Kapitalerhöhung Kommunen verlieren weiter Einfluss auf RWE

Eine Kapitalerhöhung raubt den Kommunen ihr Veto beim Energieversorger RWE. Außerdem wächst der Druck, Plätze im Aufsichtsrat abzugeben. Doch die Haupteigentümer stellen sich quer.

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Die Zentrale des Energiekonzerns RWE in Essen: Wollen die Kommunen ihre Sperrminorität halten, müssen sie 340 Mio. Euro zahlen. Quelle: dpa

Düsseldorf In gewisser Weise ist RWE ein gespaltener Konzern: Einerseits ist das Dax-Unternehmen international tätig – vom CO2-Handel über die Stromproduktion bis zur Gasförderung. Andererseits aber wird RWE seit über einem Jahrhundert von Städten, Gemeinden und Landkreisen an Rhein und Ruhr dominiert, deren Namen in New York oder London kaum jemand gehört hat.

Gelsenkirchen, Mülheim und Essen etwa. Die drei Städte stiegen schon 1905 als Aktionäre bei RWE ein. Dortmund, Bochum, aber auch kleine Gemeinden wie Viersen folgten später. Lange Zeit kontrollierten die kommunalen Aktionäre sogar die Mehrheit – und bis zuletzt hielten sie noch eine Sperrminorität von knapp über 25 Prozent.

Doch der Niedergang des kommunalen Einflusses hat sich fortgesetzt. Denn durch die Kapitalerhöhung wird ihr Anteil verwässert. „Die 25 Prozent zu halten wird schwierig“, sagte Ernst Gerlach, Geschäftsführer des Verbands der kommunalen RWE-Aktionäre (VkA), gestern dem Handelsblatt, „vielen Kommunen fehlt das Geld, um sich an der Kapitalerhöhung zu beteiligen.“

Der Anteil dürfte deshalb auf unter 23 Prozent sinken. RWE hat gestern neben fünf Prozent alten Aktien, die der Konzern bislang selbst hielt, auch zehn Prozent neue Aktien verkauft. Durch diese werden die Anteile der bisherigen Aktionäre geringer, wenn sie nicht selbst bei der Kapitalerhöhung zugreifen. Die kommunalen Aktionäre haben noch bis zum 21. Dezember Zeit, um zu entscheiden, ob sie ihre Bezugsrechte wahrnehmen.

Dass sie das im großen Umfang machen, ist aber fast ausgeschlossen. Bei dem gestern festgelegten Preis von 26 Euro müssten die kommunalen Aktionäre zusammen etwa 340 Millionen Euro bezahlen, um die Sperrminorität zu halten. Viele Kommunen sind aber so klamm, dass die Kommunalaufsicht des Landes Nordrhein-Westfalen strikte Haushaltsdisziplin erwartet – und einen Kauf weiterer RWE-Aktien nicht erlauben würde.


Aufsichtsratschef Schneider will die kommunale Macht beschneiden

Kurzfristig sei der Verlust der Sperrminorität nicht entscheidend, meint VkA-Geschäftsführer Gerlach. Er macht aber keinen Hehl daraus, dass die Kommunen mittelfristig wieder die Sperrminorität erlangen wollen. „Für das Tagesgeschäft ist das egal, nicht aber, wenn es um strategische Weichenstellungen geht“, sagt Gerlach. Mit der Sperrminorität könnten die Kommunen beispielsweise eine Verlagerung des Konzernsitzes von Essen ins Ausland verhindern. Vor einem Jahr hatte Vorstandschef Jürgen Großmann die Bürgermeister mit Überlegungen in Aufruhr versetzt, die RWE AG in eine europäische Aktiengesellschaft umzuwandeln. Für viele Kommunen, vor allem die großen Städte Dortmund und Essen, ist die RWE-Beteiligung weit mehr als eine Finanzanlage, die hohe Dividenden abwerfen soll. Für sie ist sie ein Instrument der Strukturpolitik. Die Kommunen sind nicht nur Aktionäre, sondern auch große Kunden von RWE und vor allem auch Arbeitsort für Tausende RWE-Mitarbeiter. Die vier kommunalen Vertreter im Aufsichtsrat pochen bei Umstrukturierungen auf die Interessen der Standorte.

Häufig verbündeten sich die Kommunen deshalb mit der Arbeitnehmerseite gegen die anderen Aktionärsvertreter. Im Sommer war es im Aufsichtsrat fast zum Eklat gekommen, weil die Kommunen die Wahl des von Aufsichtsratschef Manfred Schneider präferierten Kandidaten für Großmanns Nachfolge, Peter Terium, blockieren und ihren eigenen Kandidaten durchdrücken wollten.

Sollten die Kommunen die Sperrminorität verlieren, würden die Fondsvertreter neue Argumente bekommen, die seit Jahren die große Macht der Kommunen im Aufsichtsrat beschneiden wollen. Hans-Christoph Hirt vom britischen Pensionsfonds Hermes beispielsweise hatte auf den Hauptversammlungen wiederholt entsprechende Initiativen gestartet.

Auch Aufsichtsratschef Schneider würde die Zahl der kommunalen Vertreter gerne reduzieren. Unabhängig von der Höhe ihrer Beteiligung sind die Kommunen dabei aber in einer guten Position. Sämtliche Aufsichtsräte wurden erst im Frühjahr für fünf Jahre gewählt. VkA-Vertreter Gerlach weist die Kritik auch zurück: „Die Kommunen sind einerseits Kunden, andererseits aber auch Standorte von RWE-Werken – und deshalb von Entscheidungen des Unternehmens stärker betroffen als andere Aktionäre –, deshalb stehen uns die Sitze zu.“

Eine Gruppe von kommunalen Aktionären ist besonders einflussreich: Zahlreiche Städte, darunter Dortmund, der größte Einzelaktionär, haben ihre Aktien in der RW Energie-Beteiligungsgesellschaft gebündelt, um gemeinsam über die Schwelle von 15 Prozent zu kommen. Ab dieser Marke können sie ein Steuerprivileg geltend machen: Die Dividendenerlöse können die Kommunen gegen Verluste ihrer Verkehrsbetriebe verrechnen und so vermeiden, dass sie für die Dividenden Gewerbesteuer zahlen müssen. Würde der Anteil unter 15 Prozent gedrückt, entgingen den Kämmerern Millionen.

Diese Gefahr sieht Gerlach aber nicht: „Wir sind vorausschauende Geschäftsleute.“ Offenbar wurden im Vorfeld weitere Kommunen überzeugt, sich anzuschließen, um die Beteiligung auf über 16 Prozent zu heben – so dass der Anteil durch die Kapitalerhöhung nicht unter 15 Prozent sinken kann.

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