Unverpackt-Läden „Wir streben nach guter Qualität, nicht nach Preisführerschaft“

Innenansicht der Flinse. Quelle: PR

Lebensmittel ohne voluminöse Plastikverpackungen sind vor allem in Großstädten gefragt. Doch der Trend ermöglicht auch erhebliche Einsparungen für den normalen Einzelhandel. Unterwegs in Düsseldorfer Unverpackt-Läden.

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Eine Kundin betritt den Laden. Sie füllt eine alte, leere Müsli-Plastikverpackung, wie man sie aus dem Supermarkt kennt, mit Müsli aus der Gravity Bin auf und geht zu Kasse. „7 Gramm wiegt diese Tüte – das weiß ich schon auswendig“ informiert sie Christina Rau, damit diese das Taragewicht abziehen kann. Christina Rau ist Gründerin des ersten Unverpackt-Ladens Flinse & Co in Düsseldorf. Sie ist Teil einer immer größer werdenden Bewegung, die den Lebensmittelverpackungen den Kampf angesagt hat.

Jede Verpackung so oft wie möglich wiederverwenden, das ist ganz im Sinne von Christina Rau. Sie berichtet von einer Stammkundin, die schon seit einem Jahr ihren Schokoladenvorrat in einer alten Margarine-Schachtel auffüllt. „Wie lange diese vermeintlichen Einmal-Verpackungen halten, ist unglaublich“, sagt Rau.

In vielen Städten eröffnen seit ein paar Jahren Unverpackt-Läden, Dutzende sind in Planung. Zurückzuführen ist das zum einen auf die steigende Nachfrage nach umweltbewusstem Einkaufen. Zum anderen auf die Vision, die schon bestehende Unverpackt-Läden antreibt: Einwegverpackungen aus ihren – und vielleicht irgendwann einmal aus allen – Läden zu verbannen. Es geht ihnen weniger um Wirtschaftlichkeit als um die Verbreitung ihrer Idee von Nachhaltigkeit.

Sebastian Würth aus Trier zum Beispiel: Er suchte auf Facebook nach Personen, die Lust hätten, in großen deutschen Städten einen Unverpackt-Laden aufzumachen. Er wollte sie bei der Planung und den Schritten bis zur Eröffnung unterstützen. Björn Amend und Eva Wenndorf aus Düsseldorf gingen auf das Angebot ein. Sie eröffneten mit seiner Unterstützung Unverpackt Düsseldorf, den dritten Laden in der Landeshauptstadt, der Lebensmittel nicht in Plastik verkauft. „Wenn man einmal auf dem Weg ist, dann bleibt man auch darauf“ beschreibt Björn seine neu gefundene Leidenschaft für das Führen seines Ladens. Es gehe wahrscheinlich jedem Unverpackt-Laden-Besitzer so.

Keine Schokolade mit Kinderblut

Laden mit Gewürzen zum selbst abfüllen. Quelle: imago images

Björn Amend möchte mit seinem Laden den Kunden One-Stop-Shopping ermöglichen: „Keiner hat mehr Zeit“ sagt er und zählt auf, dass man bei ihm alles für einen angenehmen Alltag einkaufen kann. Von Aufstrichen über Gemüse und Mehl bis zum Waschmittel ist alles da. Wie trifft Björn die Auswahl seines Sortiments? „Unsere Kunden sind Menschen, die nachdenken“ wiederholt er immer wieder. Vor der Eröffnung hatten sie darüber nachgedacht, neben Bioprodukten auch konventionelle Produkte für eine größere Zielgruppe anzubieten. „Allerdings würden diese Produkte zu viel Platz wegnehmen und passen nicht zu der Kundschaft, die wir wirklich bedienen wollen. Unsere Kunden kaufen Bio und Fairtrade. Sie wollen keine Schokolade mit Kinderblut und erwarten, dass die Bauern für ihre Arbeit und Ressourcen fair bezahlt wurden“, formuliert er drastisch und spielt darauf an, dass bei der Kakaoproduktion in Westafrika häufig Kinder mitarbeiten, bis buchstäblich die Finger bluten. Um den anspruchsvollen Kundinnen und Kunden den alltäglichen Einkauf einfacher zu gestalten, bietet Unverpackt Düsseldorf ein breites Sortiment an, Überangebot gibt es allerdings nicht. „Es braucht nicht zwanzig verschiedene Müslis und Kekse, ein Produkt jeder Kategorie reicht“, sagt Amend.

Spricht er über die Preise in seinem Laden, ist Björn Amend stolz: „Menschen, die Bio beim Discounter kaufen, finden uns natürlich teuer. Bioladen-Käufer können sich im Unverpackt-Laden allerdings über wesentlich niedrigere Preise freuen: Da wir in großen Gebinden, Fünf- bis 25-Kilo-Säcken, einkaufen, bekommen wir wesentlich günstigere Preise von den Produzenten und Großhändlern. Schließlich fallen Ressourcenkosten und ein ganzer Verarbeitungsschritt weg!“

Qualität statt Preisführerschaft, Individualität und Regionalität statt Massenprodukte und Überangebot. Verpackungsgegner können in jedem Laden andere lokale Produkte entdecken: Bienenhonig mal aus Berlin, mal aus Düsseldorf, Nudeln mal in Hamburg, mal in München produziert, der Kaffee wird aus der Rösterei im näheren Umfeld bezogen. „Kilometer Null“ wird der Trend zu Regionalität in anderen Ländern genannt. Die Unverpackt-Läden einer Stadt arbeiten stark zusammen und differenzieren sich dann durch Produkte von kleinen Start-ups.

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