Was würde ein Brexit für diese Unternehmen bedeuten?
„Wenn es Großbritannien in den Verhandlungen über einen Austritt nicht gelingt, die Niederlassungsfreiheit beizubehalten, wäre das ein Riesenproblem für „Limiteds“ in Deutschland“, sagt Schmidt. Ihre Gesellschaftsform würde nach einem Brexit nicht mehr ohne weiteres anerkannt. Ohne diese Anerkennung würden die Unternehmen aber wie eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder offene Handelsgesellschaft behandelt. Die strengeren Vorgaben für eine GmbH erfüllen sie nicht.
Das hieße: Die Gesellschafter müssten persönlich für die Verbindlichkeiten des Unternehmens haften. Um dem zu entgehen, müssten sie sich etwa zur GmbH wandeln. Das aber sei kompliziert und teuer, so Schmidt. In Großbritannien würden die Unternehmen außerdem weiter nach dortigem Recht behandelt - eine „Zwitterstellung“, die in der Praxis sehr schwierig zu handhaben wäre, glaubt die Expertin.
Muss das so kommen?
Nein. Großbritannien könnte aushandeln, dass die Niederlassungsfreiheit weiter gilt. Ohne dieses Recht kämen nämlich auch auf britische Unternehmen erhebliche Hürden zu, erklärt die Jura-Professorin - etwa wenn sie in Deutschland Tochtergesellschaften gründen oder mit einer deutschen Gesellschaft verschmelzen wollen.
Daneben gibt es die „norwegische Lösung“: Großbritannien bleibt Mitglied im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Das ist eine vertiefte Freihandelszone zwischen der EU und Island, Liechtenstein sowie Norwegen, innerhalb der ebenfalls die Niederlassungsfreiheit gilt. Denkbar wäre Schmidt zufolge auch ein Staatsvertrag, der britischen Gesellschaften die Niederlassungsfreiheit gewährt. Ein derartiger Vertrag besteht etwa zwischen Deutschland und den USA.
Wo die großen Brexit-Baustellen sind
Seit der konservative Premier David Cameron seinen Rücktritt angekündigt hat, tobt ein Kampf um seine Nachfolge - nicht nur hinter den Kulissen. Als aussichtsreichste Kandidaten gelten Brexit-Wortführer Boris Johnson und Innenministerin Theresa May. Johnson werden die besten Chancen eingeräumt, auch wenn er erbitterte Feinde in der Tory-Fraktion hat. May könnte als Kompromisskandidatin gelten, sie war zwar im Lager der EU-Befürworter, hielt sich aber mit öffentlichen Äußerungen zurück.
Labour-Chef Jeremy Corbyn laufen nach dem Rauswurf seines schärfsten Kritikers Hilary Benn die Mitglieder seines Schattenkabinetts in Scharen davon. Mehr als die Hälfte seines Wahlkampfteams trat bereits zurück. Sie werfen Corbyn vor, nur halbherzig gegen einen EU-Austritt geworben zu haben, und stellen seine Führungsqualitäten in Frage. Dahinter steckt auch die Befürchtung, es könne bald zu Neuwahlen kommen. Viele Labour-Abgeordnete befürchten, mit dem Linksaußen Corbyn an der Spitze nicht genug Wähler aus der Mitte ansprechen zu können. Corbyn war im Spätsommer vergangenen Jahres per Urwahl an die Parteispitze gerückt, hat aber wenig Unterstützung in der Fraktion.
Der scheidende Premier David Cameron kündigte an, die offiziellen Austrittsverhandlungen mit der EU nicht mehr selbst einzuleiten. Der Ablösungsprozess könnte damit frühestens nach Camerons Rücktritt beginnen - womöglich erst im Oktober. Äußerungen anderer britischer Politiker lassen befürchten, dass sich die Briten gern sogar noch mehr Zeit lassen würden. Am allerliebsten würden sie schon vor offiziellen Austrittsverhandlungen an einem neuen Abkommen mit der EU basteln. Brüssel, Berlin und Paris dringen aber auf einen raschen Beginn der Austrittsverhandlungen.
Seit dem Brexit-Votum liegt die Frage nach der schottischen Unabhängigkeit wieder auf dem Tisch. Die Schotten stimmten - anders als Engländer und Waliser - mit einer Mehrheit von 62 Prozent gegen einen Brexit. Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon kündigte in Edinburgh an, Vorbereitungen für ein zweites Unabhängigkeitsreferendum einzuleiten. Boris Johnson deutete jedoch bereits an, dass er als Premierminister da nicht mitspielen würde: „Wir hatten ein Schottland-Referendum 2014 und ich sehe keinen echten Appetit auf ein weiteres in der nahen Zukunft“, schrieb Johnson in einem Gastbeitrag im „Daily Telegraph“. Auch Premierminister David Cameron erteilte einem erneuten Schottland-Referendum eine Absage.
In beiden Teilen der Insel herrscht Sorge, der Brexit könnte dazu führen, dass wieder Grenzkontrollen eingeführt werden und der Friedensprozess gestört wird. Irlands Ministerpräsident Enda Kenny versicherte, seine Regierung arbeite eng mit Belfast und London zusammen, um die Grenzen offenzuhalten. Ähnlich wie in Schottland stimmte auch in Nordirland eine Mehrheit der Wähler gegen den Austritt des Königreichs aus der EU. Die nordirische nationalistische Partei Sinn Fein forderte bereits eine Abstimmung über eine Wiedervereinigung Irlands und Nordirlands.
Das britische Pfund verlor seit dem Brexit-Votum massiv an Wert gegenüber dem Dollar und fiel auf den niedrigsten Stand seit drei Jahrzehnten. Auch die Börsenkurse stürzten zeitweise in den Keller. Der britische Finanzminister George Osborne versuchte am Montag, Sorgen an den Märkten zu zerstreuen. Großbritannien sei auf alles vorbereitet, sagte Osborne. Noch am Tag nach der Brexit-Entscheidung war Notenbank-Chef Mark Carney vor die Kameras getreten und hatte angekündigt, die Bank of England könne bis zu 250 Milliarden Pfund in die Hand nehmen, um weitere Verwerfungen zu verhindern. Trotz allem verlor das Pfund weiter an Wert.
Und was machen Air Berlin, Müller und die Tankstelle jetzt?
Noch ist es nicht soweit. „Selbstverständlich werden wir die noch sehr jungen Entwicklungen beobachten und bewerten“, heißt es bei der Fluggesellschaft. Bei kleinen Unternehmen geht es vor allem darum, dass sie das Problem rechtzeitig bemerken, sagt Schmidt - nämlich bevor in einem Rechtsstreit überhaupt relevant wird, wer haftet.