Jobmotor Regelbruch als Erfolgsrezept für Mittelständler

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regelbrecher-grafik1 Quelle: WirtschaftsWoche

Der Pharmarevoluzzer hat mit seinem Regelbruch die Brüsseler EU-Kommission auf Trab gebracht. Noch in diesem Jahr soll eine Direktive das Verbot des Fremdbesitzes aufheben. Däinghaus hat als Unternehmer geschafft, was die Ordnungspolitiker seit Jahrzehnten vergeblich versucht haben: das geradezu mittelalterliche Zunftrecht für das Pharmageschäft zu Fall zu bringen.

Am nächsten Schritt, die Zunftordnung für die Ärzte zu knacken, arbeitet der Hamburger Regelbrecher Wolfgang Auffermann. Dem Neuroradiologen war die eigene Praxis, in der er seit 1993 mit Partnern praktiziert, zu klein geworden. „Ich wollte auch Unternehmer sein, war aber bis vor vier Jahren durch das Standesrecht stark beschränkt“, sagt Auffermann. 2004 fielen gleich mehrere Beschränkungen. Medizinische Versorgungszentren waren nun möglich. Für sie gilt nicht mehr das Verbot der Anstellung von Ärzten. Vor allem das Verbot der Beteiligung externer Investoren und der Gründung von überregional tätigen Gesellschaften wurde aufgehoben. Auffermann erkannte die Chance, stieg fast im Jahresrhythmus in bestehende radiologische Zentren in Krankenhäusern ein.

Heute betreibt Auffermanns Hanserad vier Zentren mit 12 Fachärzten und rund 80 weiteren Mitarbeitern. Der Radiologieprofessor ist viel unterwegs, sei es in der kalifornischen Hauptstadt Sacramento, wo das Partnerinstitut Radiological Associates of Sacramento zu Hause ist. Oder in Dubai, wo Auffermann mit einem saudiarabischen Kapitalgeber ein weiteres Radiologie-Zentrum aufbaut. Wie viel Tage er in der Welt herumgondelt, will Auffermann nicht verraten: „Dann bekomme ich wegen der Abwesenheit möglicherweise Ärger mit der kassenärztlichen Vereinigung.“

Wenn der Marktarzt über das Standesrecht und die Behinderungen für ärztliche Unternehmer spricht, nimmt er kein Blatt vor den Mund: „Das Mittelalter lebt noch; in Deutschland knebelt uns das Standesrecht.“ Auffermann will mit Hanserad nicht nur unternehmerischen und ärztlichen Erfolg haben, er sieht den Radiologie-Dienstleister auch als Vehikel zur Liberalisierung der Branche. Die grundsätzlich erzwungene Aufspaltung zwischen ärztlichen Praxen und stationärer Krankenhausversorgung bezeichnet der Medizinrevoluzzer als „sinnlose Struktur, die die Verschwendung knapper Mittel begünstigt“.

Hanserad, sagt Auffermann, ermöglicht dem Patienten den Zugang zu der Expertise von fast 100 Spezialisten weltweit – das Internet macht die Fernbegutachtung in hoher Auflösung möglich. „Kleine Radiologiepraxen haben vielleicht zwei oder drei Spezialisten, es gibt aber mehr als ein Dutzend Fachgebiete.“ Hinzu kämen Größenvorteile, die Einschränkung von Nachtdiensten, weil nachts die Kollegen in Sacramento die Begutachtung übernehmen, und die verbesserten Abläufe eines professionellen Dienstleisters. Die kleinen, von Krankenhäusern unabhängigen Radiologen haben nach Auffermanns Einschätzung langfristig ohnehin keine Überlebenschance.

Und seine eigene Zukunft? Zurzeit ist der Mediziner auf der Suche nach weiteren Radiologiezentren – und nach Heuschrecken: „Unsere Expansion wollen wir mit Private Equity finanzieren.“

Urvater des unternehmerischen Kampfes gegen ständisch verkrustete Strukturen war der Optikrevolutionär Günther Fielmann, der in den Achtzigern das Augenoptikergewerbe aufmischte, indem er den Zwischenhandel umging und gesetzlich versicherten Patienten Designerbrillen ohne Zuzahlung bot.

Fielmann setzte auf das Filialkonzept und betreibt heute rund 600 Filialen mit rund 11.000 Mitarbeitern. Die Konkurrenz, zum ersten Mal mit marktüblichem Wettbewerb konfrontiert, entfachte einen „Schmutzkrieg“ (Fielmann) gegen den Unternehmer, agierte mit gefälschten Beschwerdebriefen und Prozessen – was den durchaus streitfreudigen Fielmann in seiner Haltung nur noch bestärkte. „Ohne den Ärger“, sagt Fielmann, „hätte ich nie die Kraft gehabt, das zu schaffen.“

Nicht immer geht es um Revolution. Manchmal sind Regelbrecher auch stockkonservativ. Wie der Fernsehbauer Metz: Das Nürnberger Familienunternehmen ist eine der drei Marken, die von einst über 30 Radio- und TV-Herstellern in Deutschland überlebte. Grundig ist wie Telefunken und Nordmende nur noch eine Marketinghülle, Saba lebt nicht mehr.

Metz hat überlebt, weil es an Strategien festhielt, die andere schon um 1970 aufgegeben haben: den Vertrieb ausschließlich über den klassischen Fachhandel und die Absage an Preisschlachten. Damit war es Metz möglich, weiterhin in Deutschland zu produzieren und nicht wie die Fernseher der meisten anderen Marken, die – versehen mit Kampfpreisen – in den Regalen von Saturn, Media Markt & Co. stehen, verramscht zu werden.

Anders als in den großen Konzernen entscheiden nicht geschniegelte Marketingmanager über die Lancierung eines Produktes, sondern die Chefin selbst. Helene Metz, 83, Witwe des Gründers Paul Metz, unter dessen Bild in der Zentrale „Der eiserne Paul“ steht, überließ das Tagesgeschäft in den vergangenen Jahren zwar zunehmend dem 45-jährigen Geschäftsführer Norbert Kotzbauer, behält sich aber bei wichtigen Entscheidungen das letzte Wort vor.

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