„Stadt der Weltmarktführer“ versus „The Länd“ Der kuriose Streit um neue Ortsschilder in Wertheim

Heimat der Weltmarktführer: Autobahn-Ausfahrt nach Wertheim Quelle: imago images

Mit dem Zusatz „Stadt der Weltmarktführer“ auf seinen Ortseingangsschildern wollte Wertheim in Baden-Württemberg für sich werben. Dann funkte die Landesregierung dazwischen – und der Streit eskalierte.

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Am 29. Oktober fühlte sich Markus Herrera Torrez „merkwürdig“, so drückt es zumindest das Emoji aus, mit dem der Bürgermeister der Stadt Wertheim seinen Facebook-Beitrag damals versehen hat. Vielleicht aber hätten andere Emojis besser gepasst: „verwirrt“ etwa, oder auch „verärgert“, wenn nicht gar ein kleines bisschen „frustriert“.

Eigentlich hatten sie in Wertheim, im nördlichsten Zipfel Baden-Württembergs, eine ziemlich gute Idee, um ihre lokale Wirtschaft zu fördern. Mit dem Zusatz „Stadt der Weltmarktführer“ wollten sie ihre Ortseingangsschilder schmücken, um für den Standort zu werben und neue Fachkräfte zu begeistern. Die lokale Wirtschaftsförderung hielt das neue Schild bereits stolz in die Kamera – doch aus den Plänen wurde nichts.

Das Innenministerium des Landes in Stuttgart verbot den Zusatz auf den Ortseingangsschildern inzwischen und begründete dies mit mangelnder Relevanz. Gleichzeitig präsentierte die Landesregierung einen eigenen Vorschlag, für die Stärken des Wirtschaftsstandorts zu werben: mit dem Zusatz „The Länd“. Hat Stuttgart den Antrag der Wertheimer also abgelehnt, um die eigene Kampagne vorzugehen? Wertheim jedenfalls konterte trotzig – und ließ den Streit eskalieren.

Das Hin und Her zwischen Stadt und Land ist inzwischen mehr als eine Provinzposse. Die Anekdote aus Baden-Württemberg zeigt, was so alles schieflaufen kann in der Wirtschaftsförderung, wenn sich Behörden und Politik nicht einig sind – und was man daher besser nicht macht.

Wertheim, das ist eine idyllische Kommune mit gut 24.000 Einwohnern. Die Autobahn A3 und damit eine der Hauptverkehrsadern der Bundesrepublik ist nur wenige Kilometer entfernt. Bis zum Frankfurter Flughafen dauert es mit dem Auto gerade einmal eine Stunde. Und in Wertheim, wo die Tauber in den Main mündet, haben gleich neun „Weltmarktführer“ ihren Hauptsitz. Das sollte sich auch im Stadtnamen wiederfinden, so lautete noch im Sommer der Vision der Stadt. Es hätte mehr als ein kleiner Werbegag werden sollen. Fachkräfte wollte Wertheim so anziehen, die lokalen Unternehmen und damit ihre Weltmarktführer unterstützen. Die wiederum begrüßten die Idee ausdrücklich, wie die WirtschaftsWoche berichtete.

Doch so einfach ist das nicht. Laut dem Lexikon der deutschen Weltmarktführer – auf das sich die Stadt bezog – landet Wertheim zwar nur auf dem achten Platz im deutschlandweiten Vergleich. Hamburg beheimatet mit gleich 33 Weltmarktführern mehr Exportstars. Selbst im eigenen Bundesland gibt es mit Stuttgart eine Stadt, die mehr Weltmarktführer hat. Aber, auf die Einwohnerzahlen heruntergerechnet, so begründeten sie es in Wertheim, seien sie eben doch die Nummer Eins und stellten einen Antrag auf das Führen der Zusatzbezeichnung im Ortseingangsschild beim zuständigen Innenministerium.

Das Innenministerium sah die ganze Sache aber ein wenig anders als die Wertheimer. Obwohl die Stadt ihren Antrag noch einmal nachbesserte, schickte die Landesbehörde am 30. August ein Schreiben, in dem sie anregte, den Antrag doch lieber zurückzuziehen oder nochmal abzuändern. Konkret hieß es darin: „Das Vorhandensein von bedeutenden Industriebetrieben wird der vom Gesetz geforderten 'heutigen Bedeutung' einer Gemeinde nicht gerecht“, teilt das Ministerium auf Anfrage mit.

Die bürokratische Begründung: Zusatzbezeichnungen auf dem offiziellen Ortseingangsschild dürfe es nur geben, wenn sie auf der „Eigenart oder der heutigen Bedeutung beruhen und auf einen regelmäßig dauerhaft bestehenden Umstand hinweisen, der für die Gemeinde oder den Ortsteil in gewisser Weise prägend ist.“ Da sich Ranglisten aber nun mal jederzeit ändern könnten, sei die geplante Maßnahme Wertheims eher eine reine Werbebezeichnung.

Wertheim zog daraufhin gut zwei Monate später den Antrag wieder zurück. Nicht etwa „verwirrt“, dafür aber enttäuscht zeigen sich einige Weltmarktführer der Stadt. „Eine positive Entscheidung durch das Innenministerium hätte doch auch nicht weh getan und uns hier im ländlichen Raum die Möglichkeit verschafft, für unseren Standort zu werben und sichtbarer zu werden“, sagt Gabriela König vom Weltmarktführer König & Meyer. Das familiengeführte Unternehmen stellt in Wertheim Zubehör für Musiker wie Notenpulte, Instrumentenständer, Bühnen- und Multimediaprodukte her und liefert sie in 85 Länder. Zu den Kunden gehören zum Beispiel die Toten Hosen und Silbermond. Und auch Wolfgang Stallmeyer hätte sich ein anderes Ergebnis gewünscht. Dass Wertheim den Antrag zurückziehen musste, sei bedauerlich, sagt der Geschäftsführer von Industronic, einem Anbieter von industriellen Kommunikationsanlagen.

In der Landesregierung haben sie derweil ihre eigene Werbekampagne für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg aufsetzen lassen. „The Länd“, heißt sie, inklusive eines eigenen Internetauftritts. Doch ist die, nicht nur in Wertheim, höchst umstritten: Da wären zum einen die Kosten, die sich für die nächsten drei Jahre auf 21 Millionen Euro belaufen sollen. Zum anderen ist da der Name. „Die Kampagne 'The Länd' ist allein schon wegen des Umlauts allenfalls für Deutsche nicht erklärungsbedürftig. Ob man damit im Ausland nachhaltiges Interesse findet, erscheint zumindest fraglich“, drückt Industronic-Chef Stallmeyer es noch diplomatisch aus.

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Neben den Kosten und dem Namen hat aber vor allem ein dritter Punkt für mächtig Ärger gesorgt. Die Landesregierung wollte im ganzen Bundesland neue Schilder mit dem Zusatz „The Länd“ aufstellen. Das war offenbar nicht mit den Kommunen abgesprochen. Von einer „Guerilla-Marketing-Kampagne“, spricht Gabriele König. In Wertheim wollte man daher so gar nichts wissen von der geplanten „The Länd“-Kampage – und ging rabiat vor. „Da so eine Werbung ohne Sondergenehmigung nicht zulässig ist, haben wir sie abgehängt“, schrieb Bürgermeister Torrez auf Facebook. Die Folge: Bis heute gibt es in Wertheim keine „The Länd“-Schilder, aber eben auch keine offiziellen Ortseingangsschilder mit dem Zusatz „Stadt der Weltmarktführer“.

Aufgeben wollen sie in Wertheim aber so einfach nicht. Im Dezember verkündete die Stadt, den Namen im Standortmarketing weiterführen zu wollen. So gibt es nun unter anderem Begrüßungstafeln an den Stadteingängen, auf denen die Zusatzbezeichnung „Stadt der Weltmarktführer“ steht – die dem Design von Ortseingangsschildern sehr ähneln. Auch die ersten städtischen Dienstfahrzeuge haben nun einen entsprechenden Slogan auf dem Kennzeichenhalter und Bürger der Stadt können für zehn Euro ebenfalls einen solchen Halter erwerben.

Wie es nun weitergeht? In jedem Fall seien weitere Aktionen geplant, sagt eine Sprecherin der Stadt gegenüber der WirtschaftsWoche. Immerhin: Gegen diese neu aufgelegte Werbekampagne kann das Innenministerium keine Einwände erheben.

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