Cannabis als Medizin Deutschland sucht Hanf-Anbauer

Zehntausende Deutsche könnten bald Cannabis als Medikament verschrieben bekommen. Für die Pharmabranche ist das ein lukrativer Markt. Doch um die Lizenz für den Anbau wollen sich zwei wichtige Anbieter nicht bewerben.

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2021 und 2022 sollen in Deutschland im staatlichen Auftrag bereits jährlich 2000 Kilogramm Cannabis geerntet werden. Quelle: Reuters

Frankfurt Deutschland sucht Firmen, die Cannabis anbauen – aber zwei bedeutende Spieler auf dem Weltmarkt machen nicht mit: Der kanadische Hanfhersteller Tilray und die Naturarzneifirma Bionorica haben sich nicht an dem laufenden Verfahren der kürzlich gegründeten Cannabis-Agentur beteiligt.

„Wir haben uns entschieden, uns nicht auf die Ausschreibung zum Anbau von Medizinal-Cannabis in Deutschland zu bewerben“, sagt Marla Luther, Deutschlandchefin von Tilray, dem Handelsblatt. Das heiße aber nicht, dass man hierzulande nicht als führender Anbieter von Cannabis aktiv werden will. „Wir wollen unseren in Kanada angebauten Cannabis nach Deutschland importieren“, so die Managerin.

Seit Anfang März kann Cannabis als Medizin für schwerkranke Menschen in bestimmten Fällen von den gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland erstattet werden. Hatten davor nur rund 1000 Menschen eine Ausnahmeerlaubnis, Cannabis zu medizinischen Zwecken zu kaufen, dürften künftig ein paar zehntausend Patienten Hanf und Hanfprodukte als Medizin verschrieben bekommen, so Schätzungen aus der Branche.

Damit ist Deutschland zu einem interessanten Markt für Cannabisanbieter aus aller Welt geworden. Zumal Hanf für den medizinischen Einsatz künftig erstmals auch in Deutschland angebaut werden soll, um den Bedarf zu decken. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat deshalb eine Cannabis-Agentur eingerichtet, die ein Ausschreibungsverfahren in Gang gesetzt hat, um Aufträge zum Anbau zu erteilen. Das Bundesinstitut wird das Cannabis nach der Ernte in Besitz nehmen, die Abgabe läuft über Apotheken. Aber bis der Medizinalhanf aus deutschem Anbau auf den Markt kommt, wird es noch dauern: Mit der ersten Ernte wird 2019 gerechnet.

Bisher wurde das in Deutschland verkaufte Cannabis vor allem von der niederländischen Firma Bedrogran importiert. Die entsprechende Erlaubnis vergibt die Bundesopiumstelle. Mit steigendem Bedarf wird der Import aus anderen Ländern nach Deutschland stiegen. Vorne dabei ist Kanada. Seit in dem Land Cannabis für den medizinischen Gebrauch legalisiert wurde, ist dort eine ganz neue Branche entstanden, die nach Deutschland expandieren will.

So auch Tilray. Das private Unternehmen mit rund 150 Mitarbeitern hat seit Jahren Erfahrung mit dem Anbau von Cannabis gesammelt. „Wir liefern seit 2014 an über 20.000 Patienten weltweit und haben 30 Millionen Dollar in unseren Produktionsprozess investiert, der bis zur Trocknung der Blüten europäische Standards deutlich übertrifft“, sagt Deutschland-Chefin Luther. In einen weiteren Anbau in Deutschland zu investieren, bringe das Unternehmen nicht voran. Deshalb hat sich Tilray gegen die Teilnahme an der Ausschreibung in Deutschland entschieden.

Was Tilray in Deutschland allerdings sehr wohl voranbringen kann, ist das große Wissen über sogenannte Phytopharmaka, also Arzneimittel pflanzlichen Ursprungs, das es hier bei Forschungseinrichtungen und bei vielen spezialisierten Herstellern gebe, so die Managerin. Deswegen will das Unternehmen über Kooperationen mit Universitäten die Forschung zu Cannabis vorantreiben und über Kooperationen mit Anbietern eines Tages Cannabis-Fertigarzneimittel entwickeln. „Konkrete Gespräche gibt es dazu aber noch nicht“, sagt Luther.


Dreistellige Millionenumsätze sind möglich

Auch der Naturarzneihersteller Bionorica, der das Cannabis-Medikament Dronabinol vertreibt, hat sich gegen eine Beteiligung an der Ausschreibung entschieden. Allerdings sind die Gründe etwas anders gelagert als bei Tilray. Denn Bionorica hat viel Geld in den Produktionsprozess seines Medikaments, dass aus dem Extrakt der Hanfpflanze hergestellt wird, investiert. Cannabisblüten anbauen und vertreiben will das Unternehmen nicht. „Die Verschreibung von Cannabisblüten lehnen wir ausdrücklich ab, da deren Dosierung für den Patienten nicht reproduzierbar möglich und für den Arzt nicht steuerbar ist“, heißt es bei Bionorica.

Auch dass die Cannabisagentur die Preise für die Cannabis-Abgabe festsetzen wird, spielt eine wichtige Rolle. Bionorica hat zwar grundsätzlich ein Interesse daran, in Deutschland Medizinalhanf für den eigenen Herstellungsbedarf von Dronabinol anzubauen. „Diese Möglichkeit sehen wir jedoch bei der Ausgestaltung der aktuellen Ausschreibung für eine Anbaulizenz nicht“, schreibt das Unternehmen. Den benötigten Hanf für seine Produktion bezieht das Unternehmen bisher aus Österreich.

Wer sich an der laufenden Ausschreibung der Cannabis-Agentur beteiligt hat, gibt das BfArM nicht bekannt. Die niederländische Bedrocan beispielsweise hatte dem Handelsblatt im Vorfeld der Ausschreibung Interesse signalisiert. Aber auch kanadische Unternehmen wie Tweed Marihuana aus Kanada kommen in Frage. Nachdem die erste Phase der Beantragung einer Teilnahme abgelaufen ist, müssen jetzt erst einmal bis zum Ende des Monats die Anträge mit den entsprechenden Eignungsnachweisen eingereicht werden. Schließlich geht es bei Cannabis immer noch um ein Betäubungsmittel.

Das Geschäft mit Cannabis könnte perspektivisch durchaus dreistellige Millionenumsätze erreichen. Das BfArM kalkuliert für 1000 Patienten mit insgesamt 365 Kilogramm Blüten pro Jahr, was zu Apothekenpreisen aktuell etwa sieben Millionen Euro entspricht. 2021 und 2022 sollen in Deutschland im staatlichen Auftrag bereits jährlich 2000 Kilogramm Cannabis geerntet werden. Allerdings ist noch unklar, wie sich der Bedarf tatsächlich entwickeln wird.

Dass Deutschland mit der Legalisierung von Cannabis zu therapeutischen Zwecken ein attraktiver Markt geworden ist, zeigen auch jüngste Übernahmeaktivitäten. So erwarb der börsennotierte kanadische Hersteller Aurora Cannabis Ende Mai den deutschen Cannabis-Importeur und Großhändler Pedanios aus Berlin. Das erst 2015 gestartete Unternehmen hat sich mit dem Verkauf seiner Produkte an 750 Apotheken bereits zu einem wichtigen Anbieter im Markt vorgearbeitet. Der Risikoinvestor Think Health konnte nach eigenen Angaben mit dem Kaufpreis von 15,7 Millionen Euro für seine Investoren mehr als das Fünffache des eingesetzten Kapitals herausholen.

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