
Die Hamburger Kanzlei TPW Todt & Partner ist auf Diskretion bedacht. Geschäftliche Daten ihrer Mandanten sind ebenso geheim wie sensibel und sollen bloß nicht in falsche Hände fallen. Um den Schutz zu garantieren, beauftragten die Wirtschaftsprüfer IT-Experten damit, ihre Abwehrsysteme auf den neuesten Stand zu bringen. An nur einem Tag installierten die Experten ein System des Herstellers Intra 2 Net, das alle E-Mails an die rund 250 Mitarbeiter schon vor Eintritt in das Firmennetzwerk auf Gefährlichkeit und Leumund des Absenders prüft. Angenehmer Nebeneffekt: Das Programm filtert zusätzlich fast alle unerwünschten Werbesendungen (Spam) aus. „Wir haben eine Lösung gefunden, die Effizienz und Sicherheit unserer Kommunikation optimiert“, sagt Thomas Mattheis, Gesellschafter und Partner der Kanzlei.
Vor wenigen Jahren noch war es undenkbar, dass sich ein verschwiegenes Unternehmen wie TPW Todt öffentlich dazu äußert, dass es sich mit der Abwehr digitaler Angreifer überhaupt beschäftigt. Manager jenseits der Technikabteilung fühlten sich entweder nicht betroffen oder wollten das Vertrauen ihrer Kunden nicht aufs Spiel setzen. Mittlerweile sind sie offener, denn die Einschläge kommen immer näher. Nicht nur Großkonzerne, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen wissen inzwischen, dass sie bedroht sind.
„Fast jeder Firmenchef kennt inzwischen einen Betrieb, der bereits einen Sicherheitsvorfall hatte“, sagt Analyst Matthias Zacher vom IT-Marktbeobachter IDC aus Frankfurt. Sich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen ist kein Tabu mehr, sondern eine Pflichtübung. Auch für die Chefetage.
Die durch Cyberkriminelle verursachten Schäden werden immer größer. 37 Prozent aller deutschen Unternehmen verloren während der vergangenen zwölf Monate wenigstens einmal Geschäftsdaten, jeder Fall kostete im Durchschnitt 558.000 Euro. Das geht aus der Studie Global Data Protection Index hervor, die die Marktforscher von Vanson Bourne für den amerikanischen IT-Anbieter Dell EMC erstellt haben.
Häufigste Ursache für Verluste und IT-Ausfälle waren Angriffe von außen, von denen weltweit fast ein Viertel aller Unternehmen betroffen war. Ein großes Risiko sind aber auch Attacken von innen. Ehemalige Angestellte und Dienstleister mit Systemzugriff sind ebenso gefährlich wie arglose Mitarbeiter, deren Laptops Cyberkriminelle infizieren, um sich Zugriff auf die IT des Unternehmens zu verschaffen. Zählt man all diese Fälle hinzu, sind sogar 36 Prozent der Unternehmen betroffen. Und jeder kann ein Opfer sein.
Angriffsziele von aufsehenerregenden Cyberangriffen
Im Dezember 2015 fiel für mehr als 80.000 Menschen in der Ukraine der Strom aus. Zwei große Stromversorger erklärten, die Ursache sein ein Hacker-Angriff gewesen. Es wäre der erste bestätigte erfolgreiche Cyberangriff auf das Energienetz. Ukrainische Behörden und internationale Sicherheitsexperten vermuten eine Attacke aus Russland.
Im Februar 2016 legt ein Erpressungstrojaner die IT-Systeme des Lukaskrankenhauses in Neuss lahm. Es ist die gleiche Software, die oft auch Verbraucher trifft: Sie verschlüsselt den Inhalt eines Rechners und vom Nutzer wird eine Zahlung für die Entschlüsselung verlangt. Auch andere Krankenhäuser sollen betroffen gewesen sein, hätten dies aber geheim gehalten.
Ähnliche Erpressungstrojaner trafen im Februar auch die Verwaltungen der westfälischen Stadt Rheine und der bayerischen Kommune Dettelbach. Experten erklären, Behörden gerieten bei den breiten Angriffen eher zufällig ins Visier.
In San Francisco konnte man am vergangenen Wochenende kostenlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, weil die rund 2000 Ticket-Automaten von Erpressungs-Software befallen wurden. Laut einem Medienbericht verlangten die Angreifer 73 000 Dollar für die Entsperrung.
Im Mai 2015 fallen verdächtige Aktivitäten im Computernetz des Parlaments auf. Die Angreifer konnten sich so weitreichenden Zugang verschaffen, das die Bundestags-IT ausgetauscht werden. Als Urheber wird die Hacker-Gruppe APT28 vermutet, der Verbindungen zu russischen Geheimdiensten nachgesagt werden.
Die selbe Hacker-Gruppe soll nach Angaben amerikanischer Experten auch den Parteivorstand der Demokraten in den USA und die E-Mails von Hillary Clintons Wahlkampf-Stabschef John Podesta gehackt haben. Nach der Attacke im März wurden die E-Mails wirksam in der Schlussphase des Präsidentschaftswahlkampfs im Oktober 2016 veröffentlicht.
APT28 könnte auch hinter dem Hack der Weltdopingagentur WADA stecken. Die Angreifer veröffentlichen im September 2016 Unterlagen zu Ausnahmegenehmigungen zur Einnahme von Medikamenten, mit einem Fokus auf US-Sportler.
Ein Angriff, hinter dem Hacker aus Nordkorea vermutet wurden, legte im November für Wochen das gesamte Computernetz des Filmstudios lahm. Zudem wurden E-Mails aus mehreren Jahren erbeutet. Es war das erste Mal, dass ein Unternehmen durch eine Hackerattacke zu Papier und Fax zurückgeworfen wurde. Die Veröffentlichung vertraulicher Nachrichten sorgte für unangenehme Momente für mehrere Hollywood-Player.
Bei dem bisher größten bekanntgewordenen Datendiebstahl verschaffen sich Angreifer Zugang zu Informationen von mindestens einer Milliarde Nutzer des Internet-Konzerns. Es gehe um Namen, E-Mail-Adressen, Telefonnummern, Geburtsdaten und verschlüsselte Passwörter. Der Angriff aus dem Jahr 2014 wurde erst im vergangenen September bekannt.
Ein Hack der Kassensysteme des US-Supermarkt-Betreibers Target macht Kreditkarten-Daten von 110 Millionen Kunden zur Beute. Die Angreifer konnten sich einige Zeit unbemerkt im Netz bewegen. Die Verkäufe von Target sackten nach der Bekanntgabe des Zwischenfalls im Dezember 2013 ab, weil Kunden die Läden mieden.
Eine Hacker-Gruppe stahl im Juli 2015 Daten von rund 37 Millionen Kunden des Dating-Portals. Da Ashley Madison den Nutzern besondere Vertraulichkeit beim Fremdgehen versprach, erschütterten die Enthüllungen das Leben vieler Kunden.
Im Frühjahr 2016 haben Hacker den Industriekonzern Thyssenkrupp angegriffen. Sie hatten in den IT-Systemen versteckte Zugänge platziert, um wertvolles Know-how auszuspähen. In einer sechsmonatigen Abwehrschlacht haben die IT-Experten des Konzerns den Angriff abgewehrt – ohne, dass einer der 150.000 Mitarbeiter des Konzerns es mitbekommen hat. Die WirtschaftsWoche hatte die Abwehr begleitet und einen exklusiven Report erstellt.
Im Mai 2017 ging die Ransomware-Attacke "WannaCry" um die Welt – mehr als 200.000 Geräte in 150 Ländern waren betroffen. Eine bislang unbekannte Hackergruppe hatte die Kontrolle über die befallenen Computer übernommen und Lösegeld gefordert – nach der Zahlung sollten die verschlüsselten Daten wieder freigegeben werden. In Großbritannien und Frankreich waren viele Einrichtungen betroffen, unter anderem Krankenhäuser. In Deutschland betraf es vor allem die Deutsche Bahn.
Im April 2016 hat das nordrhein-westfälische Unternehmen Bartscher deshalb seine Sicherheitsvorkehrungen ausgebaut. Eine Spezialsoftware des Anbieters Trend Micro durchleuchtet Nachrichten und angehängte Dokumente für die 150 E-Mail-Konten des Anbieters von Großküchengeräten mit Sitz in Salzkotten bei Paderborn, und das deutlich intensiver als der obligatorische Virenscanner. Das Ergebnis zeigt, dass sich der Aufwand gelohnt hat. „Wir haben mehrere Angriffe rechtzeitig erkannt und die entsprechenden Mails geblockt“, sagt Niels Diekmann, Chief Information Officer von Bartscher.