Maschinenbau Keine Angst vor der Digitalisierung

Deutschlands Vorzeigebranche rechnet nicht mit menschenleeren Fabrikhallen, sondern will die Zahl der Beschäftigten in den kommenden Jahren mindestens halten – vielleicht sogar noch steigern.

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Digitalisierung der Branche: Die deutschen Maschinenbauer sehen keinen Grund zur Besorgnis. Quelle: dpa

Frankfurt Die Digitalisierung der industriellen Produktion ist derzeit mit manchen Schreckensszenarien verbunden: Menschenleere Fabrikhallen, in denen nur noch autonom wirbelnde Roboter an den Bändern stehen, ist wohl die Vision, die die größte Besorgnis auslöst. Doch die muss noch lange nicht zur Wirklichkeit werden, wie eine am Mittwoch vorgestellte Studie im Auftrag des Maschinenbauverbandes VDMA zeigt.

„Es ist alles nicht super-dramatisch“, sagte Studienleiterin Sabine Pfeiffer von der Universität Hohenheim. „Industrie 4.0 spielt schon heute in 62 Prozent der deutschen Unternehmen in der Aus- und Weiterbildung eine wichtige Rolle. Die Mitarbeiter sind hervorragend qualifiziert, können mit Komplexität umgehen und sind daher für Industrie 4.0 gerüstet.“ Für die Studie wurden über 20.000 Beschäftigte und gut 500 Unternehmen befragt.

So rechnet der VDMA damit, dass selbst bei einer stark zunehmenden Automatisierung der Produktion nicht mehr Stellen wegfallen, als neue entstehen werden. „Das wird ein Null-Summenspiel“, sagte Hartmut Rauen, Vize-Hauptgeschäftsführer des Verbands. „Denn 4.0 wird unsere Wettbewerbsfähigkeit verbessern und damit auch neue Jobs schaffen.“ Mit über einer Million Arbeitsplätzen ist der Maschinenbau Deutschlands größter industrieller Arbeitgeber – deutlich vor der Autoindustrie.

Nun befinden sich die Maschinenbauer in einer ausgesprochen guten Ausgangsposition. Über 96 Prozent haben eine berufliche Ausbildung, gut 40 Prozent sogar mehr als das – Ausbildung und Studium zugleich beispielsweise. Für Pfeiffer eine wichtige Voraussetzung, um sich in der neuen Welt behaupten zu können. „Die Digitalisierung kommt nicht auf in Straße, wenn sie nicht mit der Produktionswelt verbunden werden kann.“

Viele Firmen haben das bereits erkannt und schulen ihre Mitarbeiter, in dem sie sie auf die neuen Anforderungen vorbereiten: Profunde Kenntnisse über das Internet der Dinge, Robotik, 3D-Druck und mobile Geräte wie Tablet und Wearables werden in wenigen Jahren vorausgesetzt, weil sie zur Bewältigung des Arbeitslebens in den Konstruktionsbüros oder Fabrikhallen dazu gehören werden. Dazu gesellt sich der Umgang mit Big Data, also der Analyse von Maschinendaten und das Bewusstsein von Datenschutz. „Interdisziplinäre Zusammenarbeit wird spätestens 2025 im Arbeitsalltag vorausgesetzt“, sagte Pfeiffer.

Dafür braucht es zwar neue Bildungsinhalte, aber keine neuen Institutionen: Die meisten Kenntnisse rund um 4.0 könnten bis auf wenige Ausnahmen von der duale Ausbildung übernommen werden, glaubt Pfeiffer: „Vieles ist in den bisherigen Bereichen umsetzbar.“ Auch seien aktuell keine neuen Berufe gefragt. Bestehende Berufsbilder wie der Mechatroniker oder der Industriemechaniker müsste lediglich an die neuen Erfordernisse angepasst werden. „Wir müssen vor allem die Potenziale nutzen, die unser Berufsbildungssystem bereits heute bietet“, forderte die Leiterin der Studie.

Allerdings zeichnen sich schon jetzt Defizite bei den Berufsschule ab. Die finanzielle und technische Ausstattung der Berufsschulen lasse schon heute vielfach zu wünschen übrig, klagte Pfeiffer. Neue Berufsfelder tauchten nur zaghaft in den Lehrplänen auf. Schon jetzt gebe es zu wenig Lehrer in den Mint-Fächern, viele von diesem würden zudem in den kommenden Jahren in Pension gehen, „das wird ein richtiges Problem.“ Hier seien Bund und Länder gefordert.

Rauen sieht daher die deutschen Maschinenbauer gut gerüstet für die Nähe Zukunft. „Wir stehen in einer Pool-Position.“ Auf andere Branchen seien die Erkenntnisse nur bedingt übertragbar, glaubt auch Pfeiffer. Das liege einmal am hohen Ausbildungsniveau, aber auch an der Bereitschaft, sich permanent einem Wandel zu stellen. So gaben gut 80 Prozent der Maschinenbau-Beschäftigten an, dies gehöre zur täglichen Praxis. In der übrigen Industrie war der Anteil rund zehn Prozentpunkte geringer.

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