WirtschaftsWoche: Herr Schreiber, wie feiern Sie Silvester?
Thomas Schreiber: Ich lege Wert darauf, mein eigenes Feuerwerk zu zünden. In letzter Zeit eher weniger Böller, dafür mehr Batteriefeuerwerke. Die sehen beeindruckend aus und machen wenig Arbeit. Dazu schieße ich ein paar Raketen in die Luft, schließlich macht das Anzünden auch Spaß.
In den drei Tagen vor dem Jahreswechsel muss Weco fast den kompletten Jahresumsatz machen – nur dann ist der freie Verkauf von Feuerwerk in Deutschland erlaubt. Sind Sie nervös, dass Ihr Unternehmen gut ins neue Jahr kommt?
Wir haben es mit einem Hochrisikogeschäft zu tun, das wir leider kaum beeinflussen können. Wir müssen hohe Bankkredite aufnehmen und stehen unter hohem Druck, die Ware pünktlich in den Handel zu liefern. Dieses Jahr war das Timing besonders heikel, weil unsere Importe aus China auch auf drei Containerschiffen von Hanjin waren. Als die Reederei im Herbst Pleite ging, mussten wir sehr lange auf unsere Ware warten. Zum Glück produzieren wir 40 Prozent unseres Feuerwerks selbst in Deutschland. Manche unserer Wettbewerber, die ihre Ware komplett importieren, bekamen 10 bis 20 Prozent ihres Feuerwerks nicht geliefert. Eine Katastrophe.
Welche Risiken bedrohen ihr Geschäft noch?
Das Wetter ist enorm wichtig für den Verkauf. Wir bangen seit Wochen, dass es kurz vor Silvester nicht regnet oder glatt wird, denn sonst bleiben viele Deutsche zu Hause und kommen nicht zu unserem großen Lagerverkauf.
Zur Person
Der 52-Jährige arbeitet seit 1991 für Weco und begann seine Karriere als Assistent der Geschäftsleitung. 1998 übernahm er zusammen mit Dieter Kuchheuser die Geschäftsführung.
Weco wurde 1948 gegründet und machte im Geschäftsjahr 2014/2015 rund 109 Millionen Euro Umsatz. Der Mittelständler fertigt 40 Prozent seiner Feuerwerksware an den deutschen Standorten in Eitorf (NRW), Freiberg (Sachsen) und Kiel (Schleswig-Holstein), der Rest kommt aus China. Neben Deutschland verkauft Weco seine Ware auch in den Benelux-Ländern, England, Frankreich, Österreich, Schweiz, Italien, Slowenien, Kroatien, Polen und Tschechien.
Kritiker sagen, man solle sein Geld an Silvester lieber spenden, als es für Feuerwerk zu „verpulvern“.
Ach, jeder Verbraucher sollte doch selbst entscheiden, ob er Feuerwerk kauft oder nicht. Spenden und Feuerwerk müssen sich ja auch nicht zwingend ausschließen. Aber wenn sich da in den Medien etwas hochschaukelt, kann das auch unser Geschäft schädigen.
Was meinen Sie damit?
Ende 2004 starben Hunderttausende Menschen am Indischen Ozean bei den verheerenden Tsunamis, die ein Erdbeben ausgelöst hatte. Damals stellten sich Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein Außenminister Joschka Fischer vor die Presse und sagten, die Deutschen sollten auf Feuerwerk verzichten und lieber spenden. Wir haben Jahre gebraucht, um die Verluste zu verkraften. Um nicht nur vom Verkauf von Feuerwerk abhängig zu sein, weiten wir unser Geschäft aus.
Mit welchen neuen Ideen?
Im Jahr 2011 haben wir angefangen, Übungsmunition zu produzieren. Aber das war ein Verlustgeschäft, weil staatliche Armeen zu lange für ihre Bestellvorgänge gebraucht haben. Deswegen haben wir diesen Bereich mittlerweile verkauft. Jetzt starten wir einen neuen Versuch: Ende September haben wir unsere neue Tochtergesellschaft „Trendgroup International“ gegründet, um 2017 mit elektrisch betriebenen Scootern und Drohnen zu handeln.
Wie bitte? Wollen Sie dann bald Roller mit Raketenantrieb bauen?
Nein, dieser neue Bereich hat nichts mit unserem Kerngeschäft zu tun. Ab dem ersten Quartal 2017 bringen wir als exklusiver Vertriebspartner den faltbaren eRoller „Stigo“ in deutsche Läden. Er fährt bis zu 25 km/h schnell und lässt sich in wenigen Sekunden zusammenklappen. Wir haben es geschafft, eine Zulassung mit kleinem Nummernschild zu bekommen und sind damit die ersten in Deutschland für diese Art von Produkt.
Die beliebtesten Feuerwerkskörper
50 Prozent des Silvesterumsatzes im Bereich Feuerwerkskörper erzielen die Händler durch das Batterien-Feuerwerk.
20 Prozent des Silvesterumsatzes machen die Händler laut dem Verband der pyrotechnischen Industrie mit Raketen.
Das Familiensortiment besteht aus der Zusammenstellung verschiedener Feuerwerkskörper. Das sind meistRaketen, Vulkane, Sonnen und Chinaböller. Der Anteil beträgt 16 Prozent in 2015.
Zum Jugendfeuerwerk zählen Wunderkerzen, Knallteufel, Silberwirbel und Mini-Fontänen. Jeden zehnten Euro des Silvesterumsatzes geben die Deutschen für diese kleineren pyrotechnischen Effekte aus.
Das Gefährt kostet mehr als 2.000 Euro. Wer soll das kaufen?
Unsere Kernzielgruppe sind Berufspendler, die mit dem Roller den letzten Kilometer zur Arbeit fahren können.
Und wie wollen Sie sich in das Geschäft mit Drohnen einmischen?
Für eine Drohne des chinesischen Herstellers „PowerVision“ werden wir ebenfalls den Vertrieb für Deutschland aufnehmen, das Produkt wird demnächst über uns in Geschäften wie Media Markt und Saturn verkauft werden. Die Drohne sieht aus wie ein großes Ei, eignet sich super zum Filmen...
... und kostet 1600 Euro. Auch nicht gerade ein massentaugliches Produkt. Was versprechen Sie sich finanziell von diesen Experimenten?
In einigen Jahren wollen wir einen siebenstelligen Umsatz mit den neuen Produkten machen. Auf der Spielwarenmesse im Februar in Nürnberg werden wir auch eine neue Eigenmarke vorstellen, unter der wir Drohnen verkaufen, die nur für uns in China produziert werden. So verdienen wir eine deutlich höhere Marge.
„Schöne Farben sind nicht alles“
Wie kam es zu dieser ungewöhnlichen Erweiterung Ihres Geschäfts?
Wir haben gesehen, dass der deutsche Markt für Hightech-Lifestyle-Produkte noch recht unerschlossen ist, deswegen wollen wir da jetzt angreifen. Und wir haben wegen unseres Feuerwerk-Vertriebs sehr gute Kontakte zu Händlern – die nutzen wir jetzt, um auch andere Waren zu verkaufen.
So funktionieren Silvester-Raketen
Nach Anstecken der Sicherheitszündschnur brennt diese mit einer Verzögerungszeit von drei bis acht Sekunden ab und zündet dann den Treibsatz an.
Aus der Düse entweicht das durch den Abbrand des Treibsatzes entstehende Gas und treibt die Rakete nach dem Rückstoßprinzip in die Höhe.
Ist der Treibsatz abgebrannt und hat die Rakete die entsprechende Höhe erreicht, zündet die sogenannte Effektfüllung. Die Sterne werden hierdurch am Himmel verteilt.
Zunächst wird eine sogenannte Treibsatzhülse mit Ton gefüllt. Anschließend wird Schwarzpulver in einer Kapsel eingefüllt und dann unter einem bestimmten Druck festgepresst. Dieser Treibsatz kommt in eine weitere Hülse, in die dann wiederum die Effektladung für die Sterne eingefüllt wird. Die Treibsatzhülse wird abschließend mit einer Scheibe verschlossen.
Die Verzögerungszündschnur wird mit einer Schwarzpulvermischung in den Düsenkanal des Treibsatzes eingeklebt. Der nun fertige Raketenmotor wird in die Versatzkappe eingeklebt. Hiernach wird der sogenannte Leitstab aus Holz am Raketenmotor befestigt.
Nach dem Sprenggesetz ist es strafbar, Raketen oder andere Knallkörper selber zu bauen. Nach Paragraf 40 drohen bei Vergehen bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe.
Außerdem erweitern Sie jetzt an Ihrem Standort im sächsischen Freiberg die Kapazitäten für Ihre Tochtergesellschaft „SF Automotive“. Was ist das für ein Geschäft?
Wir produzieren mit rund 30 Mitarbeitern kleine Sprengtabletten, die in Airbags eingebaut werden. Bei einem Autounfall startet die Explosion einen Generator, der Gas in Sekundenschnelle in das Luftkissen pumpt. Wir sind Zulieferer für den japanischen Airbag-Produzenten Takata, so findet sich unsere Technologie bei allen großen Automobilkonzernen der Welt wieder. Wir nutzen unser Knowhow aus der Pyrotechnik, aber auch dieses Geschäft ist sehr sensibel: Wir dürfen uns keinen einzigen Blindgänger erlauben.
Lassen Sie uns noch einmal über Feuerwerk sprechen. Ihr Unternehmen ist Marktführer und produziert 40 Prozent der verkauften Ware selbst, an drei Standorten in Deutschland. Ihre Konkurrenten importieren alles aus China. Wie lang werden Sie sich die Produktion „made in Germany“ noch leisten können?
Wir planen nicht, die deutsche Produktion zurückzufahren oder gar einzustellen. Wir fertigen fast komplett automatisch, bei den Raketen müssen nur noch die Holzstäbe per Hand montiert werden. So können wir jährlich 25 Millionen Stück produzieren.
Die häufigsten Verletzungen mit Feuerwerkskörpern
Pyrotechnik, die noch in der Hand explodiert, ruft mit die schlimmsten Verletzungen hervor. Abgerissene Finger samt durchtrennter Knochen, Nerven und Blutgefäße gehören noch zu den harmloseren Fällen, sagt der Chefarzt der Klinik für Hand-, Replantations- und Mikrochirurgie des Unfallkrankenhauses Berlin (ukb), Andreas Eisenschenk: „Im schlimmsten Fall verlieren Patienten die ganze Hand.“ Bei schweren Handverletzungen müssen sie bis zu fünf Wochen im Krankenhaus bleiben. „Um die Hand so weit wie möglich wieder zu rekonstruieren, braucht es meist weitere Operationen.“
Knalltrauma nennen Experten Verletzungen des Gehörs, die von Explosionen in nächster Nähe verursacht werden. Durch den Druck des Schalls kann das Innenohr geschädigt werden. Patienten hören dann vorübergehend schlecht und haben ein Fiepen im Ohr, sagt der Notfallmediziner Tobias Lindner von der Berliner Charité. Manchmal seien Hörstörungen auch dauerhaft.
Neben Gehörschäden zählen Augenverletzungen zu den häufigsten Gründen, warum Menschen an Silvester in die Notaufnahme kommen: Durch den Funkenflug oder Hitze kommt es zu Sehschwächen, die teilweise irreparabel sind, sagt der Berliner Mediziner Eisenschenk. Eine Empfehlung zum Tragen einer Schutzbrille fordern Augenärzte auch hierzulande, wie die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) mitteilte. In anderen Ländern gebe es die Brillen beim Kauf von Feuerwerk gratis.
Sie entstehen nicht nur durch den direkten Kontakt mit Feuerwerkskörpern. „Funkenflug oder die Nähe zu einem explodierenden Knaller kann ausreichen“, sagt Lindner von der Charité. Typisch seien lokale, aber sehr heftige und tief reichende Verbrennungen, erläutert der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin, Bert Reichert. Meist sei eine OP unausweichlich. Bei Patienten mit kleineren Verbrennungen kann es nach Angaben Lindners dauern, bevor ein Arzt aufgesucht wird: „Manche unterschätzen die Schwere der Verletzung in der Nacht.“
Selten, aber umso gefährlicher sind Fälle explodierender Knaller in der Hosentasche. Am Unfallkrankenhaus in Berlin komme es ein bis zweimal pro Jahr vor, dass Patienten mit Verletzungen bis hin zu den Genitalien eingeliefert würden, sagt Eisenschenk. Knaller explodierten, weil sie aneinander oder an ebenfalls in der Tasche aufbewahrten Streichhölzern reiben, sagt der Mediziner.
Gibt es bei dieser Massenware Platz für Innovationen?
Ja, wir investieren pro Jahr mehrere Millionen Euro in Forschung und Entwicklung. Wir können mit unseren Neuheiten zwar nicht die Rakete neu erfinden, weil wir an das Sprengstoffgesetz gebunden sind. Aber wir versuchen, die Technik bei den immer beliebter werdenden Batteriefeuerwerken zu verbessern.
Was erwartet Ihre Kunden denn dieses Jahr?
Immer mehr Menschen wollen Batterie- und Verbundfeuerwerke haben, die man nur einmal anzünden muss, um ein relativ professionell wirkendes Feuerwerk zu bekommen. Mittlerweile produzieren wir eine Million Batterien selbst und haben schnellere Schusssalven eingebaut, um für mehr Dynamik zu sorgen. Denn schöne Farben sind nicht alles.
Silvesterplanung der Deutschen
Nach Angaben des Marktforschungsinstituts Innofact wollen 40 Prozent der Deutschen den Silvesterabend mit Freunden zu Hause verbringen. Die meisten von ihnen planen einen traditionellen Jahreswechsel mit Raclette und dem TV-Klassiker "Dinner for one".
13 Prozent der Deutschen verbringen den Silvesterabend allein zu Hause. Genauso viele planen ein Kontrastprogramm: Sie besuchen eine Silvesterparty.
12 Prozent der Deutschen verreisen über Silvester.
Laut Befragung geht mehr als jeder Zehnte (11 Prozent) am Silvesterabend in einem Restaurant essen.
Fünf Prozent der Deutschen besuchen eine Silvester-Gala oder gehen in einen Club.
Ihr aufwendigstes Produkt kostet 349 Euro. Haben Sie es da nicht ein bisschen übertrieben mit der Technik?
Naja, immerhin sind das 22 Batterien, die auf zwei Bodenplatten verbunden sind und mehr als fünf Minuten feuern. Das kaufen aber nur wenige Kunden für Silvester. So etwas bekommen sie auch nicht im Discounter, sondern nur online bei uns oder im Großhandel – das ist eher was für Gastronomen, die eine Show bieten wollen.