Verkauf von Supermarktkette Real Der Schattensohn

Die SCP Group übernimmt die Supermarktkette Real. Quelle: dpa Picture-Alliance

Der russische Oligarch Wladimir Jewtuschenkow kauft die Einzelhandelsmärkte Real. Doch der eigentliche Strippenzieher ist sein Sohn Felix: Wer ist der Mann, der das Immobiliengeschäft für die Familiendynastie vorantrieb?

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Diese eine Lektion vom Schulhof hat der Milliardärssohn gut in Erinnerung behalten. „Wenn du mit etwas prahlst, dann nimmt man es dir schnell weg“, sagte Felix Jewtuschenkow einst dem russischen Magazin „Expert“ über seine Schulzeit im wilden Russland der 1990er Jahre. Damals habe Geld keine Rolle gespielt. Wichtiger sei gewesen, wer die härtere Faust hatte. Das sollte sich Jahre später auch für die russische Geschäftswelt als richtig erweisen.

2014 landete Jewtuschenkows Vater Wladimir, Vermögen geschätzte neun Milliarden Dollar, in U-Haft. Der Vorwurf: Geldwäsche. Die Moskauer Presse und zahlreiche Experten sahen einen anderen Grund. Der staatliche Ölkonzern Rosneft habe ein Auge auf Wladimir Jewtuschenkows Ölfirma Bashneft geworfen. Er kam frei, nachdem er die Bashneft-Aktien an den Staat zurückgab.

Wie sehr diese Erfahrungen Felix Jewtuschenkow bei der Übernahme von Real im Hinterkopf hatte, das lässt sich nicht genau feststellen. Der Unternehmersohn gilt als medienscheu und zurückhaltend, seit Jahren meidet er Kontakt zu Journalisten. Der Familienvater von fünf Kindern sei kein Draufgänger, sondern bescheiden und würde hart arbeiten, heißt es in Moskau. Arroganz sei nicht sein Ding. Auch bei dem Real-Deal stand sein Vater im Zentrum der Aufmerksamkeit. Quellen aus dem Umfeld der Unternehmerfamilie bestätigen allerdings, dass es Jewtuschenkow-Junior war, der den Deal mit dem Handelskonzern Metro vorangetrieben hat - und damit nebenbei einen weit umfassenderen Plan verfolgt.

Zur Erinnerung: Nach monatelangem Tauziehen haben der Finanzinvestor SCP und der Metro-Konzern den Verkauf der Supermarktkette Real vor wenigen Tagen besiegelt. Am Mittwoch gaben auch die SCP-Gremien grünes Licht für den Kauf. Es ist ein Großereignis in der deutschen Handelsgeschichte: Immerhin 276 Märkte und rund 34.000 Beschäftigte sind direkt davon betroffen.

Wer also ist der Mann, der dabei die tragende Rolle spielte?

Eines von wenigen Fotos: Felix Jewtuschenkow (m.) im Jahr 2017. Quelle: imago images

Die bisherige Karriere des Felix Jewtuschenkow im Immobilienbereich lief nicht immer reibungslos. Bereits Mitte der 2000er Jahre hatte Felix mit 24 Jahren die Leitung der Bausparte von AFK Sistema, der Holding seines Vaters, übernommen. Das Geschäft schien bombenfest. Die Immobilienpreise in Moskau explodierten. AFK baute Bürotürme und teure Wohnanlagen, restaurierte altehrwürdige Hotels und Kaufhäuser. In einem seiner wenigen Interviews träumte der Jewtuschenkow-Sprössling davon, den Baukonzern seines Vaters zu einem Immobilienunternehmen nach westlichem Vorbild umzubauen. Mit der Finanzkrise 2008 kam jedoch das Aus. In Moskau brachen die Preise ein, die Schuldenlast war nicht mehr zu bedienen. Die Sparte ging am Ende für symbolische zwei Euro an die Staatsbank VTB.

Felix sei wohl zur falschen Zeit am falschen Ort gelandet, sagen heute viele Moskauer Beobachter. Dennoch schien das Vertrauen des Vaters für einige Jahre gelitten zu haben. Doch diese Zeit ist nun vorbei. Stattdessen zeigt der Sohn mit dem jüngsten Deal, dass er von der vorsichtigen Strategie seines Vaters gelernt hat. Seit den 1990er Jahren hat Jewtuschenkow sein Geschäftsimperium unter dem Holdingnamen „AFK Sistema“ möglichst breit gefächert. Der wichtigste Geldbringer ist derzeit der Telekomanbieter MTS. Im Portfolio befindet sich jedoch ebenfalls eine Warenhauskette für Kinderbedarf, eine Agrarholding, ein Baukonzern, ein Holzverarbeitungsbetrieb und eine Online-Shoppingplattform. Genau diese Breite hat es Jewtuschenko senior erlaubt, sein Konglomerat vor dem Griff der russischen Justiz zu retten, auch als sein Konzern 2017 zusätzlich 1,8 Milliarden Euro Strafe wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten bei Bashneft zahlen musste.

Seitdem hat die Familie einiges getan, um ihre Investments auch international zu fächern. Sohn Felix ist dabei der Mann, der immer mehr Verantwortung übernimmt. 2015, kurz nach der vorübergehenden Inhaftierung seines Vaters, wurde die Luxemburger Investmenttochter Sistema Capital Partners (SCP) gegründet. Im vergangenen Jahr bekam der Jewtuschenkow-Sprössling 51 Prozent an dem Unternehmen. SCP hatte zu dieser Zeit bereits mit dem deutschen Partner Corestate rund 350 Millionen Euro in deutsche Einzelhandelsimmobilien investiert. Mit dem Real-Kauf dürfte SCP nun zu einem vollwertigen Standbein für die Jewtuschenkow-Familie aufsteigen.

Der Deal wird mit 263 Millionen Euro von einer hundertprozentigen Tochter von AFK Sistema finanziert. Ziel ist es, den Großteil der Real-Märkte möglichst rasch und lukrativ wieder loszuwerden. Etwa 200 Standorte sollen so an die Konkurrenz verkauft oder vermietet werden. Dafür ist der deutsche Partner x+bricks zuständig. Etwa 30 Filialen, so der Plan, müssen endgültig schließen. Ziel sei es aber, so heißt in einer Mitteilung von SCP, dass auch die meisten Mitarbeiter von den neuen Betreibern übernommen werden. Die russischen Geldgeber wollen schließlich den Eindruck vermeiden, wie eiskalte Finanzinvestoren zu agieren.

Auch für Jewtuschenkow-Junior ist der Deal eine Bewährungsprobe. Zuletzt hatten sich in Moskau die Anzeichen gemehrt, dass er eine größere Rolle im Familien-Konglomerat spielen soll. Bis Ende 2018 bekam er von seinem Vater insgesamt 5,2 Prozent der Aktien der Telekomtochter MTS übertragen im Wert von rund 60 Millionen Euro. 2019 stieg er dann zum Chef des Verwaltungsrats von MTS auf, das als Kronjuwel des Familienimperiums gilt.

Allerdings hatte sein Vater im vergangenen Jahr durchaus Zweifel an der Eignung des Sohnes erkennen lassen. Das 71-jähriges Familienoberhaupt erklärte damals, er hätte längst sein ganzes Unternehmen an seinen Sohn übertragen, wäre er sich seiner vollkommen sicher.
Mit dem Kauf von Real kann Felix Jewtuschenkow nun unter Beweis stellen, ob er sich für die Rolle des Nachfolgers wirklich eignet.

Mehr zum Thema: Nach dem Verkauf der Supermarktkette Real will Metro-Chef Olaf Koch den Großhandelskonzern entstauben und mit Apps und Softwarelösungen zum Restaurantdienstleister umbauen. Spielen die Kunden mit?

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%