Migranten als Gründer Vom Döner-Verkäufer und Baumogul

Ob im Gastgewerbe, Handel oder auf dem Bau: Während in Deutschland die Zahl der Unternehmensgründungen seit Jahren zurückgeht, beleben Migranten die Gründerszene. Und schaffen dabei zehntausende Jobs.

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„Die Selbstständigkeit kostet gerade einmal 20 Euro.“ Quelle: dpa

Gera/Horb Gökhan Kilic hat als Animateur gearbeitet, als Tanzlehrer und Döner-Verkäufer. Seit einigen Jahren ist der Kurde Bauunternehmer im ostthüringischen Gera mit derzeit 13 Beschäftigten. „Ich bin 2003 nach Deutschland gekommen und wollte immer auf eigenen Beinen stehen“, erzählt der 33-Jährige.

Deswegen hat sich Kilic rasch selbstständig gemacht - zunächst mit einem Döner-Imbiss, später als Eisenflechter. Während das Interesse an einer Firmengründung in Deutschland seit Jahren abnimmt, bereichern nach Experteneinschätzung Migranten immer häufiger das Wirtschaftsleben. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) schätzt für seinen Zuständigkeitsbereich, dass sie voriges Jahr bis zu 50.000 neue Jobs geschaffen haben.

„Die Selbstständigkeit kostet gerade einmal 20 Euro“, sagt Kilic. So viel habe er für den Gewerbeschein gezahlt. Ansonsten habe ihm vor allem die deutsche Sprache anfangs Probleme gemacht, und es sei schwer gewesen, sich im Dickicht der Bürokratie zurechtzufinden. „Letztlich muss man aber etwas wagen, auf seine eigenen Gefühle hören und vor allem kämpfen.“

In Deutschland wurden voriges Jahr knapp 572.000 Unternehmen neu gegründet - ein Minus von 2,4 Prozent im Vergleich zu 2014, wie aus jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Von den fast 462.000 Einzelunternehmern war mehr als jeder Vierte ein Ausländer. Bei den Neugründungen insgesamt ist der Migrantenanteil von 11,2 Prozent im Jahr 2000 auf fast 26 Prozent 2014 gestiegen. Für 2015 liegen hierzu noch keine Zahlen vor.

„Ihr Anteil in den Beratungen für Existenzgründer wächst seit Jahren“, berichtet Marc Evers, Fachmann für Mittelstand und Existenzgründung beim DIHK. Lag er 2007 bei den IHKs bei 14 Prozent, seien es 2014 schon 19 Prozent gewesen. „Das Unternehmertum wird von Migranten mehr und mehr als Option gesehen.“

Ihr Augenmerk liege vor allem auf Gastgewerbe und Handel, wo sie überdurchschnittlich stark vertreten seien. Mit 31 Prozent besonders hoch sei ihr Anteil in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Auch im Osten, wo vergleichsweise wenige Ausländer leben, sei die Migrantenquote in den Beratungen für Existenzgründer mit 17 Prozent beachtlich.

Als Gründe führt Evers an, dass Migranten häufiger als Deutsche von Arbeitslosigkeit betroffen seien und es ihnen an Alternativen fehle. Zum anderen beobachte er einen stark ausgeprägten Unternehmergeist. Sie oder ihre Elterngeneration hätten ihre Zukunft selbst in die Hand genommen und ein neues Leben fern der alten Heimat begonnen. „Das setzt Mut und Bereitschaft zur Veränderung voraus - Eigenschaften, die man auch als Unternehmer gut gebrauchen kann.“


„Syrer? Nein, danke“

Zwei, die noch gegen die anfänglichen Hürden auf dem Weg in die Selbstständigkeit kämpfen, sind die Syrer Alaa Eddin AlJabara (30) und Abdul Rahim Khalaf (45). Sie wollen im baden-württembergischen Horb am Neckar einen Lieferservice syrischer Gerichte in Bio-Qualität anbieten und auf Wunsch auch bei Kunden daheim kochen. Das Konzept steht, professionelle Fotos für Flyer und Internet sind gemacht – aber sie finden keine geeignete Küche, die sie mieten können. Geschweige denn eine Wohnung – bisher wohnen sie in einer Flüchtlingsunterkunft. „Syrer? Nein, danke“, schildert AlJabara die Reaktion potenzieller Vermieter.

Mit der ehrenamtlichen Flüchtlingshelferin Eva Michielin haben sie eine Mentorin gefunden. Sie hat sich bereiterklärt, das Unternehmen zu gründen und die beiden Syrer zu beteiligen. AlJabara und Khalaf, der schon vier Jahre lang in einem syrischen Flüchtlingscamp gekocht hat, setzen große Hoffnung auf sie. Michielin ist Chefin einer mittelständischen Firma und weiß von „massiven Hürden“, wenn man einen Flüchtling in der Firma einstellen will. „Aber unternehmerisch tätig zu werden, kann man niemandem verbieten“, sagt sie.

Generell haben Migranten mit ähnlichen Problemen wie deutsche Existenzgründer zu kämpfen. Bauunternehmer Kilic berichtet etwa von schlechter Zahlungsmoral im Baugewerbe. Sein Betrieb ist als Subunternehmen tätig, derzeit etwa auf Baustellen in Jena und Berlin. 2014 - damals hatte er in Spitzenzeiten 67 Mitarbeiter - sei seine Firma in eine arge Krise gerutscht, weil ein Auftraggeber nicht gezahlt habe. Zudem sei es schwierig, hierzulande Mitarbeiter für die schwere Arbeit auf Montage zu finden, erzählt er. Deswegen arbeiteten für ihn vor allem Polen, Griechen und Rumänen.

„Manche haben die Vorstellung, als Unternehmer Millionär zu werden - das kann man vergessen“, betont Kilic. Trotz mancher Rückschläge bereue er den Schritt in die Selbstständigkeit nicht. Für dieses Jahr ist er optimistisch - 2016 sei gut angelaufen und ab April und Mai rechnet er mit einem verstärkten Auftragseingang. Zeitweise werde er die Mitarbeiter wohl auf bis zu 40 aufstocken. Zudem hält Kilic nach weiteren Geschäftsfeldern Ausschau: „Wenn ich die Chance bekomme, möchte ich mein Unternehmen in Richtung Rohbau vergrößern.“

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