Fusion mit Tata Thyssen-Krupp-Chef Hiesinger erhält Rückendeckung von Stahlkochern

Kurz vor dem geplanten Abschluss des Joint Ventures mit Tata erhält der CEO Rückendeckung von den Stahlkochern. Doch es bleibt eine offene Frage.

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Thyssenkrupp-Betriebsräte kritisieren Investoren Elliott & Cevian Quelle: Reuters

Duisburg An der Außenfassade des Betriebsratsbüros im Stahlwerk Hamborn-Beeckerwerth von Thyssen-Krupp in Duisburg hängen noch die Protestplakate vom vergangenen September. Manager sind darauf abgebildet, die ihren Angestellten Märchen erzählen. Doch im Innern ist der rebellische Geist der Stahlkocher längst verflogen.

So zeigte sich der Gesamtbetriebsratschef von Thyssen-Krupp Steel Europe, Tekin Nasikkol, am Donnerstag nach einer Versammlung mit Tausenden Stahlarbeitern in Duisburg versöhnlich: „Bis jetzt hat der Vorstand alle unsere Fragen beantwortet.“ Wenn auch „manchmal spät, manchmal etwas sperrig“.

Es geht um viel für die rund 13.000 Angestellten von Thyssen-Krupp Steel Europe (TKSE), die bald gemeinsam mit den rund 21.000 Arbeitern von Tata Steel Europe (TSE) in einem Joint Venture zusammenarbeiten sollen.

Seit mehr als zwei Jahren treibt Thyssen-Krupp-Vorstandschef Heinrich Hiesinger das Vorhaben voran, an dessen Ende der zweitgrößte europäische Stahlhersteller nach Arcelor-Mittal entstehen soll. Viele Verhandlungen musste der Manager dafür führen: erst mit den Indern, dann mit der Gewerkschaft. Und nun auch noch mit widerspenstigen Investoren.

Wenn der Deal gelingt, soll für die Essener Industrie-Ikone eine neue Zeit als reiner Technologiekonzern anbrechen – ohne das schwankungsanfällige Stahlgeschäft, das in der Vergangenheit so viele Bilanzen vermieste.

Drei Bedingungen hatten die Arbeitnehmer, deren zehn Vertreter im zwanzigköpfen Aufsichtsrat über die Stahlfusion mitentscheiden, für eine Zustimmung zu Hiesingers Vorhaben genannt: erstens eine Beschäftigungs- und Standortgarantie für neun Jahre. Zweitens das Versprechen, dass die deutschen Mitarbeiter nicht für milliardenschwere Pensionsverpflichtungen der britischen Tata-Mitarbeiter geradestehen müssen. Und drittens ein Gutachten, das die wirtschaftliche Tragfähigkeit des neuen Gemeinschaftsunternehmens bestätigt.

Einen Großteil dieser Baustellen habe das Management nun abgearbeitet, so das Zwischenurteil des Betriebsratschefs. Die Garantien für Jobs und Standorte hatte die IG Metall bereits Ende Dezember mit einem Tarifvertrag sichern können. „Das hat es vorher so nie gegeben. Die Kollegen aus anderen Sparten beneiden uns darum“, so Nasikkol.

Bei den Pensionsverpflichtungen der Briten sei inzwischen ein Rechtsgutachter zu dem Ergebnis gekommen, dass dafür allein das Tata-Werk im britischen Port Talbot aufkommen müsse. „Außerdem sind die Pensionsverpflichtungen auf Tata-Seite weitgehend gedeckt“, zitierte Nasikkol den Experten. Zu Zahlungsausfällen, für die die deutschen Standorte womöglich hätten einspringen müssen, werde es daher auf keinen Fall kommen.

Auch das Problem mit den Niederländern, die zunächst auf weitgehende Sonderrechte in dem geplanten Konzernverbund für sich pochten, sei seiner Ansicht nach gelöst.

Allein der dritte Punkt gilt bei Nasikkol noch als „Baustelle“: die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Joint Ventures. So habe ein weiteres Gutachten den Arbeitnehmern zwar bestätigt, dass die Schuldenlast, die beide Partner in das Joint Venture einbringen, von dem neuen Unternehmen durchaus zu schultern sei.

Allerdings bleibe die Frage nach einer unterschiedlichen Bewertung der beiden Unternehmensteile: „Es gibt eine Wertlücke zuungunsten von Thyssen-Krupp. Die muss geschlossen werden.“

Vor allem führende Investoren hatten zuletzt bemängelt, dass die Absichtserklärung, die Thyssen-Krupp und Tata im September geschlossen hatten, nicht mehr den heutigen Voraussetzungen entspreche.

So hatte sich der Gewinn Thyssen-Krupps und Tatas in den vergangenen Monaten derart auseinanderentwickelt, dass der US-Hedgefonds Elliott, der mit unter drei Prozent bei den Essenern beteiligt ist, in der vergangenen Woche eine Wertlücke von 1,9 Milliarden Euro beklagte. Die Investmentbank Goldman Sachs hingegen komme auf eine Bewertungslücke in immerhin noch mittlerer dreistelliger Millionenhöhe, hatte es aus Finanzkreisen geheißen.

Die große Befürchtung der Stahlkocher ist nun, dass Hiesinger die Lücke zum Anlass nehmen könnte, noch mehr Schulden auf das Joint Venture auszulagern – bisher verabredet sind vier Milliarden Euro von Thyssen-Krupp und 2,5 Milliarden Euro von Tata.

Denkbar ist aber auch, dass Tata einen Ausgleich an Thyssen-Krupp bezahlt oder am Ende weniger als 50 Prozent an dem Joint Venture hält. Die Verhandlungen mit den Indern dazu laufen. Nasikkol stellte nun klar: „Noch mehr Schulden als Mitgift werden wir nicht akzeptieren.“

In der kommenden Woche will Hiesinger den Deal mit Tata im Aufsichtsrat zur Abstimmung stellen und abschließen. Danach soll die neue Strategie des Konzerns bekanntgegeben werden. Was diesen Zeitplan anbelangt, zeigte sich Nasikkol optimistisch. „Und wenn Herr Hiesinger doch mehr Zeit braucht, dann geben wir sie ihm.“ Es gelte: Sorgfalt vor Schnelligkeit.

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