Show-Pleite "Ich hätte mich nie auf das Abenteuer einlassen dürfen"

Ein Rausch aus Schönheit und Extravaganz - so wurde sie beschrieben. Der Wiener Autor und Showarrangeur André Heller spricht über die Pleite seiner Pferdeshow "Magnifico" und die Geschäfte des Marcel Avram.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
André Heller Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Herr Heller, wann haben Sie von der "Magnifico"-Pleite erfahren?

André Heller: Am vergangenen Mittwoch, gleichzeitig mit den Medien, durch eine lakonische Sieben-Zeilen-E-Mail vom Produzenten der Show Marcel Avram.

Was stand da drin?

Ich kann es Ihnen vorlesen: "Nach einem Meeting mit der Geschäftsführung der Magnifico GmbH & Co KG und eingehender Prüfung schließe ich mich als Generalbevollmächtigter der Investorengruppe der Entscheidung der Magnifico-Geschäftsführung hinsichtlich des Insolvenzantrages an." Mit anderen Worten: Avram tut so, als ob "Magnifico" gar nicht sein Projekt sei. Plötzlich stellt er sich als Insolvenzferner Generalbevollmächtigter einer Investorengruppe dar, von der ich gar nichts weiß, die ich nie kennengelernt habe. Bei mir, bei meinem Management und allen Mitwirkenden hat sich Avram immer als der einzige Investor und Produzent der Show vorgestellt. Als solcher trat er auch bei den Pressekonferenzen neben mir auf.

Marcel Avram hat im Vorfeld der Premiere von „Magnifico“ mehrfach davon gesprochen, dass er sich um Investoren aus der Unterhaltungsbranche in der Schweiz und den USA bemühe.

Gut möglich, dass er nach Investoren gesucht hat, auch in den vergangenen Monaten. Tatsache ist aber, dass mir nie einer vorgestellt wurde außer Avram selbst. Ich weiß jedenfalls von keinem anderen.

Warum hat er sich Ihrer Ansicht nach so schwer getan bei der Investorensuche? Er versprach doch Traumrenditen.

Davon weiß ich nicht das Geringste. Ehe er zum ersten Mal zu mir kam, um mich für sein Projekt zu begeistern, hatte er schon eineinhalb Jahre zuvor ein Team unter Leitung von Franco Dragone, einem ehemaligen Regisseur des Cirque du Soleil, beauftragt, eine Pferdeshow zu inszenieren. Die sollte „Nebula“ heißen. Das hatte schon mal sinnlose Millionen gekostet, wie Avram mir sagte, als er aus Unzufriedenheit mit dem Dragone-Ergebnis zu mir kam und mich bat, noch einmal ganz neu nachzudenken und quasi wieder bei Null zu beginnen. Er sagte: "Mach! mach! mach! Das Beste, das Schönste, das Erstaunlichste - für alles andere bin ich zuständig." Anders gesagt: Ich wurde engagiert wie ein Regisseur an einem Theater, als künstlerischer Leiter des Projekts, wobei ich zugleich Autor der Show war. Avram und die Magnifico-Firma, an der ich in keinster Weise beteiligt bin, hingegen waren zuständig für alles andere: die kaufmännischen Belange, weiters alle betrieblichen, technischen und logistischen Entscheidungen, also die gesamte Herstellung der Produktion und Organisation und die Durchführung der Tournee.

Der Misserfolg der Show ist aber vor allem mit Ihrem Namen verbunden.

Stop! Die Show selbst war keineswegs ein Misserfolg. Im Gegenteil, sie hatte jubelnde Zuschauer und triumphale Kritiken, die jeder nachlesen kann. Ich kann guten Gewissens sagen, mit meinem Team das selbstgestellte Plansoll erfüllt zu haben. In der einzigen Stadt, in der die Show gezeigt wurde, in München, kamen, laut Avrams eigener Presseaussendung vom 25.März, 82 000 Besucher. Das ist ungewöhnlich viel. Als die Tournee unterbrochen wurde, Ende März, waren, wieder laut Avram, immerhin 50 000 Tickets in anderen Städten vorverkauft. Allein in Wien hätten wir sicher mit 100 000 Zuschauern rechnen können. Glauben Sie mir, die Show war künstlerisch gesehen ein Glücksfall. Besonders unfair fand ich, dass die Magnifico-Firma die Insolvenzverkündung an die Presse auf einem Briefpapier mit meinem Namen im Briefkopf aussandte. So dachten vielleicht manche, ich und nicht die Magnifico Gmbh & Co KG hätte Insolvenz angemeldet.

Wenn die Show erfolgreich war, warum dann die vielen Probleme?

Die lagen woanders, vor allem bei den enormen Vorfeldkosten, die sich angehäuft hatten. Dazu kamen die Schwierigkeiten mit dem idealen Theaterzelt, das unverzichtbarer Teil meiner Inszenierung war. Es wurde von Avrams Leuten zu spät bestellt und für die Premiere nicht geliefert. Stattdessen wurde ein gebrauchtes Zelt angemietet, das viel zu groß, absurd hässlich war, mit ausgemergelten, zu flachen Sitztribünen, wodurch an vielen Stellen extrem schlechte Sichtbedingungen herrschten. Täglich haben sich etliche Zuschauer darüber beschwert, dass sie für ihr gutes Geld nur Teile der Show gesehen hätten.

Pferdeshow Magnifico Quelle: dpa

Was ist in der Zwischenzeit mit den Artisten passiert?

Deren Verträge wurden Ende März gekündigt mit dem Handschlag-Versprechen auf Anschlussverträge im August, da sollten die Wiederaufnahme-Proben beginnen. Die Magnifico-Firma hat mit Wissen von Avram alle Beteiligten – mich inklusive – monatelang vertröstet, aber grundsätzlich immer verlautet, die Frankfurter Premiere sei fix und es wurden ja auch weiterhin Karten verkauft.

Hand aufs Herz, Herr Heller, was sind die wahren Ursachen für die Insolvenz? Das Unternehmen "Magnifico" nennt neben den Produktions- auch die Tourneekosten.

Marcel Avram hat mir und anderen gegenüber mehrmals gesagt, dass das Billigste an dem Unternehmen noch die Bühnenshow selbst sei. Hochproblematisch war der hypertrophe Aufwand hinter den Kulissen, wie z.B. sein sündteurer Wunsch, dass vor dem eigentlichen Probenbeginn ein aufwendiges und teures Video, das repräsentativ für die gesamte Show sein sollte, mit fast allen, teils extra dafür eingeflogenen Mitwirkenden gedreht werden musste. Er hat damit ebenfalls teure Fernsehwerbung gemacht. Weiters die Adaption des gemieteten Zeltes und des völlig ungeeigneten Veranstaltungsortes in München-Riem, der zunächst gar nicht bespielbar war. All dies hat natürlich Unsummen über Unsummen verschlungen. Die Laufkosten pro Spielwoche, machten laut Avram zeitweilig 600.000 Euro aus. Ich glaube, das sind Beträge, die kann man selbst mit der umjubeltsten Show nicht einspielen.

Marcel Avram hat im Januar der "WirtschaftsWoche" gegenüber behauptet, dass die Show, wenn alles gut geht, nach 18 Monaten die Gewinnzone erreicht.

Das ist natürlich aberwitzig angesichts der Kosten, über die Avram, wie ich heute ahne, schon im Jänner hätte Bescheid wissen müssen. Aber vielleicht hat er zu diesem Zeitpunkt seine Ausgaben noch nicht addiert gehabt. Er war ja prinzipiell immer parallel zu Magnifico fünf Tage die Woche in aller Welt unterwegs bei anderen Veranstaltungen seiner Firmen.

Hat er falsch kalkuliert?

Aus heutiger Sicht garantiert. Aber in finanzielle Dinge war ich als künstlerischer Leiter nicht involviert. Auch mein Management, die Firma "Artevent", erhielt nie konkret belegte Ausgabenzahlen. Ehrlich gesagt, dachte ich lange Zeit, dass Avram steinreich ist und sich so ein kühnes Abenteuer einfach leisten will.

Er hat potentiellen Investoren Renditen von über 30 Prozent versprochen.

Das höre ich heute zum ersten Mal. Mir hat er derlei Unsinn natürlich nie erzählt. Wenn das stimmen sollte, würde es ja an die schlimmsten Hedgefonds-Unseriositäten erinnern. Wären mir solche Äußerungen, für die er ja als Basis meinen Ruf verwendet hätte, bekannt gewesen, wäre ich in der Sekunde aus dem Projekt ausgestiegen.

Die Show sollte über vier, fünf Jahre laufen – und nun ist schon nach knapp sechs Monaten Schluss. War es nicht reichlich blauäugig, bei der Kalkulation vorauszusetzen, dass sämtliche Shows ausverkauft sind?

Tourneen, die über längere Zeiten laufen, sind fast nie täglich ausverkauft; zumeist, wenn sie erfolgreich sind, aber am Wochenende. Ein weiser Kaufmann achtet bei einem Zelt, das 2.000 Zuschauer fasst, immer darauf, dass der Breakeven, wenn irgend möglich, bei 60 Prozent Auslastung liegt, dann können alle Beteiligten ruhig schlafen. Wenn man unter der Woche Auslastungen von 100 Prozent hat, dann ist das ein Gottesgeschenk.

Die "Magnifico" GmbH behauptet, es seien zu wenig Zuschauer gekommen.

Wie gesagt, in München waren es 82.000. Allerdings, wenn die Kosten so hoch sind, wie offensichtlich bei Avrams Magnifico-Kalkulation, dann könnten niemals genug Zuschauer kommen, selbst bei einer 150-prozentigen Auslastung nicht.

Das heißt doch, dass der Aufwand zu groß war.

Der insgesamte, wie ich heute weiß, mit Sicherheit. Noch einmal, das Billigste war die Bühnenshow selber. Aber auch da bestand ein meiner Meinung nach überflüssiger Kostenfaktor sicher darin, Pferde mitzunehmen. Ich habe an die Phantasiepferde viel mehr geglaubt als an die lebendigen. Es ist doch Wahnsinn, 35 Pferde mit aufwendiger Logistik mitzuschleppen, die man für den Erfolg eines Unternehmens gar nicht wirklich braucht.

Sie hätten lieber eine Pferdeshow ohne die Pferde gemacht?

Ja, das habe ich immer wieder gesagt. Auch gegenüber Marcel Avram. Ich finde jeden Pegasus, jeden Zentaur, jedes Einhorn, jedes trojanische und Schattenspiel-Pferd spannender als einen Schimmel, der über die Bühne trabt. Hardcore-Pferdefans wollen Hardcore-Pferdeshows sehen, die es zu Hauf gibt. Mein Publikum dagegen will überbordende Phantasie, Surreales und poetische Gegenwelten.

Müssen Sie sich die Insolvenz nicht auch als Ihr eigenes Scheitern anrechnen?

Was ich mir anrechnen muss, ist, dass ich mich überhaupt auf das Abenteuer eingelassen habe. Das hätte ich nicht tun dürfen und für meine Gutgläubigkeit bin ganz allein ich verantwortlich. Im Vertrag mit meinem Management ist zwar geregelt, dass die Finanzierung dieses Projekts gesichert sein müsse, offensichtlich hat sich Avram um diesen Passus nicht geschert. Es war auch ein Fehler von mir, dass ich das erste Mal in meinem Leben einem Anderen gesagt habe: "Gut, wenn Du mir ideale Bedingungen schaffst, erfüll‘ ich Dir Deinen Traum." Normalerweise untersuche ich ja nur meine eigenen Träume in der Wirklichkeit auf ihre Statik.

Sie haben sich auf die falsche Idee eingelassen?

Es ist nicht redlich nachher zu sagen, was man vorher hätte tun sollen. Aber ich habe geglaubt, Avram wisse, was er tut. Und ich war sicher, dass ich weiß, was ich tue.

Sehen Sie die "Magnifico"-Pleite als eine persönliche Niederlage?

Künstlerisch sehe ich "Magnifico" als Erfolg, in dem ich vieles ausprobieren konnte und dazugelernt habe. Die Insolvenz der Firma in Avrams ausschließlich eigenem Umfeld ist natürlich für die Mitwirkenden, die ihr Herzblut, ihre Leidenschaft, ihre Liebe investiert haben, sehr bitter. Das Gravierendste ist aber: Die Menschen, die schon Tickets in der Tasche haben, werden möglicherweise ihr Geld nicht zurückbekommen, weil es, wie ich gehört habe, in die Insolvenmasse überwiesen werden soll.

Ihr Leben beschreiben Sie gern als den Versuch, sich "lernend zu verwandeln". Was haben Sie aus dem "Magnifico"-Desaster gelernt?

Viel. Vor allem, dass ich künftig noch mehr mit der Lupe arbeiten muss. Vertrauen ist eine wichtige Sache. Aber noch wichtiger sind in der Showbranche gewissenhafte, präzise Voruntersuchungen und Charakterstudien. Man muss ganz genau wissen, wem man gegenüber sitzt. Ich möchte jedenfalls nie mehr in meinem Leben mit jemandem einen Vertrag eingehen, der nicht selber für das gemeinsame Projekt steht und einsteht, sondern sich hinter einer Firma versteckt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%