Größter Werbekonzern der Welt WPP-Chef Sorrell kauft Hamburger Agentur Thjnk

Martin Sorrell, Chef des größten Werbekonzerns der Welt WPP, schlägt wieder in Deutschland zu. Nach dem Kauf von Scholz & Friends im Jahr 2011 kommt nun eine weitere attraktive Marke hinzu: die Hamburger Agentur Thjnk.

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Der WPP-Chef hat es auf eine deutsche Werbeagentur abgesehen. Quelle: Reuters

Düsseldorf Am Samstag postete Karen Heumann, Deutschlands bekannteste Werberin, via Facebook ein unverfängliches Foto. Drei Bücher lagen auf einem kleinen, blauen Tisch, daneben eine Rosenschere. Wo anfangen, fragte sie ihre Facebook-Freunde. Es entspann sich eine Debatte über ihre Buchauswahl, doch am Ende rieten die meisten Leser zur Gartenarbeit. Heumanns Foto kann man als eine kleine Nebelkerze verstehen: Die Chefin der Hamburger Werbeagentur Thjnk, wird gerade wenig Zeit zum Schmökern oder zum Rosenbeschnitt haben, denn sie verkauft ihr 380-Mann-Unternehmen an WPP, den weltgrößten Werbekonzern aus Großbritannien. Das geht aus einer Mitteilung hervor, die das börsennotierte Unternehmen WPP am frühen Donnerstagmorgen verschickte.

Wie das Handelsblatt von Insidern erfuhr, haben beide Seiten monatelang über die Konditionen verhandelt, am Mittwochabend wurde der Vertrag unterschrieben. Über den Kaufpreis vereinbarten beide Seiten Stillschweigen. Eine Prüfung der Kartellbehörden steht noch aus.

Für Martin Sorrell, Chef des Werbekonzerns WPP, ist es der erste Zukauf auf dem deutschen Agenturmarkt nach einer längeren Pause. 2011 hatten die Briten Commarco erworben, eine Holding, zu der die Agentur Scholz & Friends gehört. Sorrells größter Konkurrent, das US-Werbenetzwerk Omnicom, war in den vergangenen Jahren ungleich aktiver: Die Amerikaner kauften 2014 die angesagte Kreativagentur Heimat aus Berlin und verbanden sie mit ihrer kriselnden Omnicom-Agenturmarke TBWA. Anfang 2015 ging es weiter, sie erwarben die hippe Berliner Digitalagentur Torben Lucie und die gelbe Gefahr und trugen ihr auf, gemeinsam die angestaubte Omnicom-Marke Rapp aufzuhübschen.

Derlei Schützenhilfe muss Thjnk innerhalb des WPP-Netzwerkes offenbar nicht leisten. „Thjnk bleibt – im Rahmen des Netzwerkes – unabhängig“, heißt es in Unternehmenskreisen. Deutschland gilt international als ausgesprochen interessanter Agenturmarkt, da hier zahlreiche inhabergeführte Agenturen tätig sind. Diese sind bei werbetreibenden Unternehmen beliebt, die den direkten Kontakt zum Gründer oder zum Inhaber suchen. Dem Vernehmen nach klopfen internationale Werbekonzerne wie WPP und Omnicom regelmäßig bei deutschen Inhaberagenturen an, doch die Preisfindung und die Konditionenausgestaltung erweisen sich oft als schwierig, so dass es dann doch nur bei Vorgesprächen bleibt.

Heumann und ihre beiden Vorstandskollegen Armin Jochum und Uli Pallas werden für eine mehrjährige Übergangszeit, die Rede ist von mindestens fünf Jahren, wenn nicht gar acht, die Agentur weiterhin führen. Agentur-Mitgründer Michael Trautmann wird im Laufe des Jahres in den Aufsichtsrat wechseln, das hatte die Werbeagentur bereits im Mai bekannt gegeben.

Thjnk ist 2012 aus der Agentur Kemper-Trautmann entstanden, als die beiden Werber Heumann und Jochum zu der Agentur wechselten. Beide kamen von dem Konkurrenten Jung von Matt und wollten unternehmerisch tätig werden. Oder, wie es Heumann in den Jahren nachdem gerne formulierte, mit „49 noch mal die beste Agentur der Welt bauen“.

André Kemper und Michael Trautmann hatten die Agentur 2004 gegründet. Mit dem Einstieg der beiden Jung-von-Matt-Werber änderte sich einiges: Der Name wandelte sich in Thjnk um, ein Akronym der vier Nachnahmen Trautmann, Heumann, Jochum und („n“) Kemper. Letzterer verließ kurz darauf die Firma, und es entspann sich ein zäher Scheidungskrieg. Im vergangenen Jahr holten Heumann und Jochum ihren früheren Kollegen, den Jung-von-Matt-Finanzvorstand Pallas, in ihre Firma. Letzter Managementumbau war Trautmanns Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat. Somit setzt sich der Thjnk-Vorstand heute aus drei ehemaligen Jung-von-Matt-Werbern zusammen.

In Branchenkreisen gilt Thjnk als innovativ und experimentierfreudig. Um beispielsweise den Werbeetat der Fastfoodkette McDonald’s für sich zu gewinnen, schufen die Hamburger 2014 kurzerhand ein Joint Venture mit dem Wettbewerber Leo Burnett, einer Agentur, die zum französischen Werbekonzern Publicis zählt. Auch für den Industriekonzern Thyssen-Krupp boten die Kreativen eine maßgeschneiderte Agenturlösung: Die 2016 eingerichtete Thyssen-Krupp-Agentur Bobby & Carl ist ein Joint Venture des Dax-Konzerns und der Inhaberagentur.

In einem schnellen Tempo gingen sie das Thema Internationalisierung an. Heute unterhält Thjnk unter anderem Büros in New York und in Zürich, beide Städte zählen zu den teuersten Agenturplätzen.

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