Werner knallhart

Karstadt & Kaufhof: Hat das Zukunft oder kann das weg?

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Vielleicht noch einmal ganz anders durchstarten?

Damit ist der einzige Vorteil des Prinzips von „alle Marken auf einer Verkaufsfläche“ futsch, nämlich der, von einer neutralen Verkäuferin zu allen Marken einigermaßen ausgewogen beraten werden zu können. Dann doch lieber das Original: Das Einkaufszentrum mit lauter Fachleuten ihrer eigenen Marken in speziellen Shops im stimmigem Design mit der passenden Musik. Das wirkt hochwertiger und macht mehr Spaß.

So wie in Bielefeld: Im neuen Einkaufszentrum Loom mitten in der Stadt mit über hundert Shops, in topmoderner Architektur und mit großem überdachtem Atrium gibt es nun einen Supermarkt von Rewe (dem traut man den Handel mit Lebensmitteln zu), Rossmann (der kennt sich mit Kosmetik und Drogeriezeug aus), Douglas (die Damen dort sind parfümfirm), Deichmann (die können preiswerte Schuhe), einen Adidas-Store (die Verkäufer dort sind Anfang, Mitte Zwanzig und vermitteln den Eindruck, dass sie sich mit ihren Produkten identifizieren), Primark (eine starke Billigmarke - ob man sie mag oder nicht), einen Foodcourt mit vielen kleinen Restaurants und Imbissbuden von der Salatbar und dem Edel-Burger-Laden bis zum Coffeestore. Da brennen die Leute für ihr Business mitunter allein schon deshalb, weil ihr Job vom kurzfristigen Erfolg abhängt. Und weil jeder Verkäufer nur für sein Segment arbeitet und die bekannten Marken für sich stehen, hat man wie auf einem gepflegten Wochenmarkt das Gefühl: Hier kauft man beim leidenschaftlichen Experten. Tief im eigenen Thema und auf dem neuesten Stand.

Zwei deutsche Traditions-Warenhäuser

Und das Center-Management bietet den Kunden abschließbare Handyladeschalen, Schließfächer für die dicke Winterjacke, eine Anzeigetafel, auf der steht, wann die nächsten U-Bahnen fahren, einen Babystillraum, Massagesessel und gemütliche Wartebereiche, für Leute, die die Tüten nicht mehr tragen können, Regenschirmverleih, kostenloses WLAN, Ladestellen für E-Autos und Drop-off-Punkte, an denen man Leute aus dem Auto springen lassen kann, ohne zu parken. In den Erläuterungen zu letztem Punkt werden die Kunden online sogar geduzt - so weit vorne will man sein.  Und das alles lockt Teenager, Familien und Senioren aus allen Kulturen.

Karstadts Servicehighlight auf der Bielefelder Website: Die Karstadt-Kundenkarte.

Können Sie sich vorstellen, dass sich eine Clique von Teens verabredet, um beim schräg gegenüber liegenden Bielefelder Karstadt das Taschengeld zu verprassen? Da blamiert man sich ja. Da können die Warenhäuser noch so viel „Sale“ auf ihre Flaggen drucken - oder „Schlussverkauf“, wie es gerade wieder heißt. Schluss von was - mitten im Juli?

Ich war heute extra noch bei Karstadt am Berliner Hermannplatz und habe mich umgeguckt. In der Parfümerie steht in einer Ecke in emotionslosen grauen Buchstaben auf der weißen Wand groß: Damenduft. Das hätte man so auch vor 90 Jahren hinschreiben können. Wer entscheidet sowas? Auf dem Lageplan heißt es Damen-Tag- & -Nachtwäsche, Goldankauf, Frottierwaren und Kurzwaren. Fragen Sie mal jemanden unter 30, was Kurzwaren sind.

Wenige Meter weiter werden direkt vor der Rolltreppe simpelste Einkaufs-Trolleys für 20 Euro verscheuert. So wird man empfangen. Und am traurigsten ist es dort, wo ein modernes Einkaufszentrum den Foodcourt hat: im Warenhaus-Restaurant. Im Karstadt-Obergeschoss stößt man erstmal auf das Mitarbeitercafé (kein Zutritt für Kunden!), dann auf die Raucherlounge hinter sich automatisch öffnenden Schwingtüren. Dahinter steht als Raumtrenner eine Reihe welker Zimmerpalmen, die ihre verblichenen Blätter hängen lassen. Dabei sind die aus Plastik.

Neben der Kinderspielecke stehen zwei Glücksspielautomaten, vor dem linken mit rundem Rücken sitzend ein kleiner alter Mann im Tanktop und verwaschener Zweidritteljeans, der dort müde sein Kleingeld versenkt, ohne hinzugucken. Daneben das Schild: „Wir möchten darauf hinweisen, das wir den Verzehr von Mitgebrachten Speisen und Getränken nicht gestatten können.“ (Nein, ich habe mich nicht vertippt.)

Also, ich sehe in diesem Konzept keine Zukunft. Aber vielleicht haben die Damen und Herren von Karstadt und Kaufhof ja Lust, noch einmal ganz anders durchzustarten. Den Mitarbeitern wäre es zu gönnen. Und den Bewohnern der vielen mittelgroßen Städte auch, deren Herzstück in der Fußgängerzone oft noch das Warenhaus ist. Hat ja nicht jeder so viel Glück wie Bielefeld.

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