
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel kämpft mit allen Rechtsmitteln für seine Sondererlaubnis der Supermarktketten-Fusion von Branchenführer Edeka und Kaiser's Tengelmann. Ziel einer am Montag eingereichten Nichtzulassungsbeschwerde sowie einer zulassungsfreien Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof ist es, die Aussetzung seiner Genehmigung durch das Oberlandesgericht Düsseldorf aufzuheben.
"Ich habe mich entschieden, vollumfänglich Rechtsmittel einzulegen", sagte Gabriel. Es gehe um 16.000 Arbeitsplätze und Arbeitnehmerrechte bei Kaiser's Tengelmann. Die Grünen-Abgeordnete Katharina Dröge forderte den Minister auf, eine "rechtssichere Kompromisslösung" zu suchen.
Hintergrund des Rechtsstreits ist eine Eilentscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. Juli. Damit setzten die Richter auf Antrag der Edeka-Konkurrenten Rewe und Markant die Sondererlaubnis Gabriels aus, mit der dieser ein Fusionsverbot durch das Bundeskartellamt aufgehoben hatte.
Ministererlaubnis
Formell muss nach dem Gesetz für Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) mindestens einer der Beteiligten eines Fusionsprojekts nach dessen Untersagung durch das Bundeskartellamt die Ministererlaubnis beantragen. Er kann dies innerhalb von einem Monat nach der Zustellung des Verbots der Wettbewerbswächter tun. Innerhalb von vier Monaten nach Eingang des Antrags soll der Minister entscheiden. Wird eine Erlaubnis erteilt, kann sie mit Bedingungen und Auflagen verbunden sein. Die Entscheidung ist aber gerichtlich anfechtbar.
Voraussetzung für einen solchen Antrag ist ein öffentliches Interesse an dem Zusammenschluss. Nach dem GWB muss die Fusion gesamtwirtschaftliche Vorteile bieten und/oder durch ein "überragendes Interesse" der Allgemeinheit gekennzeichnet sein. Diese übergeordneten Vorteile müssen die Nachteile für den Wettbewerb aufwiegen, wegen derer das Bundeskartellamt sein Veto einlegte. Auch die Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen auf Auslandsmärkten soll berücksichtigt werden.
An dem Verfahren für eine Ministererlaubnis werden auch Personen und Gruppen beteiligt, deren Interessen durch die Fusion erheblich berührt werden. Dazu gehören etwa Arbeitnehmer, Verbände, aber auch Konkurrenten. Vor einer Entscheidung über eine Ministererlaubnis muss die Monopolkommission - ein Expertengremium, das die Bundesregierung bei Wettbewerbsfragen berät - eine Stellungnahme abgeben. Deren Einschätzung ist allerdings nicht bindend. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Zudem muss es eine öffentliche mündliche Anhörung geben.
Seit Schaffung des Instruments und damit seit 1974 wurde in 21 Fällen eine Ministererlaubnis beantragt. Die Erfolgsbilanz ist gemischt. Wiederholt wurde eine Erlaubnisantrag im Verlauf des Verfahrens wieder zurückgezogen. Zuletzt war ein Zusammenschluss im Krankenhausbereich - Uniklinikum Greifswald/Kreiskrankenhaus Wolgast - im Jahr 2008 vom Minister genehmigt worden. Der bislang letzte spektakuläre Fusionsfall, bei dem eine Ministererlaubnis den Weg - wenn auch mit Auflagen - freimachte, war der der Energiefirmen E.ON und Ruhrgas im Jahr 2002. Dagegen wurde 2003 ein Antrag für ein Zusammengehen der Verlage Holzbrinck/Berliner Verlag zurückgezogen, nachdem die Monopolkommission im Zuge des Verfahrens empfohlen hatte, die Ministererlaubnis zu versagen.
Die Richter äußerten den Verdacht, Gabriel sei befangen gewesen. Zudem überzeugte sie nicht, dass die Sicherung von Stellen bei Kaiser's Tengelmann mitsamt von Arbeitnehmerrechten, mit der Gabriel seine Sondererlaubnis verbunden hatte, als Grund im Sinne des Gemeinwohls ausreicht. In der Hauptsache hat das Gericht noch nicht entschieden.
Für den Minister wirft der Richterspruch grundsätzliche Rechtsfragen bei der Ministererlaubnis auf, die über das konkrete Verfahren hinausreichen. Das gelte etwa für die Transparenz- und Informationspflichten, zum Beispiel über Gespräche mit den Antragstellern, die über das hinausgingen, was bislang gefordert sei.
Gabriel hat es zudem als nicht nachvollziehbar bezeichnet, dass die Sicherung von Arbeitnehmerrechten und Stellen keinen Gemeinwohlgrund darstellen soll, der eine Ministererlaubnis für den Zusammenschluss rechtfertigt.
Völlig unklar ist, wie schnell der Bundesgerichtshof über die Beschwerden entscheidet. "Eine Frist zur Entscheidung gibt es nicht", erklärte das Wirtschaftsministerium. Auch Edeka hatte vergangene Woche schon eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, weil das OLG keine Rechtsmittel gegen seine Entscheidung zugelassen hatte.
Die Grünen waren mit einem Antrag auf eine Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses im Bundestag gescheiterte, in der sie Gabriel zu den Vorgängen um die Ministererlaubnis befragen wollten. Die Bundestagsabgeordnete Dröge sprach von einem "schlechten Management" des Ministers, mit dem er eine lange juristische Auseinandersetzung zulasten der betroffenen Mitarbeitern auslöse. "Die Ministererlaubnis schafft keine langfristige Job-Sicherheit für die Mitarbeiter von Tengelmann und riskiert dafür Arbeitsplätze bei Edeka", erklärte die Grünen-Abgeordnete. Gabriel müsse umdenken und eine Kompromisslösung finden, die wirklich Arbeitsplätze sichere.