Mutige Investitionen Mittelstand stürzt sich ins 3D-Druck-Abenteuer

3D-Druck ist nur etwas für Großkonzerne? Von wegen: Immer mehr kleine und mittlere Unternehmen nutzen die neue Technik - und stellen Prozessketten auf den Kopf. Von Tüftlern, Netzwerkern und mutigen Investoren.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der Kunststoff-Ventilatoren-Hersteller Hürner-Funken testet seit Jahresanfang, was mit dem hauseigenen 3D-Drucker möglich ist. Erste gedruckte Teile sind schon bei Kunden im Einsatz. Quelle: Presse

Die Dämpfe sind schneidend heiß. Ein einziger Atemzug genügt, die Lungen zu verätzen. Wären da nicht die großen Absaugglocken, in denen sich die Industrieventilatoren von Hürner-Funken drehen. Mit nur gut 100 Mitarbeitern sorgt der Betrieb aus Mücke-Azenhain bei Gießen dafür, dass in Deutschlands Chemie- und Pharmafabriken ein sauberes Lüftchen weht.

Selbst Edelstahl wird von den aggressiven Dämpfen zerfressen. Jeder Auftrag ist eine Spezialanfertigung. „Wir fertigen rund 10.000 Ventilatoren im Jahr“, sagt Hermann Mauch, technischer Geschäftsführer des Unternehmens. Die meisten davon sind Sonderanfertigungen.

Hürner-Funken ist einer jener hochspezialisierten  Betriebe, die den deutschen Mittelstand zu dem machen, was er ist: Weltmarktführer in vielen Nischen.

Auswahl von 3D-Druck-Verfahren

Doch damit das so bleibt, brauchen die Betriebe einen Innovationsvorsprung vor der Konkurrenz. Das ist Mauch gerade erneut gelungen - mit einem 3D-Drucker, der seit Januar in der Entwicklungsabteilung steht.

Das Besondere: Es handelt sich nicht um ein großes Gerät. „Einen 160.000 Euro teuren 3D-Drucker hätten wir uns nie leisten können“, sagt Mauch. 

3-Drucker gelten als die Technologie der Zukunft. Anhand einer drei-dimensionalen Computerdatei bauen die Drucker Tröpfchen für Tröpfchen komplexe Objekte auf. Konstrukteure müssen keine Rücksicht mehr darauf nehmen, was sich nach dem Guss eines Metallstück herausfräsen oder bohren lässt. Die gewünschten Hohlräume werden einfach mitgedruckt.

Große Fortschritte großer Firmen

Der Nachteil der Super-Maschinen: Sie sind sehr teuer. Ein professioneller Kunststoff-Drucker kostet mindestens 100.000 Euro, ein Metalldrucker leicht mehrere hunderttausend Euro. Darin schmelzen Hochleistungslaser Schicht für Schicht aus pulverisiertem Metall einen festen Körper. Technologieriesen wie Siemens oder General Electric nutzen solche Hightech-Schmelzöfen in ihren Laboren, um Triebwerke und Brennerdüsen zu entwerfen. Die ersten gedruckten Brennerdüsen von GE kommen im A320 zum Einsatz.

Mehrere Jahre Forschungsarbeit einer rund 100-Mann starken Entwicklungsabteilung stecken in solchen Bauteilen. Ist 3D-Druck somit nur den finanzstarken Großkonzernen vorbehalten? Sind Deutschlands sonst so findige Mittelständler von der technologischen Revolution abgeschnitten?

Ist 3D-Druck eine Technologie für Reiche?

Weit gefehlt. Die folgenden vier Beispiele zeigen, wie sich kleine und kleinste Betriebe trotz beschränkter finanzieller Mittel Zugang zur neuen Hochtechnologie verschaffen und welche Teile sie damit schon zur Einsatzreife gebracht haben. Hermann Mauch vom Ventilatoren-Hersteller Hürner-Funken etwa, verdankt einem Diplomanden, dass er nun doch einen eigenen 3D-Drucker besitzt. 

Bislang hatte Mauch den Drucker der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) in Giessen genutzt. Das kostete ihn pro Prototyp mehrere Tausend Euro und nicht selten war das Gerät belegt. Wartezeiten entstanden. Die Situation war unbefriedigend. Da hatte Mauch eine Idee.

Kleinen Drucker hochgerüstet


Da er selbst Lehrbeauftragter an der THM ist, wollte er im Rahmen einer Diplomarbeit nach einem Drucker zu suchen, der deutlich günstiger ist und dennoch die passende Qualität liefert. Und siehe da: Der Diplomand wurde fündig. Ein Gerät, nur wenige tausend Euro teuer und eigentlich für den Hausgebrauch konstruiert. „Wir haben vier Monate intensiv getestet und den Drucker verbessert“, sagt Mauch, „auch Verbesserungsteile am Drucker selbst wurden wiederum auf dem 3D Drucker gedruckt.“ Jetzt könne man auf einen Millimeter genau drucken. „Für unsere Zwecke reicht das aus.“

Mauch druckt seine Prototypen nun für wenige hundert Euro und innerhalb weniger Stunden selbst. Auftragsarbeiten, wozu er sensible Daten an Dritte weitergeben musste, gibt es nicht mehr.

Die selbstgedruckten Ventilatorenteile kann der promovierte Ingenieur sofort für aerodynamische und akustische Versuche nutzen. „Zeitaufwand und Kosten haben sich um den Faktor zehn reduziert“, schwärmt er. Einige Produkte aus dem Drucker sind schon beim Kunden im Einsatz.

Rührinstrument von Thaletec: Vor ein paar Monaten noch, existierte das emaillierte Teil nur in der Fantasie von Ingenieuren. Die Konstruktion war mit herkömmlichen Verfahren gar nicht möglich. Quelle: Presse

Harte Nuss für den Emaille-Spezialisten

Jürgen Reinemuth hatte ein spezielles 3D-Druck-Problem. Kein Wunder, denn die Firma Thaletec aus Thale in Sachsen-Anhalt, stellt hochspezielle Produkte her. Riesen wie Bayern und BASF bestellen bei Reinemuth emaillierte Lagertanks, Rührbehälter und Rührinstrumente, um damit Säuren und Laugen anzumischen. Emaille? Ja, genau, der Stoff, der dafür sorgt, dass Omas Keramikschüsseln so schön glänzen.

Wesentlich wichtiger für Reinemuth ist, dass er extrem beständig gegen aggressive Chemikalien und große Hitze ist. Der ideale Stoff also für Pharma- und Chemieküchen. Rund 30 Millionen Euro Umsatz macht Thaletec mit der Spezial-Emaille.

Der Rührer hat Hohlräume, durch die Kühlmittel fließen können. Quelle: Presse

Vor rund zwei Jahren wünschte sich ein Kunde einen besonderen Rührer. Er sollte von innen temperierbar sein und deshalb spezielle Hohlräume besitzen. Reinemuth musste ablehnen. "Das war für uns schlicht nicht ausführbar." Der promovierte Ingenieur wusste aber bereits um die Vorzüge von 3D-Druck-Verfahren. Einzig das passende Gerät und das passende Verfahren fehlte.

Thaletec besitzt zwar einen 3D-Drucker - doch der druckt nur Kunststoff und spuckt maßstabsgetreue, kleine Ausgaben der großen Rührorgane aus. Die eignen sich perfekt für Versuche im Labor und als Modell für die Vertriebsmitarbeiter, die damit Kunden viel besser erklären können, was Thaletec zu bieten hat. Bei seinem Spezial-Rührer-Problem brachte ihn der Plastik-Drucker aber nicht weiter.

Das fehlende Puzzleteilchen

Fündig wurde Reinemuth schließlich auf der Fachmesse Rapid-Tech in Erfurt: Das Selektiven Laser Schmelzverfahren - kurz SLM - sollte die Lösung bringen. Reinemuth: "Mir war sofort klar, dass wir damit endlich das fehlende Bindeglied zwischen 3D-Druck und einem potenziell emaillierten Substrat gefunden hatten."

Die Schwierigkeit beim Emaillieren besteht nämlich darin, einen Metallkörper zu schaffen, an dessen Oberfläche die dünne Glasschicht perfekt hält. Außerdem müssen Metall und Emaille-Schicht so aufeinander abzustimmen, dass sie sich bei Wärme und Kälte in gleichem Maß dehnen und zusammenziehen - sonst platzt das Emaille ab.

Zusammenarbeit mit Herstellern


Reinemuth tüftelte ein halbes Jahr lang mit dem Hersteller von Metallpulvern bis die passende Mischung gefunden war. Den eigentlichen Druck übernahm ein Dienstleister. Auch mit ihm fuhr Reinemuth so lange Testreihen, bis der perfekte Prozess stand. Ein immenser Aufwand. "Beim ersten Bauteil haben wir sicher nicht wirtschaftlich gearbeitet", gibt Reinemuth zu, "aber die Lernphase hat uns wichtige Erkenntnisse geliefert, auf die wir jetzt aufbauen können."

Auch ohne eigenen Metall-Laser-Drucker hat Reinemuth die Nuss geknackt und den emaillierten, temperierbaren Spezial-Rührer auf den Markt gebracht. Den Erfolg brachte die intensive Zusammenarbeit mit allen am Verfahren beteiligten - und die eigene Hartnäckigkeit.

Für Reinemuth zählt, dass er dank des aufgebauten 3D-Druck-Know-hows nun schnell und zu überschaubaren Kosten liefern kann. "Hätten wir das Teil - mal angenommen, es hätte sich überhaupt konstruieren lassen - händisch gebaut, wäre ein Mitarbeiter damit eine volle Woche beschäftigt gewesen. So haben wir für die Produktion im additiven Verfahren nur acht Stunden gebraucht".

Bohrer mit einem innenliegenden Kühlkanal. Quelle: Presse

Mutig investiert

Bei Mapal in Aalen auf der Ostalb steht bereits einer der Hightech-Schmelzöfen. Mit einem Jahresumsatz von angestrebten 500 Millionen Euro für 2014 und 4300 Mitarbeitern zählt das Unternehmen zu den größeren Mittelständlern. Die Anschaffung des Geräts im Wert einer Reihenhaushälfte war daher auch finanziell weniger problematisch. "Aus Neugierde, was man damit alles anstellen kann", hat sich Geschäftsführer Jochen Kress zum Kauf des Laser-Sinter-Druckers entschieden. Ein gewisses Vor-Wissen war schon da.

Schon vor rund 20 Jahren habe sein Schwiegervater für Prototypen 3D-Druck-Verfahren eingesetzt, erzählt Kress. Jetzt wollten die Schwaben wissen, wie sich damit Werkzeuge fürs Bohren, Drehen und Fräsen noch besser machen lassen. Denn das ist Mapals Spezialgebiet.

Optimal gekühlt

Zu 95 Prozent stellen die Aalener Sonderwerkzeuge her - Losgröße eins bis fünf. Für die geringen Stückzahlen ist der 3D-Drucker ideal. Für die Massenfertigung sind die Geräte zu teuer und zu langsam. Der neueste Clou aus Aalen: ein Schneidplattenbohrer mit innenliegenden Kühlkanälen. Die sind an sich nichts Neues. Beim Bohren entsteht Hitze, deshalb müssen die Teile kühlbar sein. Besonders trickreich ist, aber die Anordnung der Kanäle. „Der Kühlmittelkanal ist bei kleinen Werkzeugen im Grunde immer im Weg“, erklärt Kress für Nicht-Ingenieure.

Mit dem Drucker lassen sich die Kanäle perfekt „wendeln“ also optimal in die gedrehte Form des Bohrers integrieren. Jetzt kann das Kühlmittel fast doppelt so schnell fließen, gleichzeitig haben die Ingenieure die Steifigkeit des Werkzeugs erhöht. Kurzum: Der gedruckte Bohrer ist deutlich besser und leistungsfähiger als der konventionelle. Ohne den Mut zur Investition in den teuren Drucker, wäre das Teil nie zustande gekommen.

Forschungsinstitute nutzen

Die Unternehmensberatung Roland Berger beziffert das weltweite Marktvolumen des 3D-Drucks ("Additive Manufacturing") für 2012 mit 1,7 Milliarden Euro. Davon entfallen etwa zehn Prozent auf die Herstellung metallischer Strukturen. In den kommenden zehn Jahren erwarten die Experten, dass sich das Marktvolumen mehr als vervierfachen wird. Mittelständler wie Thaletec und Mapal haben dafür gesorgt, schon bald davon zu profitieren. Auch ohne die großen Entwicklungsbudgets, aber mit umso mehr Eigeninitiative, pfiffigen Ideen - und Networking.

Wie sich der Markt für professionellen 3-D-Druck entwickelt

„Gerade für uns Mittelständler ist es wichtig, sich auszutauschen und Kooperationen aufzubauen", findet Isabel Kundler von Eisenhuth aus Osterode. Der gerade Mal 50-Mann starke Betrieb ist Energietechnik-Spezialist. Überall, wo Strom gebraucht wird, aber keine Steckdose in der Nähe ist, ist Brennstoff-Zellen-Technologie von Eisenhuth im Spiel – in Geräten zur Notstromversorgung in Krankenhäusern, in Lichtmaschinen von Camping-Mobilen, in Ampeln und Blicklichtanlagen von Straßenbaustellen. Die ersten Produkte aus dem Drucker hat Kundler gerade Verbands-Kollegen aus dem VDMA präsentiert.

Eisenhuth-Batterie-Komponenten für ein elektrisches Gold-Caddy (zum Vergrößern bitte anklicken). Quelle: PR

Komponenten für eine Hoch-Volt-Prüfanlage etwa, mit der Automobilzulieferer testen, ob der Elektro-Motor eines neuen Stromers so sicher ist, wie er sein sollte. Zur Serienreife haben es auch Batterie-Teile für einen elektrischen Golf Caddy gebracht. Entscheidend mit von der Partie bei Entwicklung und Druck der Teile war das Forschungsinstitut DMRC (Direct Manufacturing Research Center) in Paderborn.

Für Kundler spielen diese Einrichtungen eine zentrale Rolle. "Sie öffnen die Tür zur Anwendung der neuen Technologien". Außerdem ermögliche sie die Teileentwicklung und -Herstellung auf dem Instituts-Drucker, ohne dass ein kleines Unternehmen wie Eisenhuth mit einem Jahresumsatz im mittleren einstelligen Millionenbereich gleich selbst einen Drucker anschaffen muss.

Dank solchen Anlaufstellen kann die Ingenieurin ihren Kunden schnell erste Muster und Prototypen bieten. „Der Kunde hat das Teil sofort in der Hand, kann es damit Testläufe machen und dann sagen, wo das Design noch angepasst werden muss.“ Ausprobieren, korrigieren, fertigstellen. „Was früher sechs Wochen gedauert hat, dauert heute ein paar Tage“. Der große Charme der 3D-Drucker liegt für Kundler im schnellen und kostengünstigen Änderungsmanagement. Erst wenn der Prototyp perfekt passt, wird die Werkzeugform gebaut. Bei Spritzguss kann das leicht sechs Wochen dauern.

Um künftig noch mehr potenzielle Kooperationspartner an einen Tisch zu bekommen hat der VDMA eine Arbeitsgruppe Additive Manufacturing gegründet. Dort haben sich auch Mauch, Reinemuth, Kress und Kundler ausgetauscht und ihre Projekte und Erkenntnisse mit anderen geteilt. VDMA-Projektleiter Rainer Gebhardt hofft, dass die neue Arbeitsgruppe ihren Beitrag dazu leisten wird, "der Technologie zu mehr Reife und damit letztlich zum industriellen Durchbruch zu verhelfen.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%