
Zwischen den tristen Werkshallen und Bürogebäuden ist es kalt und ungemütlich, doch Mohsen Sohi schafft zumindest menschliche Wärme. Einer Mitarbeiterin streckt der Chef des Familienkonzerns Freudenberg die Hand zum Gruß entgegen, freundlich fragt er: „Wie geht’s?“ So geht es weiter beim Gang über das Firmengelände in Weinheim bei Mannheim. Sohi winkt, grüßt, nickt, lächelt. Dabei wirkt der Amerikaner wie einer, der dazugehört, der ein Teil der großen Familie Freudenberg ist.
Der Geist der Eigentümer ist in Weinheim allgegenwärtig. Sohi sagt, dass er als von der Familie eingesetzter persönlich haftender Gesellschafter noch „einen Tick umsichtiger“ handle denn zuvor als angestellter Manager. In Büros und Fabrikhallen des Freudenberg-Reichs hängen die Grundsätze, nach denen die Mitarbeiter handeln sollen, jeder bekommt sie am ersten Arbeitstag.
Auf Bescheidenheit, Ehrlichkeit, ein solides finanzielles Fundament und die Fähigkeit, sich Veränderungen anzupassen, hat Gründer Carl Johann Freudenberg seine Söhne schon 1887 verpflichtet. 1849 hatte er mit einer Gerberei mit 50 Mitarbeitern losgelegt, aus ihr ist ein weltweit aktiver Mischkonzern geworden, mit 7,6 Milliarden Euro Umsatz und 48.000 Mitarbeitern.
Die Erfolgsfaktoren der Familie Freudenberg
Schon Kinder lernen das Unternehmen spielerisch kennen, später gibt es regelmäßige Informationstreffen.
Persönliche Treffen und ein Internetportal halten die Familie auf dem Laufenden.
Eine lautet: „Wer in der Firma arbeiten will, muss sich erst extern beweisen“.
Solide Finanzen und Anpassungsfähigkeit forderte der Gründer schon 1887.
Etwa 40 Prozent der Erlöse stammen aus dem Geschäft mit der Autoindustrie, zwei Drittel aller Autos auf der Welt fahren mit Innenraumfiltern von Freudenberg, der Konzern ist Weltmarktführer bei Dichtungen für Autos. Dichtungen liefert er auch für die Öl- und Gasindustrie, zudem produziert er Trennmittel für Gummibären, Medizinprodukte und Spezialschmierstoffe; auch der Haushaltswarenhersteller Vileda gehört zum Konzern.
Mit dem Unternehmen ist auch die Zahl der Eigentümer gewachsen. Freudenberg gehört heute 320 Erben – vom Biologen über Anwälte und Banker bis zum Künstler. Und doch soll die Familie mit einer Stimme sprechen; Streit zwischen Gesellschaftern soll niemals die Zukunft des Konzerns gefährden.
Alles zu tun, damit das funktioniert, ist die Aufgabe von Martin Wentzler. Der Rechtsanwalt ist mit dem Unternehmen aufgewachsen, sein Vater war persönlich haftender Gesellschafter, seine Mutter Mitglied des Gesellschafterausschusses, sein Großvater Richard Freudenberg führte den Konzern fast vier Jahrzehnte. „Das Unternehmen war permanent Gesprächsthema in der Familie, wir Kinder sind sehr früh damit in Berührung gekommen“, sagt Wentzler. Praktika haben die Beziehung intensiviert.
Heute ist der Ururenkel des Firmengründers der wichtigste Vertreter der Familie in zwei mächtigen Gremien. Er leitet den Aufsichtsrat und sitzt dem Gesellschafterausschuss vor. Mindestens sieben der zwölf Mitglieder des Ausschusses müssen aus der Familie stammen, sie überwachen, beraten und pflegen den Kontakt zum Unternehmen. Wichtige strategische Entscheidungen müssen den Ausschuss passieren. Konzernchef Sohi muss ihn etwa dann befragen, wenn er mehr als 15 Millionen Euro für einen Zukauf ausgeben oder mehr als zehn Millionen Euro in eine der weltweit 200 Freudenberg-Fabriken investieren will.
Feste Regeln sind wichtig, um die weitverzweigte Familie im Sinne des Unternehmens zu organisieren. Einmal im Jahr trifft sich der ganze Clan zur Gesellschafterversammlung, sie beginnt immer freitags um zwölf Uhr und endet sonntags um die gleiche Zeit. Sohi und Wentzler informieren dann über die Entwicklung des Unternehmens und beantworten Fragen zu dessen Strategie, der sozialen Verantwortung und – nicht ganz unwichtig – zur Höhe der nächsten Ausschüttung. Traditionell trifft sich die Familie zum Brunch im Hermannshof, dem Haus des Sohnes des Gründers, sie besichtigt Fabriken, und für die Kinder gibt es eine Abenteuertour.





Viele Erben leben in der Welt verstreut, etliche wohnen in den USA und Großbritannien, einzelne hat es aber auch nach Kanada, Kenia, Schweden, Hongkong und Vietnam verschlagen. Um die Bindung aufrechtzuhalten, gibt es regionale Treffen, Wentzler selbst hat zuletzt mit 70 Gesellschaftern Standorte rund um Boston besichtigt.