Nach Punkten führt Roland Busch. 1114 Tweets hat der neue Siemens-Chef auf dem Kurznachrichtendienst Twitter insgesamt in die Welt geschickt. Joe Kaeser, der am 1. Oktober die operative Führung an Busch abgibt, kann hier nicht mithalten. Auf gerade einmal 456 Tweets kann Kaeser zurückblicken.
Geht es nach dem Inhalt der Kurznachrichten und deren Sichtbarkeit, fährt Kaeser gegenüber Busch jedoch einen Kantersieg ein. Über manche Tweets von Kaeser wurde so viel berichtet, dass sie einen Platz im kollektiven Gedächtnis der Republik gefunden haben.
Legendär etwa Kaesers Kurznachricht, in der er Tesla-Gründer Elon Musk im November 2019 als „kiffenden Kollegen“ aus den USA bezeichnete, der von „Peterchens‘ Mondfahrt“ spräche. Als Kaeser sich im Sommer 2019 per Tweet für die von Haft bedrohte Seenotretterin Carola Rackete einsetzte, sprach aus seinen Zeilen zugleich das Gewissen einer ganzen Nation.
Entsprechend groß ist die Anzahl von Kaesers Followern. Mehr als 35.000 User folgen dem Siemens-CEO. Knapp 13.000 Follower zählt der operative Siemens-Chef Busch. Dass Busch überhaupt auf Twitter aktiv ist, ist wohl mehr als Parallelaktion zur Twitter-Aktivität seines früheren Chefs Kaeser zu verbuchen. „Roland Busch war gegenüber dem Medium Twitter zunächst sehr zögerlich, da Joe Kaeser diesen Kanal mit Ausnahme seiner früheren Managerin Janina Kugel praktisch für sich beanspruchte. Möglicherweise war Frau Kugel Herrn Kaeser sogar etwas voraus“, sagt Harald Smolak, Management-Berater bei Atreus und früher selbst Manager bei Siemens.
Social-Media-Berater Felix Beilharz erkennt bereits in den biographischen Beschreibungen der beiden Twitter-Accounts markante Unterschiede in der strategischen Ausrichtung. „Herr Kaeser erwähnt in dem Beschreibungstext neben seiner Affinität zur Technik auch seine Leidenschaft für Musik aus den 1970er Jahren. Damit gibt er seinem Profil eine sehr persönliche Note“, sagt Beilharz. Ganz anders lese sich das hingegen bei seinem Nachfolger: „Bei Herrn Busch liest man nur Schlagwörter zu Siemens und Technik. Der ganze Twitter-Account von Herrn Busch wirkt wie ein verlängerter Arm der Pressestelle von Siemens. Der Account hat keinerlei persönliche Note.“
Die Unterschiede der Strategie der beiden Manager setzen sich in den Tweets fort. „Joe Kaeser kommentiert immer wieder das politische Geschehen und bringt sich ein. Wenn er Medieninhalte retweetet, kommentiert er diese meist. Dadurch wirkt Kaeser auf Twitter nicht wie ein unnahbarer Manager, sondern wie ein Mensch mit einer Meinung, die über Siemens hinausgeht“, sagt Beilharz.
People who save lives should not be arrested. People who kill, seed and foster hate and harm should be. https://t.co/RHgDzcY2bD
— Joe Kaeser (@JoeKaeser) June 30, 2019
Amüsante Meinungsbildung in unserem Land: Wenn ein deutscher Vorstands-Chef proaktiv sein Unternehmen auf die Zukunft ausrichtet, gilt er als „pathetisch“ oder „philosophisch“. Wenn ein kiffender Kollege in USA von Peterchens‘ Mondfahrt spricht, ist er ein bestaunter Visionär. https://t.co/zVxP1dScRl
— Joe Kaeser (@JoeKaeser) November 8, 2019
Buschs Twitter-Account bestehe hingegen fast ausschließlich aus Re-Tweets der Nachrichten anderer User. „Busch kommentierte diese Re-Tweets nur sehr selten. Dadurch erscheint er wie ein Manager ohne Meinung“, so Beilharz.
Dabei müsste Busch nicht einmal Persönliches preisgeben oder politische Kommentare schreiben, um seinen Followern mehr bieten zu können. „Der Reiz an Twitter ist, dass man einen Menschen von einer anderen Seite kennenlernen und hinter den Vorhang blicken kann. Viele Menschen fragen sich wohl, was ein Vorstandschef eigentlich den ganzen Tag macht. Würde Busch ab und an ein Foto von Terminen posten, könnte er mit dieser Neugier spielen“, so Beilharz.
To help protect our employees and empower them to choose where they work from, we @Siemens are equipping our offices around the world with our workplace experience app Comfy. #IoT #futureofwork #futureofwork #DigitalTransformation #NewNormal @comfyapp https://t.co/6qgZyfHTO7
— Roland Busch (@BuschRo) July 23, 2020
Berater Smolak fällt beim Vergleich der Twitter-Profile auf, wie sehr sich diese durch den Machtwechsel bei Siemens verändert haben. „Seit Roland Busch offiziell als Nachfolger von Kaeser ernannt wurde, positioniert er sich zunehmend mehr auf Twitter. Joe Kaeser nimmt sich in letzter Zeit hingegen mehr zurück“, so Smolak.
Freilich, schon ein einziger Tweet von Kaeser könnte reichen, um diese Zurückhaltung zu beenden.
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