Energiemarkt Schock bei den Strompreisen

Zum Jahreswechsel heben Hunderte Versorger ihre Tarife an – je nach Region zum Teil kräftig. Mit einer kleinen Verzögerung dürften weitere Stromanbieter folgen. Die Verbraucher müssen sich das aber nicht gefallen lassen.

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Blitze schlagen bei Sehnde in der Region Hannover hinter einer Hochspannungsleitung ein: Für viele Stromverbraucher beginnt das Jahr mit einem Schock. Quelle: dpa

Düsseldorf Vielen Verbrauchern wird an Silvester nur bedingt zum Feiern zumute sein – wenn sie an ihre Stromrechnung denken. Und ganz besonders dürfte die Stimmung in Bayern, Sachsen oder Hessen getrübt sein. Im Schnitt müssen alle Stromkunden in Deutschland eine moderate Preiserhöhung verkraften; in den drei Ländern fällt der Sprung aber zum Teil gewaltig aus.

Zum Jahreswechsel haben 328 Stromversorger Preiserhöhungen bei ihrem Grundtarif angekündigt. Durchschnittlich heben sie diesen Preis, den sie allen Kunden anbieten und veröffentlichen müssen, um 3,5 Prozent an. Das geht aus dem aktuellen Überblick des Vergleichsportals Verivox hervor, das dem Handelsblatt vorliegt. Die jährlichen Stromrechnungen steigen für die betroffenen Kunden im Schnitt um 42 Euro. Zum gleichen Stichtag senken dagegen nur 21 Stromanbieter ihre Preise – und das auch nur um rund zwei Prozent.

Regional klettern die Strompreise dabei zum Teil noch erheblich stärker. Vor allem in Bayern, Sachsen und Hessen müssen die Verbraucher zum Jahresbeginn deutlich mehr bezahlen. Einzelne Versorger heben ihre Preise hier um bis zu 15 Prozent an. Die jährliche Stromrechnung wird dadurch für eine Durchschnittsfamilie um knapp 190 Euro nach oben getrieben.

Dabei haben im Jahresverlauf schon ein Drittel der Versorger ihre Tarife angehoben. Im Durchschnitt wird eine drei- bis vierköpfige Familie mit einem Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden über das gesamte Bundesgebiet betrachtet im Grundtarif elf Euro mehr für Strom bezahlen als noch vor einem Jahr. Die jährliche Stromrechnung steigt damit im Jahresvergleich um ein Prozent von 1100 Euro auf 1111 Euro. Das mag nicht viel sein. In den vergangenen Jahren waren die Preise aber im Schnitt noch jeweils gesunken.

„Nachdem die Preise für Strom in den letzten drei Jahren um rund zwei Prozent gesunken sind, kehrt sich dieser Trend zum Jahresbeginn nun wieder um: Die Strompreise steigen zum Januar bundesweit durchschnittlich um ein Prozent - ein deutliches Zeichen, dass Verbraucher die steigenden Kosten der Energiewende tragen müssen“, sagt Jan Lengerke, Mitglied der Geschäftsleitung bei Verivox.

Alle Verbraucher gleichermaßen trifft der Anstieg der EEG-Umlage, mit der der Ausbau der erneuerbaren Energien finanziert wird. Für jede Kilowattstunde müssen die Verbraucher ab Januar dafür 6,88 Cent bezahlen – im laufenden Jahr lag die EEG-Umlage noch bei 6,35 Cent. Damit macht die EEG-Umlage einen immer größeren Teil der Strompreise aus, die in der Regel bei knapp 30 Cent je Kilowattstunde liegen.


Einkauf wird für Versorger immer günstiger

Gleichzeitig steigen mit der Energiewende aber auch die Kosten für den Betrieb der Netze, die über die Netzentgelte auch auf die Stromkunden umgelegt werden. Die Netzbetreiber investieren in neue Leitungen und müssen häufig eingreifen, um das schwankende Angebot an Wind- oder Solarstrom auszugleichen.

Die regional sehr unterschiedlichen Preiserhöhungen sind vor allem darin begründet. „Wenn zum Beispiel in Bayern – dem Bundesland mit dem höchsten Anteil an Photovoltaik-Anlagen – sehr viel Solarstrom in das Stromnetz fließt, müssen anderorts Kraftwerke vorrübergehend vom Netz genommen werden“, erläutert Lengerke. „Diese Eingriffe kosten Geld und treiben die Netzentgelte und damit die Stromkosten regional teilweise stark nach oben.“

Inzwischen entfallen knapp 80 Prozent des Strompreises auf Steuern, Abgaben, Umlagen und Netzentgelte. Der Anteil der Bestandteile, die der Versorger selbst kontrollieren kann, also Beschaffung, Vertrieb und Erlös, wird immer kleiner.

Dabei ist der Einkauf von Strom für die Versorger in den vergangenen Jahren immer günstiger geworden. Anfang 2016 kostete eine Kilowattstunde im Großhandel kaum noch mehr als zwei Cent. Fünf Jahr zuvor waren es noch mehr als fünf Cent.

Für Udo Sieverding, den Energieexperten der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, gibt es deshalb für viele Versorger nur wenig Anlass, die Preise anzuheben. Zwar steige die EEG-Umlage. Das werde aber dadurch ausgeglichen, dass die Versorger ihren Strom billiger einkaufen können. „Die beiden Effekte dürften sich weitgehend aufheben“, sagt der Verbraucherschützer im Interview, „einen richtigen Grund für eine Preiserhöhung sehe ich eigentlich nur in den Regionen, in denen die Netzentgelte gestiegen sind.“


Verbraucherschützer warnt vor „zweiter Welle“

Sieverding rechnet aber trotzdem mit weitere Preiserhöhungen: „Das dürfte es noch nicht gewesen sein. Ich rechne damit, dass mit etwas Verzögerung eine zweite Welle kommt.“ Zum ersten Februar oder spätestens zum ersten März würden viele weitere Versorger die Strompreise erhöhen.

Seit ein paar Jahren sei „das gleiche Spielchen“ zu beobachten: Viele Versorger verzichteten bewusst zum Jahreswechsel, wenn der Markt viel Aufmerksamkeit habe, auf eine Preiserhöhung, um dann doch wenig später still und heimlich nachzuziehen. „Ich höre aus der Branche, dass das ganz bewusst gemacht wird“, sagt Sieverding. „Ich finde das ein wenig link.“

Nach seinen Worten müssen sich die Verbraucher das aber nicht gefallen lassen. Zumindest wer noch in der Grundversorgung ist, sollte nach seinen Worten über einen Wechsel nachdenken. Das sind immerhin noch rund 30 Prozent. „Schon das Stadtwerk hat andere Tarife, die günstiger sind. Und dann gibt es ja inzwischen eine Vielzahl von Anbietern, aus denen man wählen kann.“

Dazu rät auch Verivox-Geschäftsführer Lengerke: „Stromanbieter kämpfen um jeden Neukunden und das Sparpotenzial zwischen den Versorgern ist heute sogar höher als noch vor einem Jahr“, sagt er: „Wer jetzt aus der Grundversorgung zu einem Anbieter mit fairen Konditionen wechselt, spart durchschnittlich 424 Euro im Jahr. Vor einem Jahr waren es nur 416 Euro.“

Sparpotenzial gibt es auch für Gaskunden. Dabei gibt es für diese zum Jahreswechsel schon so Grund zur Freude. Im Durchschnitt sinkt die jährliche Gasrechnung 2017 um sieben Prozent auf 1166 Euro. 2016 senkten rund 511 Gasversorger schon die Preise.

Für Januar oder Februar haben 278 Gasversorger weitere Preissenkungen angekündigt. Dem stehen nur fünf Versorger gegenüber, die Preiserhöhungen angekündigt haben. Eine Familie mit einem Gasverbrauch von 20.000 Kilowattstunden bezahlt im bundesdeutschen Durchschnitt aktuell 92 Euro weniger als noch vor zwölf Monaten.

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