Ähnliche Sorgen von Anwohnern gibt es auch in Stuttgart. Alles im grünen Bereich, signalisiert jedenfalls die Bahn. Ein Sprecher sagt: „Mit den angewandten Bauverfahren nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen tun wir alles, um Verwerfungen an der Oberfläche auszuschließen.“
Auch in anderen Bodenverhältnissen ist die Arbeit schwierig. Erst kürzlich drangen beim Neckar Wassermassen in einen der Tunnel – die Arbeiter waren auf eine grundwasserführende Schicht gestoßen, bis zu zehn Liter pro Sekunde sickerten ins Tunnelende. Die Bahn konnte den Hohlraum, durch den das Grundwasser floss, nach eigenen Angaben erst nach drei Tagen mit Beton verschließen.
Strangfeld geht bei seiner Arbeit in den Tunneln an einigen Pfützen vorbei. Es tropft aus der Decke. Das sei normal, sagt der 32-Jährige. In der jetzigen Phase seien die Wände nun mal nicht ganz abgedichtet. Das komme erst im nächsten Schritt, wenn der gegrabene Tunnel mit Verschalungen versehen und gewissermaßen wasserdicht gemacht werde.
Die Tunnelarbeiten in Stuttgart sind eine enorm komplizierte Sache. Große Bohrer – Vortriebsmaschinen – kommen in dem relativ kurvenreichen Cannstatter Tunnel nicht zum Einsatz, weil dies in dem städtischen Gebiet zu kompliziert und auch zu teuer wäre. Stattdessen gibt es dort Sprengungen, wo das Gestein fest genug ist. Wo eher lockeres Tongestein ist, graben sich hingegen Bagger in die Wand – also am Anfang der Tunnelröhren gen Norden unweit des Hauptbahnhofs.
So steht es um Stuttgart 21
Offiziell soll der Tiefbahnhof Ende 2021 in Betrieb genommen werden, ausgeschlossen wird aber auch nicht 2023. Das wäre dann vier Jahre später als ursprünglich geplant. Der Baubeginn war im Februar 2010.
Auch die Kosten sind seit dem Baubeginn in die Höhe geschnellt: Die einst von Bahnchef Rüdiger Grube genannte „Sollbruchstelle“ von 4,5 Milliarden Euro ist bereits um bis zu zwei Milliarden Euro überschritten.
Wer die Mehrkosten trägt, ist unter den Projektpartnern ungeklärt. Bahn und Grüne in der Regierungskoalition liegen deshalb im Clinch. Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) wiederholt mantraartig, dass das Land nicht mehr als 930 Millionen Euro beisteuert – zum Unmut der Bahn.
Von den Kritikern beauftragte Experten, aber dem Vernehmen nach auch der Bundesrechnungshof in einem Geheim-Bericht gehen von einer Kostensteigerung auf zehn Milliarden Euro aus. Das wäre dann fast ein Vierfaches der ganz zu Anfang kalkulierten Baukosten. In einem unmittelbar vor der Grundsteinlegung bekannt gewordenen weiteren Prüfbericht fordern die Finanzkontrolleure eine stärkere Kosten- und Qualitätskontrolle des Bundesverkehrsministeriums ein. Das ist Wasser auf die Mühlen der Kritiker.
Stuttgart 21 ist eines von drei prominenten Projekten in Deutschland, die nicht pünktlich fertig und immer teurer werden. Das seit Mitte der 1990er Jahre geplante Projekt wird in einem Atemzug genannt mit dem Flughafen Berlin Brandenburg und der Hamburger Elbphilharmonie.
Dabei können sich Arbeiter nicht bloß vorwärtsgraben. Vielmehr müssen sie praktisch auf jedem Meter einen Stahlträger einbauen und mit Spritzbeton verstärken, damit der Tunnel stabil wird. Das Tunnelende – die Ortsbrust – wird ebenfalls mit Spritzbeton gefestigt, damit kein Gestein herausbricht. „Das wäre wie bei einem Sandberg, in den man ein Loch bohrt – das würde schnell zurieseln“, erklärt Ingenieur Strangfeld die Notwendigkeit der aufwendigen Befestigungsarbeiten.
Die Arbeiter müssen das Tunnelende also ständig stützen, nur um es Stunden später wieder kaputt zu machen und weiter zu graben. Einen tödlichen Unfall gab es bei dem Bauprojekt noch nicht.
Bis zu 12.000 Tonnen Gestein und Schutt werden täglich aus den Tiefen der Stuttgarter Baustelle geholt und in Güterzügen aus der Stadt gefahren. Manche Erdmassen wurden auf der Landesgartenschau in Lahr genutzt, anderer Schutt kam beim Bau selbst zum Einsatz – oder er wurde zur Wiederauffüllung alter Steinbrüche genutzt.