Managementcoach Stefan Wachtel im Wirtschaftsclub „Ich bin ein großer Wagenknecht-Fan“

Er mag das Graumäusige nicht und zu viel Authentizität erst recht nicht. Die gut geprobte Rolle ist ihm lieber. Stefan Wachtel coacht die Großen der Wirtschaft – und bringt sie vom Expertenmodus in den Executive Modus.

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Der Coach war zu Gast im Handelsblatt Wirtschaftsclub. Quelle: Bert Bostelmann für Handelsblatt

Frankfurt Sein Auftritt ist schillernd. Stefan Wachtel trägt keine klassischen dunkelblauen Anzüge wie die scheinbar uniformierten Banker und Berater. Sein Dress ist ein Statement. Der blaue Anzug ist knallblau, die Nadelstreifen sind extrem und die Krawatte changiert irgendwo zwischen Lila und Pink. Kein Wunder, denn der Management-Coach ist gegen das „Graumäusige“, gegen die Langeweile, aber auch gegen das Abgehobene, wie Handelsblatt-Ressortleiter Daniel Schäfer es auf den Punkt bringt.

Wachtel ist an diesem Abend zu Gast im Handelsblatt Wirtschaftsclub in Frankfurt. Der studierte Germanist und Sprachwissenschaftler stellt sein Buch „Executive Modus – 12 Taktiken für mehr Führungswirkung“ vor.

Wirkung ist das große Thema des Coaches. Das größte Problem vieler Manager? „Viele scheitern, weil sie im falschen Film sind“, so Wachtel. „Machen Sie sich bewusst, in welchem Film Sie spielen, proben Sie Ihre Rolle.“ Eine Rolle? Das macht Moderator und Gäste skeptisch. „Wir haben doch Jahrzehnte lang gelernt, dass wir authentisch sein sollen“, wirft Schäfer ein. Doch davon will Wachtel nichts wissen. Zu viel Authentizität schade nur. Komplett verstellen und verbiegen müsse man sich aber auch nicht. Es sei wichtiger, authentisch zu wirken als authentisch zu sein.

Schäfer hakt nach. Schließlich habe doch der große Schriftsteller Oscar Wilde einst gesagt: „Sei Du selbst, alle anderen sind schon vergeben.“ Wachtel kontert mit einer anderen Aussage des Iren. Der habe nämlich auch gesagt, dass die Natürlichkeit die schwierigste aller Posen sei. Auf die richtige Mischung komme es an, so Wachtel, die „richtige Balance zwischen Rolle und Authentizität“.

Und auf den richtigen Auftritt. „Was Menschen sehen, wenn sie andere beurteilen, ist der Schein“, so Wachtel. „Es ist nichts Unethisches daran, am Schein zu arbeiten.“ Der Experte für den perfekten Auftritt weiß, wer vor Menschen reden muss – ob bei einem Vortrag, seinem Team, der Vorstandssitzung oder auf der Hauptversammlung –, will Menschen begeistern und nicht betrüben oder einschläfern. Oder in seinen Worten: „Auch Erbsenzähler und Korinthenkacker mögen schöne Geschichten.“

Und deshalb kann Wachtel auch überhaupt keine selbsterklärenden Charts leiden. „Was soll das überhaupt sein“, fragt er die gut 100 Gäste. „Wie oft haben sie diesen Unsinn schon gehört?“ Irgendwie sei das aber typisch Deutsch. „Wir haben im Grunde zwei Eisenkugeln am Bein, die verhindern, dass wir weiterkommen“, sagt er. „Wir sind Experten, wir sind deutsch.“ Das Publikum lacht.


Spitzenmanager müssen Wirkung erzeugen

Wachtel plädiert dafür, den Expertenmodus zu verlassen. Weg vom streng Sachlichen, hin zum Persönlichen. So könne Kommunikation Wirkung erzeugen. Schließlich lassen sich die Zuhörer mit Anekdoten viel leichter fesseln als mit Charts. Apropos Anekdote: Wachtel erzählt von einem Wettbewerb von Elvis-Presley-Doubles. 17 Doubles seien damals angetreten und – einfach mal so zum Spaß – der King selbst. „Elvis wurde Vierter, drei andere schnitten besser ab“, so Wachtel. „Drei Männer waren als Elvis also authentischer als das Original.“ Solche Anekdoten kommen auch im Wirtschaftsclub an. Die Strategie geht auf.

„Was Sie nicht mit Menschen verbinden können, können Sie gleich weglassen“, sagt er. Das ist einer der vielen Ratschläge, wie Manager aus dem Experten in den Executive Modus wechseln können. Ein weiterer: Das Komplexe einfach machen. Statt komplizierter Präsentationen lieber eine einfache Botschaft, aber mit der dann bitte eine Flughöhe erreichen. „Beantworten Sie nicht einfach nur fragen, sprechen Sie über ein Thema“, so Wachtel. „Experten erläutern Sachverhalte, Executives machen Stimmung. Die Aufgabe von Spitzenmanagern besteht darin, Wirkung zu erzeugen.“ Am besten durch Überzeugung, daran arbeite er mit seinen Kunden. Hoffentlich nicht durch Überreden und bloß nicht durch Manipulation.

Immer wieder geht Wachtel zum Flipchart. Darauf stehen die Punkte, die es noch zu beachten gibt: von stumpf zu pointiert beispielsweise oder von herkömmlich zu attraktiv. Und dann natürlich die Fallhöhe, immer wieder die Fallhöhe. Aber was ist das überhaupt? Wann ist sie erreicht. Schäfer nennt einige Beispiele: Ein Börsenchef, der sagt, die Fusion sei von Gott gewollt? „Ja, das hat Flughöhe, aber ein bisschen zu viel“, lacht Wachtel. Und wie sieht es mit Merkels „Wir schaffen das!“ aus? Auch ihr attestiert der Profi Flughöhe, hinter dieser Aussage habe pure, evangelische Ethik gesteckt. „Sie hat den Satz nur viel zu lange nicht erklärt“, so Wachtel.

Ob er Manager mit Vorbildcharakter nennen können? Politiker sind dem Managercoach da lieber, um nicht die eigenen Klienten loben zu müssen. Die Überraschung: „Ich bin ein großer Wagenknecht-Fan“, sagt Wachtel. Dabei gehe es nicht um die politische Richtung der Linken-Fraktionschefin im Bundestag. „Sie ist rhetorisch einfach großartig“, lobt Wachtel.

Authentisch oder lieber nicht? Darüber wurde auch im Anschluss an das Clubgespräch noch lange diskutiert. Denn es sind keinesfalls alle Gäste Wachtels Meinung. Doch Coach ist überzeugt: Das Geprobte erscheine oft authentischer als das Authentische. „Wir lieben das Authentische“, so Schäfer. „Es bringt uns mitunter großartige Schlagzeilen.“ Doch genau das will Wachtel eben verhindern: Dass seine Kunden einfach losplappern und sich – allzu offen und wahrhaftig – um Kopf und Kragen reden.

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