Brexit Deutsche Industrie blickt beunruhigt auf Verhandlungen

Theresa May will ihre Pläne für die Beziehungen zur EU nach dem Brexit vorstellen. Die deutsche Industrie sieht eigentlich nur einen Weg.

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Nach Einschätzung von BDI-Präsident Kempf leidet Großbritannien bereits jetzt unter der Situation. „Die Handelsvolumina sind zurückgegangen, und zwar spürbar in einer Zeit weltweit wachsenden Handels“, sagte er. Quelle: dpa

Brüssel Die deutsche Industrie blickt zunehmend beunruhigt auf den Verlauf der Brexit-Verhandlungen. „Aus Sicht der Wirtschaft haben wir Sorge, dass sich die Fronten auf beiden Seiten verhärten und dass es nicht zu konkreten Ergebnissen kommt“, sagte BDI-Präsident Dieter Kempf der Deutschen Presse-Agentur zu den jüngsten Streitigkeiten. Um schwerwiegende Folgen des für März 2019 geplanten Brexits zu vermeiden, brauche es aber ein möglichst umfassendes Handels- und Wirtschaftsabkommen.

Angesichts der Zeitnot sprach sich Kempf dafür aus, Gespräche über ein solches Abkommen nicht bei Null zu beginnen, sondern einen der bestehenden EU-Handelsverträge als Blaupause zu nutzen. „Ceta, das Abkommen mit Kanada, halten viele für eines der besten Handels- und Investitionsabkommen, das Staaten abgeschlossen haben. Das könnte eine vernünftige Ausgangsbasis für Verhandlungen sein“, sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).

In der verbleibenden Zeit ein neues Abkommen „quasi auf einem leeren Blatt Papier zu entwickeln“, werde wahrscheinlich schwierig sein. Neben dem Abkommen mit Kanada könnten auch die mit Norwegen oder der Schweiz als Vorbild dienen.

Die britische Premierministerin Theresa May will an diesem Freitagnachmittag in einer Rede ihre Pläne für die Beziehungen des Vereinigten Königreichs zur EU nach dem Brexit vorstellen. Bis zuletzt war allerdings höchst fraglich, ob sie Basis für einen echten Fortschritt in den Verhandlungen sein können.

Ein Treffen Mays mit dem EU-Ratspräsidenten Donald Tusk am Donnerstag in London gab keinen Anlass zur Hoffnung auf eine baldige Lösung in den dringendsten Streitpunkten. Vor allem die Frage, wie Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland künftig verhindert werden sollen, ist problematisch. Großbritannien soll nach dem Willen Mays nach einer Übergangszeit sowohl die Zollunion als auch den Europäischen Binnenmarkt verlassen. Damit seien Kontrollen aber unvermeidlich, sagt Brüssel.

May wiederholte einem Sprecher zufolge ihre Kritik an dem Entwurf des Brexit-Abkommens der EU, das Chefunterhändler Michel Barnier am Mittwoch vorgestellt hatte. Darin wird vorgesehen, dass Nordirland im Notfall Teil der Zollunion bleibt, während der Rest Großbritanniens austritt. Das, so May, bedrohe die Integrität des Vereinigten Königreichs.

Nach Einschätzung von BDI-Präsident Kempf leidet Großbritannien bereits jetzt unter der Situation. „Die Handelsvolumina sind zurückgegangen, und zwar spürbar in einer Zeit weltweit wachsenden Handels“, sagte er. Ein zweiter Indikator seien die signifikant zurückgegangenen Mieten in London. „Das zeigt auch, wie falsch die Idee ist, dass die Finanzbranche von dem ganzen Thema völlig unbeeinflusst sein könnte“, fügte Kempf hinzu. „Sonst würden die Mieten in London nicht sinken, denn in London gibt es nicht so wahnsinnig viele Industriebetriebe.“

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