Hannover Messe Wie die Revolution der Arbeitswelt vorangeht

Aus Planspielen werden Projekte: In fünf Jahren sollen vernetzte Maschinen und intelligente Roboter in Fabriken zum Standard gehören, so eine aktuelle Studie. Einige Unternehmen drohen aber den Anschluss zu verlieren.

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Kollaborative Roboter, wie etwa YuMi von ABB, werden in wenigen Jahren zum Standard in Fabriken gehören. Quelle: REUTERS

Dass Mensch und Maschine Hand in Hand arbeiten, ist keine Zukunftsmusik mehr. Die ersten kollaborativen Roboter, kurz Cobots, sind bereits auf dem Markt. Auf der Hannover Messe (25.-29. April) werden zahlreiche weitere Modelle vorgestellt. Die intelligenten Industrieroboter, die nicht nur einfache Aufgaben erledigen, sondern auch andere Maschinen bedienen und direkt mit den Menschenzusammenarbeiten, halten Einzug in die Fabrikhallen. Denn die Produktionsunternehmen machen Ernst mit der Industrie 4.0 – aus Planspielen werden konkrete Projekte.

Vernetzte Maschinen und intelligente Roboter ändern die Art und Weise, wie in den Fabriken künftig gearbeitet wird. Die Unternehmensberatung Accenture spricht von einer „Connected Industrial Workforce“, in der Mensch und Maschine mit ihrer neuen Zusammenarbeit die Produktion neu erfinden. Das Ergebnis: Prozesse werden effizienter, die Produktivität steigt exponentiell, schreibt Accenture in einer aktuellen Studie, die der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegt.

Zur Studie

Wie groß das Potenzial ist, schildern die Autoren der Studie „Machine Dreams – Making the most of the Connected Industral Workforce“ am Beispiel der Automobilindustrie: Im Jahr 2020 könne ein Autobauer mit 50 Milliarden Euro Umsatz – also in etwa in der Größe von Peugeot oder Hyundai – mit dem Einsatz der Vernetzung von Mensch und Maschine bis zu 500 Millionen Euro mehr Profit erzielen. Eine Größenordnung, die kaum ein CEO ignorieren kann.

Die 15 innovativsten deutschen Mittelständler
Platz 15: BenderStandort: Grünberg Unternehmensfokus: Elektrotechnik Umsatz 2014: 100 Mio. Euro Innovationsscore: 163Um Deutschlands innovativste Mittelständler zu ermitteln, wertete die Unternehmensberatung Munich Strategy Group (MSG) zunächst die Daten von 3300 deutschen Unternehmen aus, die zwischen zehn Millionen und einer Milliarde Euro umsetzen. Die Berater analysierten Jahresabschlüsse und Präsentationen, sprachen mit Kunden und Branchenexperten sowie Geschäftsführern, Inhabern und Beiräten der Unternehmen.Nach den Experteninterviews und Erfolgsanalysen nahm MSG 400 Unternehmen in die engere Wahl. Für jedes errechnete die Beratung einen eigenen Innovations-Score. Dabei achteten die Berater darauf, dass sich das Unternehmen durch ständige Neuheiten auszeichnet, von Wettbewerbern als innovativ angesehen wird und eine ideenfördernde Kultur etabliert hat. Zudem flossen zu einem Drittel auch wirtschaftliche Indikatoren wie Umsatz- und Gewinnwachstum in die Bewertung ein. „Ein innovatives Unternehmen zeichnet sich dadurch aus, dass es mehr als 25 Prozent seines Umsatzes mit Produkten macht, die erst in den vergangenen vier Jahren entstanden sind“, sagt MSG-Gründer und Studienleiter Sebastian Theopold. Das erste Ranking dieser Art hatte MSG im vergangenen Jahr für die WirtschaftsWoche erstellt (Heft 15/2014). Anders als im Vorjahr haben es diesmal auch viele Hersteller von Konsumprodukten unter die Top 50 geschafft, so etwa Ravensburger (Spiele), Rügenwalder (Wurst) oder Soldan (Bonbons).Der Großteil der Innovations-Champions entstammt allerdings nach wie vor der traditionellen Paradedisziplin des deutschen Mittelstands: dem Maschinenbau. Quelle: PR
Platz 14: BiotestStandort: Dreieich Unternehmensfokus: Bioheilmittel Umsatz 2014: 582 Mio. Euro Innovationsscore: 164 Quelle: PR
Rapunzel Quelle: PR
Platz 12: MetaboStandort: Nürtingen Unternehmensfokus: Elektrowerkzeuge Umsatz 2014: 374 Mio. Euro Innovationsscore: 167 Quelle: PR
Platz 11: BrücknerStandort: Siegsdorf Unternehmensfokus: Folienmaschinen Umsatz 2013: 754 Mio. Euro Innovationsscore: 171 Quelle: PR
Platz 10: SennheiserStandort: Wedemark Unternehmensfokus: Mikrofone Umsatz 2014: 635 Mio. Euro Innovationsscore: 172 Quelle: dpa
Platz 9: Rügenwalder MühleStandort: Bad Zwischenahn Unternehmensfokus: Wurst Umsatz 2014: 175 Mio. Euro Innovationsscore: 173 Quelle: PR

Noch bleibt es aber bei dem Potenzial. Vier von fünf Befragten erwarten zwar, dass die Mensch-Maschine-Zusammenarbeit in ihren Fabriken in vier Jahren alltäglich sein wird. Aber nur 22 Prozent gaben auch an, schon konkrete Maßnahmen umgesetzt zu haben, um die Potenziale der vernetzen Arbeit zu erschließen. Immerhin: In den kommenden fünf Jahren soll ein deutlich größerer Teil der Forschungsbudgets in die Entwicklung der „Connected Industrial Workforce“ investiert werden (2016: 18 Prozent; 2021: 24 Prozent).

Bereits heute hat die Autoindustrie in den Umfrageergebnissen die Nase leicht vorne – gemessen an dem Anteil ihrer Forschungsbudgets, die für Industrie-4.0-Anwendungen ausgegeben werden. Der Vorsprung dürfte noch wachsen, denn die Automotive-Manager wollen in fünf Jahren bereits 27 Prozent des Budgets dafür ausgeben. Im Maschinenbau sind es 22 Prozent, bei den Baumaschinen 24 Prozent.

Was Roboter schon heute alles können
Im Geschäft persönlich vom Roboter begrüßt zu werden - auch das kann bald für mehr Menschen Realität sein. „Pepper“ hat Knopfaugen, und er ist in astreinem Deutsch recht schonungslos: „Meiner bescheidenen Meinung nach ist dieses Modell nicht besonders schmeichelhaft für Ihre Figur. Dürfte ich Ihnen ein paar neu eingetroffene Modelle zeigen, die mir für Sie besonders gut gefallen?“ Eigene Infos werden per QR-Code auf dem Smartphone gespeichert, den der Roboter im Geschäft dann scannt. In Japan ist Pepper (von SoftBank) bereits aktiv. Quelle: dpa
„iPal“ ist ein künstlicher Freund und Spielgefährte. Der Roboter ist so groß wie ein sechsjähriges Kind. Er kann singen und tanzen, Geschichten vorlesen und spielen. Durch Gesichtserkennung und automatisches Lernen wird „iPal“ mit der Zeit immer schlauer. Er erinnert sich an Vorlieben und Interessen des Kindes. „iPal“ ist keine gefühllose Maschine“, behauptet John Ostrem vom Hersteller AvatarMind. „Er kann Emotionen erspüren und fühlt, wenn das Kind traurig ist.“ Der Roboter, der in rosa oder hellblau angeboten wird, übernimmt auch gleich ein paar vielleicht leidige Erziehungspflichten: Der eingebaute Wecker holt das Kind aus dem Schlaf. Die Wetter-App sagt ihm, was es anziehen soll, und eine Gesundheits-App erinnert ans Händewaschen. „iPal“ wurde vor allem für den chinesischen Markt entwickelt. Ostrem erläutert: „Dort gibt es in den Ein-Kind-Familien viele einsame Kinder, deren Eltern wenig Zeit haben und die einfach niemanden zum Spielen haben.“ Anfang 2016 soll es „iPal“ dort für etwa 1000 US-Dollar (knapp 900 Euro) geben. Quelle: dpa
Wer auf Reisen die Zahnbürste vergessen hat, kann sie bald von einer freundlichen Maschine aufs Zimmer gebracht bekommen. „Relay“, der Service-Roboter, wird in einigen US-Hotels im Silicon Valley getestet. Die Rezeptionistin legt Zahnbürste, Cola oder Sandwich in eine Box im Roboter, dann gibt sie die Zimmernummer des Gastes ein. „Relay“ kann sich selbst den Fahrstuhl rufen – auch wenn er noch ziemlich lange braucht, um wirklich einzusteigen. Er scannt vorher sehr ausgiebig seine gesamte Umgebung, um ja niemanden umzufahren. Vor der Zimmertür angekommen, ruft der Roboter auf dem Zimmertelefon an. Wenn der Hotelgast öffnet, signalisiert ihm „Relay“ per Touchscreen: Klappe öffnen, Zahnbürste rausnehmen, Klappe wieder schließen. „Das Hotel ist für uns erst der Anfang“, sagt Adrian Canoso vom Hersteller Savioke. „Wir wollen „Relay“ auch in Krankenhäuser, Altenheime und Restaurants bringen, einfach überall dahin, wo Menschen essen oder schlafen.“ Quelle: PR
„Budgee“ trägt die Einkäufe und rollt hinterher. Per Funksender in der Hand oder am Gürtel gesteuert, kann er bis zu 22 Kilogramm schleppen, so der US-Hersteller. Er folgt Herrchen oder Frauchen mit mehr als 6 Kilometern pro Stunde. Die Batterie hält angeblich zehn Stunden. „Budgee“ lässt sich zusammenklappen und im Kofferraum verstauen. Die ersten Vorbestellungen werden ausgeliefert, Stückpreis rund 1400 US-Dollar. Quelle: PR
Roboter können nicht nur Einkäufe schleppen, sondern auch für viele Menschen unliebsame Arbeiten im Haushalt abnehmen – und damit sind nicht nur die Staubsaug-Roboter gemeint. Der „PR2“ des Institute for Artificial Intelligence (IAI) der Universität Bremen kann auch in der Küche zur Hand gehen, zumindest in der Laborküche. Quelle: dpa
Ja, heutige Roboter können bereits feinmotorische Aufgaben übernehmen und etwa zuprosten, ohne dass das Sektglas zu Bruch geht. Das ist aber nicht die Besonderheit an diesem Bild. Der Arm rechts gehört Jordi Artigas, Wissenschaftler am Institut für Robotik und Mechatronik des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen bei München. Der Roboterarm wird von Sergei Wolkow gesteuert – und der war nicht in Oberpfaffenhofen, sondern auf der Internationalen Raumstation ISS, wie im Hintergrund auf dem Monitor schemenhaft zu erkennen ist. Der „Tele-Handshake“ war nach Angaben des DLR ein weltweit einzigartiges Experiment. Quelle: dpa
Solche Aufgaben, wie etwa dieses Zahnrad zu greifen und weiterzugeben, konnte der DLR-Roboter „Justin“ schon 2012. Dass er aus dem All gesteuert wird, ist jedoch neu und bislang einzigartig. Quelle: dpa

Ein möglicher Grund ür die Unterschiede: Das digitale Selbstverständnis ist bei den Autobauern ausgeprägter, obwohl alle drei Branchen seit Jahren über Vernetzung und Automatisierung diskutieren. Ein Viertel der Auto-Manager sieht sich laut Accenture als „digitale Leader“, bei den Baumaschinen-Herstellern sind es nur 19 Prozent. Bei den „digitalen Mitläufern“ ist das Bild umgekehrt: Hier ist der Anteil in der Baumaschinen-Branche höher (58 Prozent zu 51 Prozent). Die Industrieausrüster liegen jeweils in der Mitte.

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