Prognose für 2017 Düstere Signale aus der Chemie

Europas Wirtschaft schwächelt, die Krise in den Schwellenländern hält an: Die deutsche Chemieindustrie rechnet 2017 mit einem weiteren Jahr der Stagnation. Das ist ein schlechtes Signal für die gesamte Wirtschaft.

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Der Konzern spricht von einem „zunehmend herausfordernden“ Umfeld. Quelle: dpa

Frankfurt Kurt Bock will die Lage in der deutschen Chemieindustrie erst gar nicht schönreden. 2016 sei bereits ein sehr durchwachsenes Jahr für die Branche. Das werde sich auch 2017 nicht bessern, sagte der Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) am Donnerstag in Frankfurt. Bock, im Hauptberuf Vorstandsvorsitzender der BASF, gab einen eher düsteren Ausblick: Deutschlands drittgrößter Industriezweig wird im kommenden Jahr „ohne nennenswerte Dynamik“ bleiben.

Der Umsatz wird nur um ein Prozent auf 185 Milliarden Euro steigen, prognostiziert der VCI. Und dazu werden allein die Auslandsmärkte, allen voran in Asien, beitragen. Dort aber macht die deutsche Chemieindustrie nicht ihr Hauptgeschäft. Sie ist nach wie vor sehr stark auf die Nachfrage auf dem Heimatkontinent angewiesen.

„Derzeit spricht kaum etwas für die wirtschaftliche Belebung in Europa“, sagte Bock und verwies auf die politische Instabilität in der EU. „Die Unsicherheit hat in den vergangenen Monaten sogar noch zugenommen.“

Das Befinden der Chemieindustrie ist immer auch ein Signal für die gesamtwirtschaftliche Lage in Deutschland und anderen Regionen der Welt. Denn die Unternehmen beliefern mit Basischemie, Spezialitäten und Kunststoffen praktisch alle Branchen.

Die Schwäche in Europa wäre verkraftbar, wenn dies durch Zuwächse in anderen Teilen der Welt aufzufangen wäre. Zwar spüren die Chemiefirmen, dass in Brasilien und Russland die Talsohle erreicht ist. „In China aber rechnen wir mit einer weiteren Abschwächung des Wachstums mit spürbaren Auswirkungen auf die asiatischen Nachbarländer“, sagte Bock. Dazu kommt: „Die bevorstehende Zinswende in den USA schwebt wie ein Damoklesschwert über vielen Schwellenländer.“

Welche Rolle die USA in diesem schwierigen Umfeld nach dem Wahlsieg Donald Trumps einnehmen werden, vermochte auch Bock nicht zu prognostizieren. Kurzfristig könnten die versprochenen Steuersenkungen sowie der Ausbau der Infrastruktur die Wirtschaft beleben. Doch welchen Weg die USA handelspolitisch gehen, sei unklar.


Bock hofft weiter auf Handelsabkommen mit den USA

Der VCI-Präsident unterstrich die Notwendigkeit eines Freihandelsabkommens mit den Vereinigten Staaten. „Vielleicht war TTIP nicht perfekt. Aber wir haben die Hoffnung, dass die USA und Europa doch noch zu einem guten Ergebnis kommen werden“, sagte Bock. Ein Freihandelsabkommen zwischen den beiden großen Wirtschaftsregionen hätte große Ausstrahlungseffekte auf den Rest der Welt. „Es wäre schade und fahrlässig, wenn wir diese Gestaltungsmöglichkeiten anderen überlassen würden.“

Der Umsatz der deutschen Chemie ist nach Angaben des VCI zum Jahresende hin wieder etwas gestiegen. Dies sei aber keine Trendwende. 2016 wird der Umsatz der Branche um drei Prozent auf 183 Milliarden Euro zurückgehen. Im Inlandgeschäft ist der Rückgang noch höher. Wesentlicher Grund sind die stark gesunkenen Preise für Chemikalien. Im Zuge des Ölpreisverfalls mussten die Hersteller diesen Kostenvorteil an die Kunden weitergeben. Öl ist der wichtigste Rohstoff für die Branche. Aber auch die Produktionsmenge legt 2016 kaum zu.

Die großen deutschen Chemiekonzerne fahren derzeit eher auf Sicht. Sie vermeiden einen konkreten Ausblick auf das kommende Jahr. Patrick Thomas, Chef des Kunststoffherstellers Covestro, erwartet zwar langfristig eine wachsende Nachfrage. Doch das Geschäft sei volatil. Auch BASF spricht von einem „zunehmend herausfordernden“ Umfeld. Den Auftakt zu einem längerfristigen Aufschwung – wie es sich viele Anbieter erhofft hatten – wird 2017 also aller Voraussicht nach nicht bringen.

Trotzdem wird nach Einschätzung vieler Branchenexperten der Trend zu Übernahmen und Fusionen in der Chemie weitergehen oder sich sogar noch verstärken. Fast 60 Prozent der Unternehmen aus Chemie und Pharma waren in letzter Zeit bereits an Übernahmen und Fusionen beteiligt, zeigt eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Bearing Point. Ein Hauptargument: Sie wollten in Wachstumsmärkten wie USA und Asien expandieren und zugleich ihre Innovationskraft stärken, heißt es in der Studie.

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