Islamic Banking Sukuk und Takaful

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Vorreiter in diesem Segment ist neben der Allianz der kleine Münchner Finanzdienstleister FWU, der sich darauf spezialisiert hat, Fonds- und Versicherungsprodukte zu entwickeln. Zusammen mit lokalen Versicherungspartnern bietet FWU seit diesem Frühjahr unter anderem in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Malaysia eine fondsgebundene Lebensversicherung an, die den Regeln der Scharia genügt. Lokale Banken verkaufen die Police. Das Geschäft brummt. Schon bis August hat FWU nach eigenen Angaben die Zielmarke für das gesamte Jahr um 20 Prozent übertroffen. Unter dem Strich steuern Takaful-Lebensversicherungen derzeit 15 Prozent zum Gewinn des Unternehmens bei. Langfristig soll der Anteil auf 40 bis 50 Prozent steigen. Auch in Europa gibt es für Scharia-konforme Bank- und Versicherungsprodukte einen Markt. Hier leben rund 32 Millionen Muslime, davon drei Millionen in Deutschland. Davon nehmen nach einer Untersuchung des Institute of Islamic Banking and Insurance aber nur vier Prozent islamische Finanzprodukte in Anspruch. Die Mehrheit der Befragten begründet den geringen Zuspruch allerdings nicht mit Desinteresse. Es mangele schlicht an Angeboten, klagen sie. Und mit den wenigen Produkten wenden sich die Banken fast ausschließlich an betuchte Kunden. Die Credit Suisse etwa bietet Vermögensverwaltung und Private-Equity-Investitionen nach islamischen Regeln an. Die BHF-Bank, eine Tochter der Privatbank Sal. Oppenheim, hat ein ihrer vermögenden Kundschaft entsprechendes Aktienportfolio zusammengestellt. Angebote, die offiziell auch in Deutschland verfügbar sind. Theoretisch. Die Frage ob die Credit Suisse Scharia-konforme Produkte im Angebot habe, kommentiert ein Privatkundenbetreuer der Bank jedoch erst mit Schweigen, dann mit dem verschämten Eingeständnis: „Das sagt mir gar nichts. Sie müssen mir schon erklären, was das ist.“ Bei der BHF-Bank das gleiche Bild. „Scharia-konforme Produkte?“, fragt ein Betreuer der Bank. „Unternehmensaktien, die sich an den Regeln des Islam orientieren? Das habe ich noch nie gehört.“ Weil es hier am Angebot mangelt, investieren Gläubige wie die Familie von Ayse Yilmaz aus Koblenz ihr Erspartes in der Türkei. Die 30-Jährige lebt seit dem Kindergartenalter in Deutschland, hat hier ihr Abitur gemacht und gibt bei einer privaten Sprachschule Englisch-Unterricht. Sie spricht fließend Deutsch und fühlt sich integriert. Die Prinzipien der Scharia sind ihr trotzdem wichtig und „so geht es vielen in meinem Umfeld“, sagt sie. Das Interesse der Banken an Kunden wie Yilmaz hält sich in Grenzen. Die Commerzbank-Investmenttochter Cominvest hatte Muslimen vor sechs Jahren einen Aktienfonds angeboten. Doch der wurde wegen Erfolglosigkeit wieder eingestellt. Damit hatte sich für die Bank das Thema nach Aussage eines Sprechers erledigt. Auch die Deutsche Bank sieht keinen Handlungsbedarf. Es gebe keine Nachfrage, heißt es. Dabei bezeichnen sich in der Untersuchung des Institute of Islamic Banking and Insurance mehr als zwei Drittel der deutschen Muslime als religiös. Und hierzulande leben mehr Menschen, die an den Koran glauben, als in den Boom-Märkten Dubai und Abu Dhabi zusammen. Diese Klientel wird von den deutschen Banken vernachlässigt. Wo liegt das Problem? Zum einen sei die muslimische Gemeinschaft in Deutschland „in ihrem Anlageverhalten nicht so homogen wie beispielsweise in Indonesien“, sagt Ulf Hollstein, beim Bankhaus Metzler für die Nahost-Region zuständig. „Man müsste hier viele einzelne Produkte entwickeln, was den meisten Banken wirtschaftlich nicht sinnvoll erscheint.“

Islam-Experte Bälz geht dagegen davon aus, dass das Marktpotenzial bisher schlichtweg nicht genutzt wurde: „Man kann nicht ein einzelnes Produkt auf den Markt bringen und dann davon ausgehen, dass die Leute sich darauf stürzen.“ Nötig sei eine ganze Palette an Basisprodukten wie Girokonten, Verbraucherdarlehen und Baufinanzierungen. „Und solche Produkte müssen dann auch fachmännisch vertrieben werden.“ Sie müssten beworben und von Bankangestellten verkauft werden, „die sich mit Islam-konformen Produkten auskennen und auch die Bedenken und Bedürfnisse der Kunden kennen.“ Zudem müssten die Banken über „neue Vertriebsformen“ nachdenken, sagt Philipp Wackerbeck, Studienautor des Institute of Islamic Banking and Insurance. „Es könnte den Zugang erleichtern, wenn sie mit den muslimischen Gemeinden zusammenarbeiten würden.“ Das sehen die betroffenen Muslime ähnlich. Banken dürften nicht davon ausgehen, dass ein Ausländer in einer Filiale explizit nach Islam-Produkten fragt, sagt Yilmaz: „Es kommt mir ohnehin so vor, als würde jeder in mir eine potenzielle Terroristin sehen. Da gehe ich sicher nicht in eine Bank und offenbare, dass ich meinen Glauben auch praktiziere.“ Dass es auch in Deutschland einen Markt für Scharia-konforme Geldanlagen gibt, führte einst die Yimpas Group AG vor. Das Unternehmen betrieb bis vor einigen Jahren zehn Kaufhäuser in Deutschland und sammelte innerhalb kurzer Zeit Anlegergelder in Höhe von umgerechnet 150 Millionen Euro ein. Die meisten Investoren waren in Europa lebende Türken, die dem Unternehmen ihre Ersparnisse anvertrauten. Yimpas lockte die Anleger mit dem Versprechen, dass die Investition nicht gegen das Zinsverbot verstoßen und in den Kaufhäusern weder Schweinefleisch noch Alkohol verkauft würde. Nach der Pleite des Unternehmens 2002 verloren sie allerdings ihr Geld. Die Kaufhäuser machten Verluste, die Einlagen der Zeichner verschwanden in einem internationalen Finanzgeflecht. Noch heute streiten enttäuschte Anleger vor Gericht um ihr Geld. Wie sich auch in Europa Scharia-konforme Bankprodukte durchsetzen lassen, zeigt die 2004 in London gegründete Islamic Bank of Britain. Sie ist das erste vollislamische Institut in Europa. Schon nach einem Jahr verwaltete sie Vermögen im Wert von rund 50 Millionen Euro, 25000 Konten wurden eröffnet. Auf die Filialen in London, Birmingham and Leicester sollen vier weitere Niederlassungen folgen. Marktkenner Bälz hält es für möglich, dass sich wie in Großbritannien auch in Deutschland Investoren zusammenschließen und eine eigene, rein islamische Bank gründen. Dann hätten die hiesigen Banken die Chance – die sie in den islamischen Ländern Asiens und des Nahen Ostens so emsig nutzen – im eigenen Land verpasst.

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