Kaviar Deutsche Züchter graben der Kaviar-Mafia das Wasser ab

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Golden Ossetra-Kaviar Quelle: AP

Trotz der hohen Preise ist die Kaviarproduktion kein Geschäft fürs schnelle Geld, denn der Stör schert sich nicht um Produktivitätsansprüche seiner Schlachter: Nur alle zwei bis drei Jahre tragen Stör-Weibchen Eier. Und bis sie überhaupt geschlechtsreif sind, vergehen mindestens drei Jahre. Dann müssen die Fischer per Ultraschall feststellen, ob es sich bei den Tieren um Männlein oder Weiblein handelt: Für das bloße Auge sind Störe ein lebendiges Fossil, eine 250 Millionen Jahre alte Fischart, die wie ein Überbleibsel der Steinzeit daherkommt.

Kaviarhandel ist denn auch nicht das Hauptgeschäft von Dirk Schmelz. In Gelsenkirchen betreibt er mit seinem Bruder ein Ingenieurbüro. Nebenbei ist er als Deutschland-Chef der ICC Teil einer Troika, die sich anschickt, den russischen Kaviarmarkt zu erobern.

Russen schmeckt der eigene Kaviar nicht mehr

Kopf der in Bukarest registrierten Holding ICC ist Roland Schröder. Der ehemalige Aral-Manager ist in Rumänien bestens verdrahtet. Mit dem einstigen Boris Becker-Manager und Lokalmatador Ion Tiriac hat er einen Investor ins Boot geholt, der die Expansion finanziert. In der rumänischen Provinz züchten die Deutschen ihre Störe. Ein Teil wird in der Donau ausgesetzt, schließlich sei die ICC 2006 aus dem Naturschutzbund Eurosturio hervorgegangen, der sich der Aufforstung der Stör-Bestände in der Donau widmet, sagt Schröder. Die meisten Fische landen allerdings beim Schlachter in der Oberpfalz – und dann übernimmt Co-Gesellschafter Stephan Fittkau den Rogen.

Fittkau lebt seit drei Jahren in Russland und schwimmt buchstäblich wie ein Fisch in der High Society der russischen Metropole. Irgendwann hat der 44-Jährige festgestellt, dass "den Russen der russische Kaviar nicht mehr so richtig schmeckt". Als im Herbst die Importbeschränkungen für Kaviar gelockert wurden, gründete Fittkau in Moskau die ICC-Schwestergesellschaft Imperskaja Ikra Russia (IIR), die insbesondere den Vertrieb des teuren Zarenkaviars aus der Oberpfalz übernimmt.

Zuchtkaviar wird in Deutschland salonfähig

"Der Stör ist ein Ferkel", erklärt Fittkau bei Degustationen, "er frisst alles, was ihm in den Kiefer kommt." Deswegen sei Wildkaviar aus dem schmutzigen Kaspischen Meer nicht zwingend besser als Zuchtkaviar. Zumal viele russische Hersteller eine starke Prise Salz in den Kaviar mischen, was nicht jeden Gourmet begeistert. Mittlerweile hat Fittkaus Kaviar-Marketing Erfolg: Zumindest westeuropäisch geführte Fünf-Sterne-Hotels wie das Kempinski-Baltschug bestellen ihren Kaviar bei IIR.

Ungefährlich ist Fittkaus Vertriebsjob freilich nicht, denn im Grunde legt er sich mit der russischen Mafia an, die den Kaviarhandel bislang unter ihrer Kontrolle hat. "Wir operieren in einem anderen Qualitäts- und Kundensegment als die russischen Wettbewerber", sagt der Deutsche, der sich nicht in Gefahr für Leib und Leben wähnt. Trotzdem ist er in Moskau zumeist mit einem Personenschützer unterwegs.

Den Deutschen kommt zupass, dass der Zuchtkaviar mittlerweile salonfähig ist, allein die First-Class-Passagiere der Lufthansa verzehrten 2009 achteinhalb Tonnen eines italienischen Produzenten. Auch in der Moskauer Top-Gastronomie ist er akzeptiert. Nico Giovanoli, Director Food and Beverages im Fünf-Sterne-Hotel Kempinski Baltschug, kennt die unterschiedliche Qualität bei Kaviar von wilden Stören. Konsistenz und Zustand der Eier seien unterschiedlich, je nachdem in welchem Bereich des Eierstocks sie sich befinden, erklärt der Gourmet. Russische Produzenten aber rühren den Rogen zusammen. Natürlich gebe es auch bei Zuchtkaviar Qualitätsunterschiede, aber "meistens ist er geschmacklich näher dran an den Wünschen der Kunden", sagt Giovanoli, der es für einen Mythos hält, dass wilder Kaviar generell besser schmeckt als jener aus europäischen Zuchtbetrieben.

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