Followfood Wie sich ein Fischproduzent neu erfand

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Beerdige dein Geschäftsmodell rechtzeitig

Die Geschichte beginnt an einem Wintertag vor zehn Jahren. „Die Erkenntnis, dass es so nicht weitergehen kann“, sagt Knoll, habe ihn im Dezember 2007 ereilt. Er hatte sich damals mit seinem ehemaligen Studienfreund Butsch zum Experten für Fischimporte aus Russland hochgearbeitet. Zander stand auf ihrer Liste ganz oben, ein Brot-und-Butter-Fisch von Gastronomie und Handel, keine besonderen Probleme, keine besondere Perspektive. Der Markt galt für mittlere Unternehmen als undankbar, Zander war nun auch nicht der Hype-Fisch. Butsch und Knoll hätten wohl am besten gelegen, wenn sie an einen größeren Spieler verkauft hätten. Sie entschieden sich, umzubauen, setzten auf den einzigen Bereich im deutschen Lebensmittelmarkt, der seit der Jahrtausendwende kontinuierlich wächst: nachhaltig erzeugte Nahrung.

Ein befreundeter Pilot brachte Knoll auf die Idee. „Na?“, will Knoll diesen bei einer Begegnung gefragt haben, „wie viel Kerosin hast du heute mal wieder in die Luft geblasen?“ Der Freund frotzelte zurück: „Und du? Welcher Fischart hast du endgültig den Garaus gemacht?“ Schließlich schwemmten schon seinerzeit Studien und Warnungen die Märkte, die Fischwirtschaft gehe so räuberisch mit den Reserven um, dass die Bestände kollabieren. In Knoll wuchs die Idee des nachhaltigen Fangs. Bei einem Treffen der Branche stellte er sie vor. Ziel: eine zu 100 Prozent nachhaltige Fischmarke zu gründen. Fisch ohne Beifang. Fisch, der die Bestände erhält. Fisch, der, wenn er schon gezüchtet ist, ohne Pharmazeutika auskommt. Die Branche antwortete: klappt nie.

Knoll und Butsch stießen ihr Russland-Geschäft dennoch ab und gründeten ihr Unternehmen neu. Statt einfach Fisch zu verkaufen, boten sie den Kunden von Beginn zwei Dinge: das Versprechen, jeden Fisch nachhaltig zu fangen und das auch zu dokumentieren. Und die Auswahl an Bestsellern wie Thunfisch, Lachs, Fischstäbchen und Kabeljau. Die Antwort der beiden an die skeptische Branche: Zwei Millionen Kunden allein im vergangenen Jahr, ein zweistelliges Umsatzwachstum auf mehr als 44 Millionen Euro.

Welche Fische auf den Teller dürfen
Fische Quelle: dpa
Greenpeace Fisch-Einkaufsratgeber Quelle: dpa
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Fischzucht Forellen und Störe Quelle: dpa/dpaweb
lachs Quelle: AP
Karpfen Quelle: AP
Dorade Quelle: dpa

Der Blick aus Knolls glasumrandetem Büro in Friedrichshafen fällt zwar nur auf den Bodensee. Und doch ist Knoll ein Mann für das Meer. Darauf deutet nicht nur der zum Konferenzraum hochgerüstete Schiffscontainer in der Zentrale hin, sondern auch Knolls Reiseplanung: „Ich bin von uns beiden Gründern eher der Typ, der im Winter auf die Malediven fliegt.“ Und weil nicht alle Kunden können, was er kann – nämlich dort die Herkunft seines Thunfischs recht lückenlos kontrollieren –, steht ganz am Anfang von Knolls Neustart eine technische Neuerung für den Lebensmittelbereich.

Deutsche Lebensmittelkonzerne funktionieren in der Regel ja so: Sie geben sehr wenig Geld für den Kauf ihrer Rohstoffe aus, allerdings sehr viel dafür, um zu verschleiern, woher diese kommen. Bei Followfood soll es andersherum sein. Dafür nehme man: das Internet. Und zuverlässige, lang gebundene Zulieferer. Letztere geben nach dem Fang ein, wo dieser erfolgte. Ergänzen Fangmethode und Zeit.

Die Followfish-Datenbank versieht den Fang mit einem Code, der später auf die Verpackung gedruckt wird. Gibt der Kunde diesen Code in seinen Webbrowser ein, kann er per GPS-Ortung die Geschichte seines Fisches erfahren. Auf einmal liegt da kein anonymes Fischstäbchen mehr auf dem Teller, sondern Fisch mit Vergangenheit.

Das System lebt vom Vertrauen der Kunden, darin, dass weder Knolls Mannschaft noch die Fischer vor Ort betrügen. Doch das ist weit mehr als in der Branche üblich. Und so bringt es dem Hersteller sogar Lob von einschlägigen Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace, die den Followfish als nahezu einzigen Markenfisch zum Verzehr empfehlen. Mehr als eine halbe Million Euro hat Followfood allein der Aufbau der Technik gekostet. Aber: Ohne das wäre Knoll wohl vom Markt verschwunden.

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