Sind Sie beim Thema Digitalisierung auch so entspannt? Analysten warfen Voith vor, diesen Zug fast verpasst zu haben.
Im Gegenteil: Wir erhalten von Branchenexperten und aus der Industrie, wie auch von Analysten sehr viel Zuspruch für unseren Ansatz. Wir haben einen zentralen Konzernbereich mit rund 1.500 Mitarbeitern ausschließlich für den Bereich Digitale Industrie. Ich bin überzeugt: Wir werden in zehn Jahren genau sehen, welche Maschinenbauer den richtigen Weg eingeschlagen hat. Wir haben uns überlegt: Wir sind mit den drei Bereichen Wasserkraft, Papiermaschinen und Turbo sehr dezentral aufgestellt. Früher war das von Vorteil, bei der Digitalisierung ist es von Nachteil, weil wir viele Datenanalysen unserer Maschinen drei Mal machen.
Deshalb haben wir jetzt eine zentrale Einheit Digital Solutions mit 1500 Mitarbeitern gegründet, die alle digitalen Aufgaben im gesamten Konzern zentral steuert.
Die innovativsten deutschen Mittelständler
Lamilux
Hauptsitz: Rehau (BY)
Produkt: Lichttechnologie
Umsatz: 187 Mio Euro
Innovationsscore: 169
Windmöller Holding
Hauptsitz: Augustdorf (NRW)
Produkt: Bodenbeläge
Umsatz: 120 Mio Euro
Innovationsscore: 170
Maja-Maschinenfabrik
Hauptsitz: Kehl (BW)
Produkt: Lebensmittelverarbeitung
Umsatz: 23 Mio Euro
Innovationsscore: 171
Mekra Lang
Hauptsitz: Ergersheim (BY)
Produkt: Spiegel für Nutzfahrzeuge
Umsatz: 260 Mio Euro
Innovationsscore: 172
Brandt Zwieback
Hauptsitz: Hagen (NRW)
Produkt: Zwieback
Umsatz: 189 Mio Euro
Innovationsscore: 175
Edelmann
Hauptsitz: Heidenheim (BW)
Produkt: Verpackungslösungen
Umsatz: 235 Mio Euro
Innovationsscore: 177
Insiders Technologies
Hauptsitz: Kaiserslautern (RP)
Produkt: Software
Umsatz: 18 Mio Euro
Innovationsscore: 178
Arburg
Hauptsitz: Loßburg (BW)
Produkt: Spritzgießmaschinen
Umsatz: 548 Mio Euro
Innovationsscore: 181
Fischerwerke
Hauptsitz: Waldachtal (BW)
Produkt: Befestigungssysteme
Umsatz: 625 Mio Euro
Innovationsscore: 185
Aquatherm
Hauptsitz: Attendorn (NRW)
Produkt: Rohrleitungssysteme
Umsatz: 91 Mio Euro
Innovationsscore: 182
C. Josef Lamy
Hauptsitz: Heidelberg (BW)
Produkt: Schreibgeräte
Umsatz: 71 Mio Euro
Innovationsscore: 186
Leica Camera
Hauptsitz: Wetzlar (HE)
Produkt: Kameras
Umsatz: 276 Mio Euro
Innovationsscore: 189
Gebr. Kemper
Hauptsitz: Olpe (NRW)
Produkt: Gebäudetechnik
Umsatz: 270 Mio Euro
Innovationsscore: 190
Bahlsen
Hauptsitz: Hannover (NI)
Produkt: Süßgebäck
Umsatz: 515 Mio. Euro
Innovationsscore: 194
Rimowa
Hauptsitz: Köln (NRW)
Produkt: Koffer
Umsatz: 273 Mio. Euro
Innovationsscore: 197
Wer zu Deutschlands innovativsten Mittelständlern gehören will, muss ein mehrstufiges Auswahlverfahren durchlaufen. Die Münchner Unternehmensberatung Munich Strategy Group (MSG) wertete im Auftrag der WirtschaftsWoche zunächst die Daten von 3500 deutschen Unternehmen aus, die zwischen zehn Millionen und einer Milliarde Euro Umsatz erwirtschaften: Sie analysierten Jahresabschlüsse und Präsentationen, sprachen mit Kunden, Branchenexperten, Geschäftsführern, Inhabern und Beiräten. Danach nahm MSG 400 Unternehmen in die engere Wahl. Für jedes einzelne errechneten die Berater einen eigenen Innovationsscore. „Dabei achten wir darauf, dass sich das Unternehmen durch ständige Neuerungen auszeichnet, von Wettbewerbern als innovativ angesehen wird und eine ideenfördernde Kultur etabliert hat“, erklärt MSG-Gründer und Studienleiter Sebastian Theopold die Kriterien. Zudem flossen auch wirtschaftliche Indikatoren wie Umsatzwachstum und Ertragskraft in die Bewertung ein. Theopolds Fazit: „Wer innovativ ist, wächst auch schneller und erzielt nachhaltigere Erträge.“ Die MSG-Berater analysierten bereits um dritten Mal für die WirtschaftsWoche die Innovationskraft deutscher Mittelständler (Heft 15/2014 und Heft 42/2015). Während beim ersten Ranking noch Maschinenbauer dominierten, sind nun mehr Konsumgüterhersteller unter den Siegern. Die meisten innovativen Unternehmen kommen aus Baden-Württemberg. Den ersten Platz belegt der Kölner Kofferhersteller Rimowa. Rang zwei nimmt der Keksbäcker Bahlsen ein. „Die beiden Vertreter der ,Old Economy’ sind Vorreiter bei der Digitalisierung“, sagt Studienleiter Theopold.
1500 Leute, das ist ja schon wieder eine Großfirma für sich. Andere Maschinenbauer wie SMS, wo Sie Aufsichtsrat sind, setzten auf kleine Truppen von Querdenkern, die außerhalb der Konzernstrukturen und ohne Reisekostenanträge nutzbringend spinnen dürfen. Was passt, wird dann vom Konzern übernommen.
Jedes Unternehmen muss seinen Weg finden. Bei Voith glauben wir nicht an ein paar wenige Leute, die mal freigelassen werden und Hoodies tragen. Freiheit haben die Leute bei uns auch. Wir haben derzeit allein 22 Inkubationsprojekte mit rund 670 Leuten auf eigenem Campus. Wir investieren in diesem Jahr 50 Millionen Euro in digitale Produkte.
Ziemlich spät...
Nein. Es ist eine sehr komplexe Arbeit, jedes Maschinenteil zum Sprechen zu bringen. Sie müssen wissen, in welcher Millisekunde was in der Maschine passiert.
Auch das haben andere Unternehmen schon vor fünf Jahren festgestellt.
Ja, und nur ganz wenige haben heute schon Lösungen für dieses hochkomplexe Feld, die ganze deutsche Industrie sucht derzeit nach dem richtigen Weg. Und ich kenne auch viele Unternehmen, die haben das noch gar nicht festgestellt. Insofern noch einmal: Wir erhalten sehr viel Anerkennung für unseren Ansatz. Die deutsche Industrie muss die Automatisierung von 2.0 auf 4.0 bringen, damit wir die richtige Basis haben. Aber bisher gibt es noch nicht mal industriesicheres WLAN. Wir rechnen mit etwa drei Jahren Entwicklungsarbeit, um aus weltweiten Maschinendaten belastbaren Mehrwert für Kunden und neue Geschäftsmodelle zu generieren.
Was planen Sie denn konkret?
Dazu sage ich Ihnen heute nicht mehr. Unsere Planungen sind schon sehr konkret, aber heute reicht es schon nur eine Idee oder einen Namen zu veröffentlichen und schon kupfert sie jemand ab. Wir haben ein paar so spannende Dinge auf dem Tisch liegen, da frage ich mich die ganze Zeit, irgendwo muss noch ein Fehler sein, das kann nicht so gut laufen. Aber es ist eben doch so, in unseren Maschinen stecken 150 Jahre technologische Erfahrung. Daten alleine sagen nichts, sie müssen auch die Bedeutung und den Kontext der Maschine verstehen. Insofern glauben wir, dass Firmen mit starkem mechanischem Know-how am Ende die Gewinner der Industrie 4.0.sein werden.
Sie schwimmen Dank des anvisierten Verkaufs ihrer Kuka-Anteile an den chinesischen Investor Midea für rund 1,2 Milliarden Euro im Geld. Da können Sie doch jetzt in großem Rahmen digitales Know-how kaufen und M+A-Berater rennen ihnen die Bude ein?
Das stimmt beides, aber wir sehen uns den Markt für Elektrik, Elektronik und Software ganz gelassen und gründlich an. Die Preise auf dem Markt sind zurzeit überhitzt und Voith ist jetzt gut aufgestellt. Ich sehe zuversichtlich nach vorne.
Industrie 4.0 bedeutet auch, dass Sie von ihren Zuliefern Daten einfordern werden, deren Heiligtum. Das will nicht jeder.
Das wird sicherlich interessant werden. Im Bereich Papiertechnologie und Wasserkraft sind wir die Hersteller und werden natürlich von unseren Lieferanten verlangen, dass wir ihre Daten bekommen. Im Bereich Antriebstechnik sind wir der Komponentenlieferant, da werden wir gebeten werden, Daten abzugeben und werden das auch machen. Aber wenn es unsere Kernkompetenz betrifft, werden wir sie auch in Zukunft nicht hergeben. Ich vermute, in der Zukunft werden Verträge sich im gleichen Umfang sowohl um die Lieferung der Maschine oder Komponente selbst, wie auch um die Lieferung der Daten und ihre Sicherheit drehen. Das wird ein Fest für die Rechtsanwälte werden.