Deutscher Werberat Schmuddelwerbung auf dem Vormarsch

Der Deutsche Werberat hat seine Jahresbilanz 2016 vorgelegt. Erstmals musste das Selbstkontrollgremium in einem Jahr mehr als 700 Werbesujets prüfen. Besonders bei einem Thema liegen die Firmen oft peinlich daneben.

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Immer mehr Bürger wenden sich wegen geschlechterdiskriminierender Werbung an den Deutschen Werberat. Quelle: Deutscher Werberat

Düsseldorf Er habe die Liebe nur erfunden, um Nylonstrümpfe zu verkaufen, sagt Don Draper, der Star-Werber aus der TV-Serie „Mad Men“. Mit einem Schuss Erotik und Nervenkitzel lassen sich viele Produkte leichter verkaufen, egal ob Autos, Schokolade oder eben Nylonstrümpfe. Menschen wollen verführt werden. Das ist im Film genauso wie in der harten Werberealität.

Doch die Werbe-Regel „Sex sells“ wird nicht nur virtuos gespielt, sondern von einigen Unternehmen auch brutal vergeigt. Die besonders harten Fälle landen beim Deutschen Werberat, dem Selbstkontrollgremium der Branche. Im vergangenen Jahr, so heißt es in einer Statistik, die der Werberat am Donnerstag vorstellt, erreichte die Schmuddelwerbung ein neues, nie da gewesenes Rekordhoch: 2265 Beschwerden richteten sich im vergangenen Jahr auf 703 Beschwerdefälle. Das sind 13 Prozent mehr als 2015. Pro Woche wurden im Schnitt 14 Werbesujets angezeigt, die aus Sicht der Verbraucher gegen die guten Sitten verstoßen.

„Geschlechterdiskriminierende Werbung“, wie es der Werberat nennt, waren im vergangenen Jahr der Hauptgrund, weshalb sich Bürger an die Einrichtung wandten. Frauen, die sich nackt auf überdimensionalen Bratwürsten räkeln (Riffel’s Bar und Grill aus Hannover), Frauen, die unbekleidet über den Boden kriechen (Baumgartner Optik aus Regensburg), oder auch Frauen, deren nackter Po mit einem Werbestempel versehen ist (Druckbude Zeuthen aus Brandenburg). Bei Fällen wie diesen hatte der Werberat die Motive bei den betroffenen mittelständischen Firmen beanstandet. Nachdem es keine entsprechende Reaktion gab, sprach das Gremium eine öffentliche Rüge aus.

Doch nicht immer folgt der Werberat der Meinung der empörten Öffentlichkeit. So gab es im Bereich der geschlechterdiskriminierenden Werbung so viele Anzeigen wie noch nie. Der Werberat sah jedoch in der Mehrheit der Fälle keinen Grund für eine Beanstandung.

Die Zunahme der Beschwerdefälle in diesem Bereich hat für den Rat zwei Gründe: Zum einen sieht er die Debatte über die Gleichstellung der Geschlechter und das von der SPD geforderte gesetzliche Verbot sexistischer Werbung als Auslöser vieler eingereichter Motive. Zum anderen sorgt das permanente Tragen von Smartphones samt Kamera dafür, dass viele Bürger die anstößigen Werbemaßnahmen unkompliziert abfotografieren und einreichen können.

Neben sexistischen Motiven waren es dieses Jahr vor allem Verstöße gegen „ethische und moralische Mindestanforderungen“, die die Bürger aufbrachten. In diese Rubrik fallen Beschwerden über provokante Motive, beispielsweise Werbung für ein Verdauungsmittel, die im Radio zur Mittagszeit gesendet wurde. Des Weiteren sorgten Werbemaßnahmen für Aufruhr, die bestimmte Personengruppen diskriminierten: übergewichtige Menschen, ältere Menschen, Homosexuelle, Zuwanderer – das Werber-Herz ist sich mitunter für keinen Scherz zu schade.

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