Soziales Netzwerk Kartellamt wirft Facebook Daten-Missbrauch vor

Neuer Ärger für Facebook in Deutschland: Das Bundeskartellamt wirft dem Konzern bei der Verwertung von Nutzerdaten missbräuchliches Handeln vor. Worum es in dem Streit geht – und welche Konsequenzen Facebook drohen.

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Berlin Es mag dem ein oder anderen Facebook-Nutzer schon einmal merkwürdig vorgekommen sein: Da suchte man gerade noch im Netz nach Weihnachtsgeschenken, und plötzlich erscheint im persönlichen Newsfeed die passende Werbeanzeige. Denn nicht nur Nutzerdaten innerhalb des Netzwerks werden gesammelt, sondern auch auf Apps und Webseiten von Dritten und mittels hauseigenen Diensten wie WhatsApp und Instagram.

Kurz vor Weihnachten hat das Bundeskartellamt Facebook nun eine vorläufige rechtliche Einschätzung wegen des Verdachts auf Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung übersandt. Die Behörde bemängelt, dass eine Nutzung des Netzwerks nur dann möglich sei, wenn unbegrenzt jegliche Art von Daten aus Drittquellen gesammelt und mit dem jeweiligen Facebook-Konto verknüpft würden. In einer Stellungnahme des Konzerns weist Yvonne Cunnane, Datenschutzchefin bei Facebook Irland, die Vorwürfe einer marktbeherrschenden Stellung zurück. Sie spricht von einem „ungenauen Bild“, dass die Behörde von Facebook zeichne. Der Streit im Überblick:

Whatsapp, Instagram, Facebook - der Dreisatz der modernen Kommunikation: Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat es verstanden. seine Dienste zum wichtigen Teil in der Kommunikation der Verbraucher zu machen. So sieht es auch das Bundeskartellamt. Doch nicht nur die Datenzusammenführung innerhalb der Dienste kritisiert die Behörde.

Es geht auch um die Nutzung anderer Dienste außerhalb von Facebook: So würden Daten von Webseiten und Apps schon mit deren Aufruf beziehungsweise Installation an Facebook fließen, wenn sie eine der Schnittstellen eingebunden haben. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, nimmt in der entsprechenden Pressemitteilung Stellung: „Wir sehen vor allem die Datensammlung außerhalb des sozialen Netzwerks von Facebook und ihre Zusammenführung mit dem Facebook-Konto als problematisch an.“ Mithilfe von Schnittstellen flößen auch dann Daten an Facebook und würden dort gesammelt und verwertet, wenn man andere Internetseiten besuche.

Dies geschehe sogar schon, wenn man zum Beispiel einen „Gefällt Mir“-Button gar nicht nutze, aber eine entsprechende Seite aufgerufen habe, in die ein solcher Button eingebettet ist, so Mundt: „Dies ist den Nutzern nicht bewusst. Wir sehen nach dem jetzigen Stand der Dinge auch nicht, dass zu diesem Verhalten von Facebook, dem Daten-Tracking und der Zusammenführung mit dem Facebook-Konto, eine wirksame Einwilligung der Nutzer vorliegt. Das Ausmaß und die Ausgestaltung der Datensammlung verstößt gegen zwingende europäische Datenschutzwertungen.“

Nach der vorläufigen Auffassung des Bundeskartellamtes muss Facebook als marktbeherrschendes Unternehmen bei dem Betrieb seines Geschäftsmodells berücksichtigen, dass die Facebook-Nutzer nicht auf andere soziale Netzwerke ausweichen können. Die Teilnahme am Facebook-Netzwerk setzt eine Registrierung und eine uneingeschränkte Zustimmung zu den Nutzungsbedingungen zwingend voraus. Der Nutzer wird vor die Wahl gestellt, entweder das „Gesamtpaket“ zu akzeptieren oder auf die Nutzung des Dienstes zu verzichten.


Facebook kontert die Vorwürfe

Facebook selbst lässt mit einer Entgegnung nicht lange auf sich warten. Unter dem Titel „Beliebtheit ist nicht gleich Dominanz“ bezieht Datenschutzmanagerin Cunnane Stellung: Man arbeite mit der Behörde zusammen und erkenne die Wichtigkeit der Untersuchung an. Dennoch stört sich Facebook an dem Bild, dass die Behörde da vom Konzern zeichne: „Obwohl Facebook beliebt in Deutschland ist, sind wir nicht dominant.“ Man sei einfach Teil davon, wie Menschen interagieren und müsse konstant daran arbeiten, um die Erwartungen der Menschen zu erfüllen, so Cunnane: „Wenn wir versagen, werden die Menschen woanders hingehen - die Geschichte hat das mit anderen Technologieanbietern im Laufe der Jahre gezeigt.“

Ein marktbeherrschendes Unternehmen agiere in einer Welt, in der Verbraucher keine Alternativen hätten, so die Managerin. Doch ein Blick auf ein durchschnittliches Smartphone zeige, dass die Realität eine andere sei. Menschen hätten so viele Möglichkeiten zum Teilen, Entdecken und Kommunikation - Facebook sei nur eine der Möglichkeiten. Es gäbe ja auch noch Snapchat, Youtube, Flickr, Twitter oder Pinterest: „Die Hälfte der deutschen Internutzer nutzt Facebook nicht neben anderen Apps, sondern gar nicht.“, macht Cunnane deutlich. Zudem tue ein marktbeherrschendes Unternehmen niemals so viel für die Nutzer und die Weiterentwicklung, wie es Facebook der Fall sei.

Ob das Bundeskartellamt dieser Argumentation folgen wird, bleibt abzuwarten: Schließlich hat Facebook viel dafür getan, Konkurrenten wie Snapchat die Nutzer abspenstig zu machen. In Bezug auf die Datensammlung verweist Cunnane auf die Datenschutzgrundverordnung, die im kommenden Jahr in Kraft treten wird: Man werde zusätzliche Kontrollmechanismen und noch mehr Informationen darüber bereitstellen, wie man die Daten der Menschen schütze. Das Unternehmen sei zuversichtlich, dass man in der Lage sei die Fragen des Kartellamtes angehen zu können.

Das Verfahren konzentriere sich dabei ausdrücklich auf die Sammlung und Verwendung von Nutzerdaten aus Drittquellen – nicht auf die Datensammlung und -verwendung auf dem sozialen Netzwerk Facebook selbst. Es wird offen gelassen, ob auch hier Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vorliegen könnte.

Bei dem Verfahren gegen Facebook handelt es sich um ein Verwaltungsverfahren. an dessen Ende eine Einstellung, Verpflichtungszusagen des Unternehmens oder eine Untersagung stehen kann. Ein Bußgeld muss Facebook daher zunächst nicht befürchten. Erst wenn es einer Anweisung nicht folge leistet, könnte es soweit kommen.

Facebook könnte jedoch gezwungen werden, in den eigenen Datenrichtlinien genauer darüber zu informieren, wann und wie viele Daten zu welchem Zweck erhoben werden. Bei der jetzigen Bekanntgabe der Behörde handelt es sich jedoch nur um eine vorläufige Einschätzung, die abschließende Entscheidung soll nicht vor Frühsommer 2018 kommen.

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