Frank Heinricht sitzt vor einem großen Firmenplakat seiner Firma Schott Glas und spricht von Honig. Nicht, weil der gelernte Physiker sich im Alter von 59 Jahren doch noch als Imker betätigen will, sondern weil er versucht zu erklären, wie das alles denn nun funktioniere mit dem klappbaren Glas. Die Konsistenz des Glases, sagt Heinricht, sei eben vergleichbar mit der von Bienenhonig.
Schott sieht sich auf dem Feld als Innovationsführer. Das Glas der Firma wird unter anderem von Samsung in seinen neuen Klapp-Smartphones verbaut. Und laut Heinricht geht es jetzt erst richtig los mit der Technik. Denn biegbares Glas sei auch bei anderen Produkten auf dem Vormarsch. Doch die Konkurrenz holt bei der anspruchsvollen Technik auf.
In Mainz forschen sie seit mehr als zwölf Jahren daran, das Faltglas dünner, robuster und flexibler zu machen. Damals war das iPhone noch immer eine Neuheit. Während das Apple-Smartphone nun bereits in die 13. Generation geht, hat sich die Welt der Mobiltelefone drastisch weiterentwickelt. Fast jeder besitzt heute ein Smartphone, mit dem er surfen und telefonieren kann, und von anfangs kleinen Modellen sind immer größere Versionen entstanden – so groß, dass Hersteller irgendwann dachten, es sei doch ganz klug sie wieder klappen zu können, wie das damals beispielsweise beim legendären Kult-Handy Razr von Motorola der Fall war. Und genau da sieht Schott gerade einen Millionenmarkt für sich entstehen.

Smartphone-Displays, die sich klappen und biegen lassen, sind da nur eine Einsatzmöglichkeit. Im Interview mit der WirtschaftsWoche schwärmt Schott-Chef Heinricht auch von Tablets und von Uhren, bei denen sich das Glas auf spektakuläre Weise biegen lässt, ohne zu brechen oder von Laptops, die einfach so einen doppelt so großen Bildschirm bekommen, wenn man sie aufklappt. Mittlerweile macht das Unternehmen mit der neuen Sparte einen zweistelligen Millionenumsatz bei ebenfalls zweistelliger Marge, Prognose für die kommenden Jahre: ein dreistelliger Millionenbetrag.
„Das ist dann wie, wenn sie Honig abziehen, nur eben bei 1400 Grad“
Schott bezeichnet sich selbst als aktuell führend auf diesem Markt, auch weil man die Technologie besser beherrsche als die Konkurrenz – zumindest noch. In der Produktion braucht Schott einen großen Tank mit einer zähen Masse aus Rohstoffen. Maschinen ziehen daraus eine hauchdünne Schicht von 30 und 40 Mikrometer, also ein Durchmesser wie ein Haar. So, als würde man mit einem scharfen Messer die oberstes Schicht beim Honig abstreichen, „nur eben bei 1400 Grad und absolut präzise“, sagt der Schott-Chef. Anschließend erkaltet das Glas, wird zurecht geschnitten und in die Welt verschickt, wo es beispielsweise Samsung heute in seinen Smartphones verbaut. In welchen, darüber schweigt Schott.
So gut die Erfolgsstory aus Mainz klingt und so gern sie Heinricht auch erzählt: Sie steht noch ganz am Anfang. Die Sparte macht aktuell nur einen Bruchteil des Umsatzes von 2,5 Milliarden Euro aus, die das Unternehmen erwirtschaftet. Der Großteil kommt bis heute aus den Bereichen Pharma, wo Schott unter anderem die Fläschchen für die Corona-Impfstoffe herstellt – was aber vor allem gut für die Aufmerksamkeit und nicht unbedingt fürs Geschäft war. Die Firma litt wie andere auch unter den üblichen Problemen wie kurzfristigem Stillstand. „Alle dachten, das muss für uns wie geschnitten Brot gelaufen sein, aber da gab es durchaus Herausforderungen“, sagt Heinricht.
Das zweite große Standbein ist Ceran. Mit der Marke ist der Spezialglashersteller vor rund 50 Jahren berühmt geworden, der Namenmarke ist heute gängige Bezeichnung für die glatten Spezialglasflächen auf dem Herd, welche die alten Kochplatten abgelöst haben.
Die Konkurrenz bastelt bereits an ähnlichen Produkten
Ceran und Pharma wachsen aber auf Dauer nicht stark genug, weshalb sie froh sind über den neuen Umsatztreiber, der da gerade heranwächst. Nicht nur Schott arbeitet an solch innovativen Lösungen, sondern auch die Konkurrenz, beispielsweise Corning, die mit dem Gorilla-Glas – der Werbung nach besonders sturzfest – zuletzt große Erfolge feiern konnten. Um langfristig nicht in einen Preiskampf zu geraten, setzen sie in Mainz deshalb auf mehr Innovation; noch dünner, noch biegsamer, noch technisch anspruchsvoller soll alles sein, erklärt Heinricht.
Einen Vorteil hat das Unternehmen dabei gegenüber der Konkurrenz. Es gehört nicht Großaktionären oder vielen Aktionären an der Börse, die jedes Quartal eine Gewinnsteigerung sehen wollen. Vielmehr gehört Schott seit über 100 Jahren zur Carl-Zeiss-Stiftung. „Wir sind nicht die Oase der Glückseligkeit. Auch wir können uns natürlich keine großen Fehler leisten, aber man ist geduldiger, wenn es um neue Ideen geht“, sagt Heinricht.
Oftmals sind Innovationen eben ein langer Weg – und bis sie es in den Markt schaffen erst recht. Danach gefragt, ob er selbst denn schon ein Klapp-Smartphone in der Tasche hat, muss Heinricht kurz schmunzeln. Natürlich könnte er jetzt lügen, sagen, dass es das Beste sei, was ihm je passiert ist und es im Dauereinsatz wäre. Doch Heinricht ist auf dem Boden geblieben, verneint: Das Diensthandy ist noch ein klassisches Smartphone.
Mehr zum Thema: Der Glasspezialist Schott ist Weltmarktführer für Kochplatten. Für Wachstum sorgen dürften in nächster Zeit vor allem die Produktion von Fläschchen für einen Coronaimpfstoff – und ein chinesisches Regierungsprogramm.