Parker-Punkte

Die Punkte von Robert Parker zählen als weltweite Währung in der Weinbranche. Eine hohe Bewertung auf der 100er-Skala kann den Preis eines Weines über Nacht in die Höhe schießen lassen, gar verdoppeln. Die Magie der Punkte ist ein Verkaufsgarant für den Handel: Wer möglichst viele Punkte im Regal stehen hat, kann sich sicher sein, die Flaschen hochpreisig loszuwerden.

Die Parker-Benchmark hat es bis in das preisaggressive Discountumfeld geschafft: Aldi und Lidl nutzen den Effekt der Punkte, um neben ihrem Durchschnittspreis von 2,60 Euro pro Flasche auch einmal teurere Weine für unter zehn Euro zu verkaufen.

Der Klimawandel verändert den Weinanbau
Bei vier Grad Erwärmung lägen die Bedingungen der Champagne in England.
An der Südküste Australiens würde die Weinqualität leiden.
Auch in den USA würden sich die idealen Anbaugebiete verlagern.
Und in Neuseeland würde es für Weinanbau im Norden zu heiß.

„In den letzten Jahren gab es eine regelrechte Inflation von Parker-Spitzenweinen auf dem Markt. Meiner Ansicht nach nimmt die Bedeutung der Punkte dadurch stark ab“, sagt Christoph Schikora, Geschäftsführer von Mövenpick Wein. Das 100er-Punktesystem hat seine eigene Dynamik entwickelt, auch Aldis Mitbewerber Lidl lässt in dieser Systematik von dem britischen Weinkritiker Richard Bampfield Punkte vergeben, statt im weltweit ebenso gebräuchlichen 20-Punkte-System.

Denn noch bietet das Parker-Rating vielen Weintrinkern eine Orientierung. Bei Hawesko, der größten Weinhandelsgruppe in Deutschland, sind die Punkte deshalb ein wichtiges Marketinginstrument: „Gerade dort, wo nicht probiert werden kann, sind sie für die Kunden entscheidend. Deshalb nutzen wir sie vor allem im Versandhandel gezielt. Die Parker-Punkte sind sehr wichtig für uns“, erklärt ein Sprecher der Hawesko-Gruppe.

Die Welt orientiert sich an Parkers Geschmack

Scheinbare Objektivität – ein Wunsch, der bei Flaschenpreisen im dreistelligen Eurobereich verständlich ist. Dabei ist die Aussagekraft der Punkte nicht unumstritten. „Ich bin skeptisch, was die Reproduzierbarkeit der Testergebnisse angeht. Denn beim Weinverkosten gibt es immer den subjektiven Faktor. Ich finde es sehr kritisch, dass damit jemand so viel Einfluss auf einen globalen Markt hat.“, so Weinwirtschaft-Professor Erik Schweickert.

Denn mit der Bedeutung seines Maßstabs auf den internationalen Markt hat Parker die Arbeit in vielen Weingütern verändert. Denn der Geschmack des Kritikers ist seit jeher gleich: Er mag kräftige, vollmundige Rotweine. Viele Weingüter, gerade in Frankreich, stellen daher Weine nach dem Geschmack der Parkertester her. Denn je höher die Punktzahl, desto beliebter und teurer.

Zehn überraschende Fakten über Wein
Sonnenkollektoren und WeineAuf den ersten Blick haben Sonnenkollektoren und Wein nur eines gemeinsam: Sie benötigen Sonne. Im Zuge eines Handelsstreits zwischen Europa und China sind beide aber nun noch enger miteinander verbandelt. Die Ankündigung der EU, Strafzölle auf Sonnenkollektoren zu verhängen, beantworteten die Chinesen mit der Ankündigung von Strafzöllen für Europäischen Wein. Ein herber Schlag wäre das für europäische Winzer, denn der Anteil chinesischer Kundschaft steigt kräftig, vor allem der für die teuren Roten. Beides ist passé – keine Zölle. Weder für Kollektoren noch für Wein. Quelle: dpa
Champagner-SchutzDer Münchener Michael Nieder steht als Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz nicht auf Anhieb im Verdacht, sich in der Kanzlei Klakla viel mit Champagner während der Arbeit zu beschäftigen. Tatsächlich aber verlieh ihm als zweiten Deutschen die Corporation des Vignerons e Champagne Saint-Vincent die goldene Ehrenmedaille. Verdient hat er sich diese Auszeichnung in 400 Rechtsfällen in den vergangenen 32 Jahren, in den Niedel das Markenrecht in Deutschland des Begriffs „Champagner“ schützte. Verhindert hat Niedel – ganz im Sinne der Franzosen – dass Produkte von Pflegemitteln bis zu Duftstoffen mit dem Zusatz „Champagner“ versehen werden. Quelle: Presse
Wein im BeutelSauerstoff ist der größte Feind des Weines, sobald er in der Flasche ist. Was dem Eisen der Rost, sind dem Wein die Noten, die er bekommt, wenn er oxidiert. Ein wenig Oxidation ist gewollt, beim jahre- gar jahrzehntelangen Reifen in der Flasche oder auch im Glas, damit er sich ein wenig ordnet. Doch eine geöffnete Flasche ist nicht lange gleich gut. Wein aus Beuteln in der 3-Liter-Größe sind für den ganz großen Durst. Genau am anderen Ende der Skala bewegt sich Oneglass. Eine Portion im Beutel, aufzureißen wie ein Sportgel. Für zwischendurch, zum Mitnehmen – und garantiert rostfrei. Quelle: Presse
Sylt-WeinIn diesem Bild ist kein Fehler versteckt. Und doch sieht es so aus. Auf der Homepage des Rheingauer Weinguts Balthasar Ress sind die gutseigenen Lagen verzeichnet. Und? Fällt etwas auf? Richtig. Keitum. Sylt. Kein Scherz, kein Versehen, keine komische Sache. Ress baut tatsächlich in dem possierlichen Dörfchen auf Sylt Wein an. Und er ist wohl nicht mal schlecht. Auf jeden Fall ist er rasch ausverkauft. Damit ist Sylt um einen weiteren Superlativ reicher: Nördlichstes Weinbaugebiet Deutschlands. Quelle: Presse
SchützenhilfeDer badische Winzer und Präsident des Fußballclubs SC Freiburg, Fritz Keller (rechts), pflegt schon seit einigen Jahren eine enge Partnerschaft mit dem Lebensmitteldiscounter Aldi. Unter Kellers Ägide bauen mehrere hundert Winzer mit teils winzigen Parzellen, die sie dem Erbrecht zu verdanken haben, den Wein so an, dass Keller seinen Namen dafür hergibt. Nun taucht ein weiterer großer Name in Deutschland auf. Michel Rolland, der als Weinberater im Bordeaux einige sehr renommierte und sündhaft teure Güter berät. Für Edeka in Deutschland ist Rolland nun tätig geworden und ist verantwortlich für eine Cuvée, die für unter 10 Euro weit weniger kostet als vieles, was Rolland sonst verantwortet. Quelle: dpa
WeinfotosKein Geld für teure Weine? Und keine Zeit, die sagenumwobenen Kellereien zu besuchen? An der Architektur der Weinkeller haben sich zahlreiche Fotografen abgearbeitet. Der Wiesbadener Fotograf Rafael Neff war in einigen der bekanntesten Weingüter der Welt unterwegs und hat die Keller mitsamt der Fässer als beeindruckend inszenierte Stillleben fotografiert. Die Bilder sind nicht günstig, werden aber im Gegensatz zu den Weinen beim Genuss nicht vernichtet. Quelle: KNA
Bekannte WinzerGerard Dépardieu. Francis Ford Coppola. Günter Jauch. Nein – haben alle etwas miteinander zu tun, auch wenn es zunächst nicht so scheint. Ihnen gehören Weingüter. Bei Fernsehmoderator Jauch ist es das renommierte Gut von Othegraven an der Saar. Die Toten Hosen haben zwar keinen eigenen Wein, aber mit dem „Weißes Rauschen“ vom Weingut Tesch an der Nahe einen Riesling, der zusammen mit ihnen produziert wurde. Quelle: dpa

Wein-Welt hat einen Teil ihrer Vielfalt verloren

Der Markt reagiert unweigerlich auf solche Gleichungen. Viele Winzer bauen ihre Weine in der Hoffnung auf Wohlwollen des Kritikers aus. Schweickert bestätigt: „Um in die Top-Punktzahl zu kommen, wird ein bestimmter Stil gebraucht. Das Idealbild ist der wuchtige, schwere Rotwein. Viele Winzer haben sich da angepasst, damit sie möglichst viele Punkte bekommen.“

Manche sprechen gar von einer „Parkerisierung“ der Weinbranche. So schrieb der Weinautor Manfred Klimek vor zwei Jahren: „Parker hat der Welt seinen Coca Cola-Weingeschmack aufgezwungen. Fette, marmeladige, tanninreiche und fruchtig-alkoholische Weine. Mit dieser Politik ging der Weinwelt ein Teil ihrer Vielfalt verloren.“

Parker hat die Branche nachhaltig verändert. Eigentlich war Parker ein Rechtsanwalt, der in seiner Freizeit gerne Wein trank. Doch 1987 machte der Amerikaner sein Hobby zum Beruf: Er publizierte seine Weinempfehlungen alle zwei Wochen in seinem Newsletter „The Wine Advocate“. Seine Art der Kritik war völlig neu: Er beurteilte Weine auf einer 100 Punkte-Skala, seine Notizen waren kurz und schnörkellos – eine Revolution in einer bis dato von blumigen Worten geprägten Zunft. Nicht zuletzt durch unkonventionelle Empfehlungen bekam Parker weltweite Resonanz und seine Punkte entwickelten sich zu einem Maßstab.

In seinem System gelten Weine unter 80 Punkte als durchschnittlich, bei 50 abwärts empfindet Parker sie ungenießbar. Zwischen 80 und 90 bekommen gute Weine, vergibt er mehr als 90 ist das wie ein Ritterschlag für Winzer. Die 100 Punkte gelten als nahezu unerreichbar.

Umso mehr gilt es als Branchensensation, dass das Mosel-Weingut Molitor am vergangenen Wochenende dreimal 100-Punkte abgeräumt hat. Ob diese Punktewährung noch so hart ist wie vor Parkers Rückzug, wird sich jedoch erst in vielen Jahren zeigen.

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