Instagram Das lukrative Werbegeschäft mit dem Fotodienst

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Product Placement bei Instagram ist umstritten

Lena denkt trotz ihres Erfolgs nicht daran, ihre Zukunft auf Instagram aufzubauen. In zwei Jahren - nach dem Abitur - will sie im Bereich Grafikdesign arbeiten. In ihrem Ort kennt man sie, in der Schule gibt es kaum jemandem, der nicht weiß, dass das Mädchen mit den langen braunen Locken „Lenachristinb“ von Instagram ist.

Ihren Eltern erzählt Lena so gut wie gar nicht, was sie macht. Michael Beichler, ihr Vater, gibt zu: „Ich google sie regelmäßig, damit ich einen Überblick habe, welche Fotos sie online stellt.“ Wenn seine Tochter bauchfrei auf einem Bild posiert, und darunter Jungs kommentieren, dann wird ihm schon einmal anders: „Klar frage ich mich: Was wollen die alle von Lena?“

"Wo ist die Falle?"

Mit welchen Firmen ihre Tochter gerade wieder kooperiert, sehen die Eltern nur an den Absendern auf den Päckchen, die ins Haus geliefert werden. Vier bis fünf erhält Lena jede Woche. Tee, Kosmetik, Sonnenbrillen, Bikinis und Ohrringe.

Am Anfang waren die Eltern völlig irritiert: „Wir hatten die ganze Zeit Angst: Wo ist die Falle?“, sagt die Mutter. Sie erwarteten Rechnungen, Mahnungen, Anwaltsschreiben. Nichts von alledem kam. Es dauerte, bis sie glauben konnten, dass die Produkte wirklich kostenlos sind.

Doch umsonst sind sie nicht. Die Firmen pflegen zwar einen lockeren Umgang mit Mädchen wie Lena. „Die Unternehmen schreiben Mails mit Smileys, die behandeln mich wie einen Freund“, sagt sie. Doch es geht nicht um Freundschaft, sondern ums Marketing.

Lena schreibt in der Regel nicht unter die Fotos, dass ihr die Produkte geschenkt wurden. Wer sich in der Szene nicht auskennt, könnte glauben, sie kauft sich die Gegenstände selbst. „Wenn ich darunter schreibe, dass ich das Produkt geschenkt bekommen habe, ist der Effekt für die Firma ja weg“, erklärt Lena. 

Ganz sauber ist das nicht. „Die Art von Werbung kann ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht sein“, sagt Sascha Pakroo, Rechtsanwalt mit Schwerpunkt für Internet- und Wettbewerbsrecht aus Augsburg. Konkurrenten könnten dagegen vorgehen – gegen die Mädchen, aber auch gegen die Firmen. „Da die Produkte offenbar gezielt verschickt werden, um damit zu werben, könnte das durchaus als wettbewerbswidrige Handlung gewertet werden - daher sehe ich gute Chancen  für einen Unterlassungsanspruch“, so Pakroo.

Für die Firmen ist das Geschäft mit den Instagramern bislang ein gutes, wenn sie die Fallstricke kennen. Xenia Hetke, Managerin beim jungen Kostmetik-Hersteller "Missha" erklärt: „Ja, wir arbeiten gern mit Bloggern und Instagramern zusammen. Aber natürlich achten wir darauf, dass die Produkte zu den einzelnen Personen passen - eine 16-Jährige kann schlecht eine Faltencreme bewerben.“

Bei dem Versuch, durch Instagram bekannter zu werden, hat das Unternehmen auch schon schlechte Erfahrungen gemacht. Eine Testerin etwa verkaufte die geschenkten Produkte weiter, um zusätzlichen Gewinn zu machen. 

Was Sie über die Digital Natives wissen sollten
Ein nach oben zeigender Daumen («gefällt mir») spiegelt sich am 28.06.2013 in Münster (Nordrhein-Westfalen) im Auge des Betrachters. Quelle: dpa
Eine 13-jährige Jugendliche spielt am 05.02.2014 in Köln (Nordrhein-Westfalen) auf ihrem Smartphone das Spiel "Candy Crush". Quelle: dpa
Ein übergroßer Mann hält einen kleineren in der Hand und droht ihm mit erhobenen Finger Quelle: Fotolia
Ein Mensch reicht einem anderen einen Autoschlüssel Quelle: Fotolia
Ein Mann im Anzug sitzt mit hinter dem Kopf verschränkten Armen in einem Sessel Quelle: Fotolia
Junge Leute beugen sich über einen Block und ein Tablet Quelle: Fotolia
Junge Leute unterhalten sich an einem Stehtisch Quelle: Fotolia

Kampf um Aufmerksamkeit

Der neue Werbetrend ist nicht nur auf Deutschland beschränkt: Lisa-Marie Schiffner ist 14 Jahre alt und kommt aus Österreich, für ihren Kanal „@lisamarie_schiffner“ interessieren sich mehr als 50.000 Follower, sie bekommt Gegenstände im Wert von 20 bis 300 Euro zugeschickt.

Im Netz finden sich sogar Fan-Gruppen junger Mädchen, die sich gegenseitig im Lob für Lisa-Marie übertreffen. Angst vor dem Idol-Status hat der Teenager aber nicht: „Ich glaube, dass ich damit einen recht souveränen Umgang gefunden habe und natürlich freue ich mich, wenn ich mal in einer größeren Stadt bin und dann angesprochen werde.“

Die Instagramerinnen leben von Aufmerksamkeit und lieben diese auch. Mehr Klicks bedeuten mehr Aufmerksamkeit, mehr Aufmerksamkeit mehr Reichweite, mehr Reichweite mehr Geld und teurere Produkte von den Firmen.

Der Kampf um Klicks nimmt teils bizarre Züge an. Im Netz lassen sich Instragram-Likes kaufen: 1000 kosten 15 Euro, Diskretion wird garantiert. In Apples Appstore gibt es ein Programm, mit dem man künstlich Follower generieren kann: Indem man anderen folgt, folgen die einem zurück.

Manchmal liken auch andere große Instagramer Lenas Fotos, in der Hoffnung, sie würde diese Gefälligkeit erwidern. „Die wollen immer mehr“, sagt Lena. „Nur weil man einige Tausend Follower hat, ist man nicht etwas Besseres.“

Das Gespräch ist beendet, Lena schaut auf ihr Handy nach neuen Kommentaren und Mails. Abends wird sie noch ein neues Foto hochladen.

Zwischen sieben und neun Uhr gibt es die meisten Likes, sagt sie. 

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