Münchner Machtspiele Bei der Allianz rumort es gewaltig

Interne Gegner werfen Vorstandschef Oliver Bäte vor, sich beim Umbau des Konzerns heillos zu verzetteln. Berichte über Privatflüge Bätes kommen Gegnern gelegen. Nun will der Allianz-Chef auf sie zugehen.

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Allianz-Chef Oliver Bäte / Geschäftsreiseflugzeug Dassault Falcon 2000. Quelle: Collage

Seit gerade mal zwei Jahren steht Manfred Knof an der Spitze des Deutschlandgeschäfts der Allianz. Doch der frühere Mittel- und Osteuropachef des Versicherers wittert offenbar schon die Chance, weiter aufzusteigen. In intimer Runde, so berichtet ein enger Vertrauter, ließe Knof durchblicken, dass er sich auch den Job an der Konzernspitze zutraue – wenn der denn bald frei werden sollte.

Eigentlich ist das unvorstellbar, in München liebt man Kontinuität. Ganze zehn Chefs hatte die Allianz in ihrer mehr als 125-jährigen Geschichte. Vorstandschef Oliver Bäte führt sie erst seit Mai 2015. Geht es nach der Statistik, hat er noch viele Jahre vor sich.

Sicher ist das nicht. Denn in der Allianz rumort es, und zwar gewaltig. Der frühere McKinsey-Berater Bäte will das Unternehmen fit fürs digitale Zeitalter machen und baut es radikal um. Seinen Gegnern geht der Bruch mit der Tradition zu schnell. Bäte, so ihr Vorwurf, mache viel Wirbel und liefere kaum Resultate, verzettele sich und lasse die klare Richtung vermissen. Wenn er bei offiziellen Anlässen in knallroten Sneakern statt in den üblichen Lackschuhen auftritt, ist das für sie kein Symbol der Modernität, sondern des kulturellen Verfalls.

Umsatz der wichtigsten Allianz-Geschäftsfelder 2015

Dass am vergangenen Wochenende Berichte über Bätes angeblich private Nutzung des Firmenjets kursierten, ist Wasser auf die Mühlen seiner Feinde. Die finden sich vor allem im mittleren Management und in den Ländergesellschaften. Bäte will nun auf seine Kritiker zugehen: „Ich werde mich künftig mehr um die Betreuung des mittleren Managements kümmern“, verspricht er.

Vom eingeschlagenen Kurs abweichen will er jedoch nicht. Die Welt verändere sich rasant, die Regulierer lieferten stets neue Vorgaben, digitale Wettbewerber griffen vehement an. „Wir haben eine klare Agenda für die vielen Veränderungen da draußen. Die Zeiten sind vorbei, in denen wir den Einheiten ein fertig geschriebenes Handbuch vorlegen, in dem steht, wie das Geschäft geht“, sagt Bäte. Er wünscht sich mehr Initiative und Ideen von seinen Leuten. Zu Unrecht meinten viele von ihnen, dass das alles zu viel auf einmal sei. „Es ist nicht zu viel, aber es ist anstrengend“, sagt Bäte.

Tatsächlich hat er mit seinem Umbauprogramm viele brüskiert. Groß ist der Unmut etwa in der Allianz Deutschland. Mit 31 Milliarden Euro steuerte die im Jahr 2015 fast ein Viertel zum gesamten Konzernumsatz bei. Von ihren Erfolgen bleibt bei ihr wenig hängen, die Gewinne fließen fast komplett an den Mutterkonzern. „Die Ertragskraft ist maximiert“, sagt ein Insider. „Die Mitarbeiter fühlen sich ausgequetscht, weil sie immer nur liefern müssen.“ Bäte sieht Verbesserungsbedarf. „Die Allianz Deutschland muss auch investieren können“, sagt er.

Länderübergreifende Lösungen und Produkte

Ob das Bekenntnis reicht, um die Beziehung zu Deutschlandchef Knof zu reparieren? Insider beschreiben die als angespannt, manche halten sie für zerrüttet. „Wir haben ein sehr gutes Arbeitsverhältnis“, sagt Bäte. Und fordert gleichzeitig, dass die deutsche Allianz den Verlust von Marktanteilen in der Sachversicherung dringend stoppen muss.

Neben Knof hat Bäte auch die Chefs anderer Landesgesellschaften gegen sich aufgebracht. Die durften bisher weitgehend eigenständig agieren, nun will ihr Chef sie enger zusammenführen. Dass jedes Land eigene Software nutzen darf und sich selbst kleine Gesellschaften einen eigenen Personalchef leisten, hält er für überflüssig. In einer sogenannten Digital Factory am Münchner Ostbahnhof tüfteln Abgesandte aus der ganzen Welt längst an länderübergreifenden Lösungen und Produkten.

Das lässt so manchen Landesfürsten um Macht und Einfluss fürchten. Bäte dagegen will mit engerer Kooperation bessere Lösungen erreichen. „Regelmäßiges Feedback der Kunden legt heute nicht nur Stärken, sondern auch Schwächen der einzelnen Gesellschaften offen“, sagt er. Die Zeiten, in denen die Zentrale den Ländern lediglich Vorgaben zu den jährlichen Erträgen mache, seien vorbei. „Wir wollen gemeinsam in die Digitalisierung investieren und die Erträge der Zukunft sichern“, sagt Bäte. Um den Austausch zu verbessern, richtet er ein Komitee mit Vertretern der 13 wichtigsten Länder ein, das sich vier Mal im Jahr mit dem Konzernvorstand treffen soll.

Ein neues Schwergewicht könnte künftig Australien bilden. Für 14 Milliarden Euro könnten die Münchner dort den Versicherer QBE kaufen. Offiziell will sich die Allianz nicht äußern. „Wir müssen auch in Wachstum investieren“, macht Bäte jedoch klar. „Wer nicht wächst, stirbt.“

Selbst damit macht er sich intern nicht nur Freunde. Nach der Finanzkrise hat die Allianz vorsichtig agiert, zugunsten höherer Margen und Sicherheit auf teure Zukäufe verzichtet. Die offenkundige Kehrtwende halten einige für riskant.

Bäte jedoch setzt weiter auf den permanenten Umbau und damit auf das Prinzip Verunsicherung. Er kann gar nicht anders.

Noch darf er auch.

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