Airbus-Konkurrenten China lockt deutsche Flugzeugbauer

Boeing und Airbus bekommen neue Konkurrenz - vor allem aus China. Das erfreut auch die deutschen Zulieferer der Luftfahrtindustrie. Der Absatzmarkt verspricht Milliardengewinne, ist aber nicht ohne Risiko.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Eine Stewardess der Commercial Aircraft Corporation of China - kurz Comac: Angriff auf Boeing und Airbus. Quelle: dpa

Schangh Deutsche Flugzeugzulieferer dürfen sich Hoffnungen auf mehr Aufträge aus China machen. Die Staatsholding Comac wirbt um eine deutsche Beteiligung bei dem Aufbau einer eigenen Flugzeugindustrie. Das erklärten die Chinesen beim Besuch einer deutschen Wirtschaftsdelegation in Schanghai. China will mit dem Passagierjet C919 ab 2017 das Duopol von Airbus und Boeing knacken.

Bislang ist lediglich Liebherr mit Fahrwerken und Klimatechnik Zulieferer für die C919. Die Chinesen interessieren sich aber auch für deutsche Triebwerkstechnik und Kohlefaser. MTU-Chef Egon Behle prüft mit den Chinesen die Entwicklung eines Jetantriebs. "An der Ernsthaftigkeit besteht kein Zweifel", sagte Behle dem Handelsblatt. Er schätzt, dass die Chinesen einen "zweistelligen Milliardenbetrag" in die Entwicklung von Flugzeugturbinen stecken. Laut Comac liegen für die C919 bis Jahresende 200 feste Aufträge vor. Insgesamt sollen in China in den kommenden 20 Jahren mehr als 4000 Jets verkauft werden.

Wie solche Deals konkret ablaufen, lässt sich in diesen Tagen wunderbar in Schanghai erleben: Für viele der Anwesenden ist es eine Art "Blind Date": Dankbar umklammern sie ihre Teller mit Peking-Ente und Leberkäs', die Augen suchend auf mögliche Geschäftspartner gerichtet. Das heimatliche Weißbier soll die Unsicherheit nehmen.

Den zehn deutschen Luftfahrtunternehmern im "German Centre" in Schanghai stehen knapp 20 chinesische Kollegen gegenüber, denen es ähnlich geht. Auch sie lesen Visitenkarten und scannen ihre Gegenüber vor allem nach einem Gesichtspunkt: Wer ist für mich wichtig und nützlich?

"Deutsche Partner sind bei uns sehr willkommen", versichern die Manager des chinesischen Flugzeugbauers Comac bei der offiziellen Vorstellung der Anwesenden. Das Staatsunternehmen aus Schanghai ist der wichtigste Grund für die vom bayerischen Wirtschaftsministerium organisierte Kuppelei. Denn der Konzern hat einen Auftrag: Spätestens 2017 soll Comac mit dem in der Entwicklung steckenden Mittelstreckenjet C919 das Duopol von Airbus und Boeing knacken. Und dabei sollen die Deutschen helfen.

Industriepolitisch ist der Einstieg in die Luftfahrtindustrie für China ein bedeutender Schritt - das einstige Entwicklungsland drängt damit in die wohl prestigeträchtigste High-Tech-Domäne des Westens vor. Schon im Juli präsentierte Comac auf der internationalen Luftfahrtmesse in Le Bourget ein lebensgroßes Kabinenmodell des Airbus-Konkurrenten und elektrisierte damit die Branche. Viel Geld und noch mehr Ehrgeiz sind am Werk.


Der Hunger nach Flugzeugen ist riesig

Mehr als zehn Milliarden Dollar pumpt Peking in die Comac, noch einmal so viel erhält das Schwesterunternehmen Acea zum Aufbau einer eigenen Triebwerksindustrie. Avic, die dritte Staatsholding, soll Businessjets mit einer Milliarde Dollar Startkapital entwickeln.

Kein Zweifel: In der weltweiten Flugzeugindustrie entsteht ein neuer Wettbewerber - aber auch ein neuer Kunde. Die deutschen Flugzeugzulieferer können nun neben Airbus und Boeing einen dritten großen Abnehmer auf dem Weltmarkt beliefern. Das Potenzial ist riesig: In den kommenden Jahren werden in China 4000 neue Jets verkauft. Damit wird das Reich der Mitte vor den USA der größte Flugzeugmarkt der Welt, mit einem Volumen von mehreren Hundert Milliarden Dollar.

Bislang haben sich vor allem US-Konzerne wie Honeywell, Rockwell Collins und General Electric mit Comac arrangiert. Liebherr ist noch das einzige namhafte deutsche Unternehmen an Bord der C919. Die Schwaben entwickeln für den Airbus-Konkurrenten Lüftungssysteme und das Fahrwerk. Doch weitere Interessenten stehen bereit.

"Wir wollen frühzeitig als Technologiepartner an der Entwicklung teilhaben", sagt auch Egon Behle, Chef der Münchener MTU, der mit den Chinesen ein eigenes Triebwerk plant. Joachim Nägele, Geschäftsführer der Augsburger Premium Aerotec, sieht "die Chance, unsere Abnehmerstruktur zu diversifizieren". Die EADS-Tochter mit 6000 Beschäftigten ist der wichtigste Airbus-Zulieferer. Die Chinesen wollen vor allem die Kohlefasertechnik der Deutschen.

Der Hunger nach Flugzeugen in China ist groß: Peking will bis 2015 nicht weniger als 45 neue Flughäfen bauen. Das Passagieraufkommen soll bis dahin um 68 Prozent steigen. Air China, China Eastern und China Southern stocken ihre Flotten massiv auf.


Kopieren reicht nicht


Chinesische Flugzeuge werden an dieser ersten Phase des Booms nicht teilhaben, noch gibt es kein marktfähiges Modell. "Chinas Flugzeugindustrie ist mindestens ein Jahrzehnt hinter der westlichen Konkurrenz", sagt Michael Santo von der Münchener Unternehmensberatung h&z. "China muss sich das technische Wissen zukaufen, weil die eigene Forschung noch nicht effizient genug arbeitet."
Die wirklichen Fortschritte sind schwer einzuschätzen. Auf ihrer Reise durch die chinesische Luftfahrtindustrie bekommen die Deutschen vor allem Ankündigungen präsentiert. Beispiel Zhuhai: Die nagelneuen Produktionshallen der Avic für Businessjets füllen lediglich drei Bausätze des insolventen US-Herstellers Epic, den die Chinesen zum Spottpreis von 4,3 Millionen Dollar übernommen haben. Bis 2015 sollen in dem bislang fast menschenleeren Komplex 15 000 Beschäftigte arbeiten.

Auch Comac muss noch viel aufholen. So basiert der 2002 begonnene Regionaljet ARJ 21 auf der eingestellten Mc Donald MD 90. Deutsche Ingenieure entdecken auffällig viele Ähnlichkeiten mit der Do 728, dem letzten Projekt des 2002 in die Insolvenz gegangenen bayerischen Flugzeugbauers Fairchild Dornier. Der letzte Eigentümer vor der Abwicklung hieß D Long und hatte seinen Sitz in China. Dennoch bekommt Comac das Projekt nicht in den Griff: Bis heute gibt es erst vier Testmaschinen, von einer Serienfertigung ist keine Rede.

Die Chinesen haben erkannt, dass es nicht reicht, westliche Auslaufmodelle zu kopieren. Sie konzentrieren sich daher auf die größere C919. Mit ihren 170 Sitzplätzen ist sie als Konkurrent zu den Airbus-Modellen A320 und A319 konzipiert. Geleitet wird das Projekt von Shi Jianzhong, einem verdienten Parteikader, der bereits Chinas Weltraumrakete "Langer Marsch" auf Augenhöhe mit der westlichen Konkurrenz gebracht hat.

"Wir werden bis Ende des Jahres 200 Bestellungen für die C919 haben", lässt Jianzhong seine deutschen Gesprächspartner wissen. Peking hat die staatlich kontrollierten Airlines dazu verdonnert, jeweils mindestens 20 Stück des China-Jets zu bestellen. So viel Starthilfe hatte Airbus vor 40 Jahren nicht, als das europäische Start-up die US-Giganten Boeing und Lockheed angriff. Heute ist Airbus Weltmarktführer.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%