Datenflatrate Telefonica macht sich frei

Telefonica bricht das unausgesprochene Übereinkommen der Mobilfunkanbieter, keine Datenflatrates anzubieten. Schon Telefon-Flats hatten schnell die Preise verdorben. Klar war aber: Einer wird der Erste sein. Eine Analyse.

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Die Marke O2 von Telefonica will mit einer Datenflatrate bei Kunden punkten. Quelle: dpa

Düsseldorf Die Worte sind marketing-markig: „Daten sind der neue Sauerstoff und Sauerstoff gibt es bei O2.“ Der Satz stammt vom operativen Chef (COO) von Telefonica, Markus Haas. Das Unternehmen mache einen „Quantensprung“, sagt er, es sei eine „Revolution“. Hass spricht von „O2 Free“, dem neuen Angebot von Telefonica für seine Premiummarke. Das neue dabei: Es ist eine Datenflatrate. Wer sein gebuchtes Datenvolumen überschreitet, kann weitersurfen.

Das erscheint zunächst paradox: Warum überhaupt ein Datenpaket buchen, wenn es doch auch mit dem günstigsten Vertrag weitergeht? Die Antwort steckt im Detail. Zwar können die Kunden so viel surfen, wie sie wollen, aber nicht in der selben Geschwindigkeit. Haben sie ihre Volumenobergrenze erreicht, kommt die Drossel. Das ist bei allen anderen Anbietern auch so, allerdings will Telefonica nicht mehr so stark drosseln wie die anderen. Während die nur noch etwa 14 Kilobit Daten pro Sekunde durchleiten, schickt O2 noch 1 Megabit die Sekunde (Mbit/s).

Das soll reichen, um die wichtigsten Bedürfnisse der Mobilfunkkunden zu befriedigen. Um herauszufinden, welche das sind, hat Telefonica von TNS Infratest extra eine Studie anfertigen lassen. Die kam zu dem Schluss, dass 81 Prozent der Smartphone-Nutzer nicht auf Messenger-Apps verzichten wollen. Zudem wichtig ist das Surfen im Internet sowie Bilder und Emails zu verschicken, Navigation und Wetterdienste. Und all dies sei ohne Probleme mit einem Mbit/s möglich, erklärt Haas freudig. „Wir wollen den Mobilfunk entfesseln“, sagt er.

Doch Telefonica entfesselt mit der Aktion nicht nur den Mobilfunk, sondern auch einen Preiswettbewerb, der die Unternehmen schnell Umsatz und Marge kosten wird. Wie schnell, haben die Telekommunikationskonzerne bei Telefon-Flats gesehen. Kaum konnten die Kunden bei einem Anbieter so lange telefonieren, wie sie wollten, mussten die anderen nachziehen. Die Preise fielen in diesem Wettbewerb schnell.

Aus Sicht der Verbraucher ist das ohne Frage wünschenswert. Doch wollten die meisten Telekommunikationsmanager dieses Phänomen eigentlich so schnell nicht wiedersehen. Die steigende Nachfrage nach Daten galt als gute Möglichkeit, das Netz besser zu monetarisieren. Und Geld damit verdienen müssen sie. Die Infrastruktur erfordert kontinuierliche Investitionen in die Verbesserung der bestehenden Technik und die Entwicklung neuer. Was passiert, wenn ein Unternehmen bei den Investitionen in die Netze schludert, ist am Beispiel Vodafone zu sehen. Noch immer arbeitet der Anbieter hart daran, verlorene Kunden wegen des schwächeren Netzes wieder einzufangen.


Telefonica hat andere Sorgen

Doch Telefonica hat dieses Problem gerade nicht. Das Netz ist da. Durch den Zusammenschluss mit E-Plus im Jahr 2014 verfügt das Unternehmen über viel Netzkapazität. Seither ist Telefonica auch Marktführer. Doch muss die deutsche Tochter des spanischen Konzerns auch Kapazitäten abgeben. Sonst hätte die EU-Kommission die Fusion nicht bewilligt. Nutznießer davon ist der Mobilfunkdiscounter Drillisch.

Der allerdings muss für diese Kapazitäten zahlen, egal ob er sie verkauft oder nicht. Also versucht er bei den Kunden mit niedrigen Preisen und hohen Datenpaketen zu punkten. Da Kunden, gerade wenn sie sich über Vergleichsportale einen neuen Tarif suchen, auch sehen, in welchem Netz der Anbieter agiert, hatte Telefonica damit einen scharfen Konkurrenten – der zudem nicht in neue Infrastruktur investieren muss.

Auf der anderen Seite von Telefonica drücken die beiden großen Telekommunikationskonzerne Vodafone und Deutsche Telekom. Die wiederrum versuchen damit zu punkten, dass sie Festnetz, Internet, Fernsehen und Mobilfunk aus einer Hand anbieten können. Vodafone verspricht den Kunden zudem superschnelle Verbindungen.

Um den Status-Quo als Marktführer zu sichern, muss sich Telefonica also absetzen. Daher nutzt das Unternehmen – wie die Konkurrenten auch – seinen besonderen Vorteil. Und der ist eben die hohe Verfügbarkeit im Netz. Zudem war es ohnehin klar, dass irgendwann einer der Anbieter die Vorzüge, als erster im Markt eine Datenflatrate anzubieten, mitnehmen möchte. Die Telekom hatte zur Messe IFA bereits einen ersten Schritt gemacht und Tagesdatenflatrates angekündigt.

Wie und wann die anderen Unternehmen nun nachziehen werden, ist unklar, lange wird es wohl nicht dauern. Zu stark zieht bei Kunden bis heute das Argument „Always on“ zu sein und nicht irgendwann vor der Wahl zu stehen, ein zusätzliches Datenpaket zu kaufen oder de facto nur noch im WLAN kommunizieren zu können.

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