SMT-Scharf-Chef Dreyer Chinesen wollen deutsche Produkte

Christian Dreyer, Chef des Bergwerkausrüsters SMT-Scharf, weiß um die Risiken deutsch-chinesischer Joint-Ventures. Dennoch kooperiert er und nutzt geschickt den ungemein guten Ruf der deutschen Qualität.

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SMT-Scharf-Chef Christian Dreyer Quelle: Presse

WirtschaftsWoche: Herr Dreyer, Sie haben gestern eine Umsatzsteigerung von 60 Prozent für das erste Halbjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bekanntgegeben. Wie hat STM Scharf diesen Zuwachs geschafft in einem Umfeld, dessen Wachstum sich verlangsamt?

Zum einen liegt es natürlich an unserer Vorarbeit. Wir fahren zum Beispiel jetzt die Ernte ein für den Markteintritt in China vor fünf Jahren. Aber es gab auch Sondereffekte wie den Überhang von Aufträgen, die wir im vergangenen Jahr nicht abarbeiten konnten. Da hatten wir trotz eines großen Auftragsbestandes viele Neuaufträge, die wir in den ersten sechs Monaten dieses Jahres weitgehend abgearbeitet haben. Damit steht fest: Im zweiten Halbjahr wird sich das so nicht wiederholen.

Wie groß ist der Auftragsbestand?

Rund 34 Millionen Euro, das reicht für 4 bis 5 Monate. Das ist ziemlich viel für uns. Wir rechnen über das Jahr mit einem Umsatzwachstum von 10 Prozent.

Spüren Sie bereits die Eintrübung der Konjunktur?

Ja. Der Auftragseingang war 24 Prozent niedriger als in den ersten sechs Monaten des Jahres 2011. Unser Auftragsbestand ist zurzeit 17 Prozent niedriger als vor einem Jahr.

Welche Länder schwächeln?

Vor allem China. Wenn die chinesische Regierung will, dass das Wachstum ein bisschen ausfällt, dann schlägt das beim Energieverbrauch durch und dann investieren die Kohlebergwerke, mit denen wir 75 Prozent unseres Geschäftes machen, weniger. Auch der weltweite Kohlepreis gibt dann nach und alle montanen Produzenten werden vorsichtiger.

Wie wichtig ist China für SMT Scharf?

Sehr wichtig. Wir machen ein Viertel unseres Umsatzes in China. Und wie gesagt: Wenn China langsamer fährt, dann fahren auch unsere Kunden in Südafrika oder Russland langsamer.

Sie haben in China ein Joint Venture und eine Hundert-Prozent-Tochter. Befürchten Sie nicht einen Abfluss von Know-how?

Mit dem Risiko lebt jeder, der in China tätig ist - wobei unsere Technik und Qualität nicht so einfach zu kopieren sind. Aber ohne das Joint Venture mit einem einheimischen Partner, das am Anfang unseres Einstiegs in China stand, wäre uns der Markteintritt nicht gelungen. Wir müssen in China mit allen Funktionen, also auch Konstruktion und Produktion vertreten sein. Eine Untertagebahn muss ständig gewartet werden. Das kann man nicht von Deutschland aus machen. Kein chinesischer Bergwerksbetreiber würde so ein Produkt kaufen.

Machen Sie durch die chinesischen Werke dem Stammwerk in Hamm nicht das Leben schwer?

Nein, denn zum einen wollen viele Chinesen deutsche Produkte. Wir können uns hier kaum vorstellen, welchen Ruf deutsche Qualität dort hat. Von Deutschland kommen auch die technischen Vorgaben und Qualitätsanforderungen für die chinesischen Standorte.

Deutschland verliert an Wichtigkeit

Die größten deutschen Arbeitgeber in China
Knorr-Bremse Quelle: Screenshot
Heraeus Quelle: Foto: Heraeus
Henkel Quelle: Pressebild
Evonik Quelle: Pressebild
Bertelsmann Quelle: dapd
Schenker Quelle: dapd
Freudenberg Quelle: Pressebild

Wie wichtig ist denn Deutschland als Markt?

Deutschland wird immer unwichtiger. Wir haben vor zehn Jahren noch 70 Prozent unseres Geschäftes mit Inlandskunden, fast ausschließlich der Ruhrkohle gemacht. Heute macht das deutsche Geschäft noch acht Prozent unseres Umsatzes. Und bis 2018, wenn das letzte deutsche Steinkohlebergwerk zumacht, wir der Inlandsumsatz auf Null gehen.

Und die deutsche Wertschöpfung?

Ein Drittel der Mitarbeiter, also rund 100 Menschen, arbeiten hier. Und rund 55 Prozent des Umsatzes werden hier erzeugt.

Können Sie die Mitarbeiterzahl hier halten?

Ich hoffe. Auf der einen Seite hat deutsche Ingenieurskunst und das Können der Facharbeiter nach wie vor ein unglaubliches Niveau. Aber ein chinesischer Ingenieur verlangt nur ein Fünftel des Gehaltes, die ein deutscher Ingenieur erwartet. Da müssen die Deutschen schon richtig gut sein und diesen Abstand durch höhere Produktivität ausgleichen.

Es gibt also eine Schmerzgrenze?

Ja, die wurde in früheren Zeiten vom Gesetzgeber, aber auch von den Sozialpartnern auch immer wieder ausgetestet. Aber in den vergangenen Jahren haben Arbeitgeber und Gewerkschaften maßvolle Tarifabschlüsse erreicht, so dass wir heute zumindest in Europa durchaus wettbewerbsfähig sind. Wir bekommen hierzulande doch viel Leistung fürs Geld. Wenn wir die klassischen deutschen Tugenden wie Leistungsbereitschaft und Qualitätsbewusstsein weiter hochhalten, bin ich für Deutschland und unseren Standort optimistisch.

In den vergangenen Jahren konnte SMT Scharf beim Umsatz, Ergebnis und bei der Ergebnismarge immer wieder zulegen. Können Sie das noch lange durchhalten?

Ja. Wir hatten in den vergangen Jahren hohe Anlaufkosten in China und trotzdem gute Margen. Diese Lasten haben wir jetzt nicht mehr. In unserem Geschäft ist es so, dass man einen einmal gewonnen Kunden nicht so schnell verliert, wenn man keine gravierenden Fahler macht. Es ergibt sich dann ein ständig laufender Service-Umsatz - und hin und wieder kaufen die Kunden auch Bahnen nach. Der Markt ist noch lange nicht ausgeschöpft. Wir produzieren ein Nischenprodukt, das erst in einem Zehntel der Bergwerke, in denen es Nutzen stiften könnte, eingesetzt wird.

Gibt es noch weiße Flecken auf Ihrer Weltkarte?

Ja, Nordamerika und Australien. Da wollen wir hin. Wir werden dort früher oder später Niederlassungen gründen und mit Servicepartnern Joint Ventures gründen und auch Akquisitionen tätigen.

Was wollen Sie sonst noch zukaufen?

Auf der Produktseite nichts. Unser Kernprodukt, die Einschienenhängebahn für schwere Anforderungen unter Tag wie hohe Gewichte und starke Steigungen, hat noch reichlich Potenzial. Wir werden noch lange damit beschäftigt sein, dieses Marktpotential einzufahren.

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