Wirtschaft von oben #34 – Braunkohlekraftwerk Bełchatów So hungrig ist Europas größte CO2-Schleuder

In Polen steht mit dem Braunkohlekraftwerk Bełchatów die größte CO2-Schleuder Europas. Exklusive Satellitenbilder zeigen, wie die Gruben, die es mit Brennstoff versorgen, seit vielen Jahren wachsen. Neue Abbaugebiete bereiten aber Probleme. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

Braunkohlekraftwerk Belchatow

Es hat Monate gedauert, aber nun hat die Bundesregierung die letzten Details für den Kohleausstieg geregelt. Nach Krisentreffen und Verhandlungen mit Kraftwerksbetreibern hat das Kabinett beschlossen: Spätestens 2038 soll Schluss sein mit der Stromerzeugung aus Kohle. Doch während Deutschland versucht, seine Treibhausgasemissionen zu senken, verstromen andere Länder noch weiter Kohle.

Zum Beispiel Polen: Zehn Kilometer vor der Stadt Bełchatów qualmt Europas größte CO2-Schleuder vor sich hin. Die 300 Meter hohen Schlote des Braunkohlekraftwerk Bełchatów sind weithin sichtbar. Rund 40 Millionen Tonnen CO2 setzt die Verbrennung der Braunkohle dort jährlich frei. Weltweit ist nur ein Kraftwerk in Taiwan dreckiger. Allerdings: In Deutschland emittiert das Kraftwerk Neurath mit 32 Millionen Tonnen das meiste CO2 – und liegt damit gar nicht mal so weit hinter Bełchatów.

Da Braunkohle im Vergleich zu Steinkohle weniger gut zu transportieren ist, liegt das polnische Kraftwerk direkt neben den Tagebaurevieren. Von dort landen jährlich 45 Millionen Tonnen Braunkohle in den Verbrennungsöfen. Um diesen Bedarf zu stillen, hat der Kraftwerksbetreiber PGE Polska Grupa Energetyczna über die Jahre immer neue Gruben ausgehoben, wie exklusive Satellitenbilder von LiveEO zeigen. Das Wachstum hält seit Dekaden an: Bereits 1981 ging das Braunkohlekraftwerk Bełchatów ans Netz.


Die zwei Gruben auf dem Satellitenbild aus 2019 nehmen zusammen eine Fläche von fast 40 Quadratkilometern ein. Die Vatikanstadt würde fast 90 Mal hineinpassen, genauso wie fast 5.500 Fußballfelder.

Doch langsam neigen sich die Vorräte dem Ende zu. Daher ist PGE, Polens größter Energiekonzern, bereits auf der Suche nach neuen Abbaugebieten. Derzeit hat der Betreiber ein Gebiet rund 50 Kilometer entfernt, nahe der Stadt Zloczew ins Auge gefasst.

Braunkohlekraftwerk Bełchatów

Laut Angaben der Nichtregierungsorganisation Clientearth müssten dafür aber rund 3.000 Menschen umgesiedelt und 33 Dörfer zerstört werden. Clientearth geht daher gerichtlich gegen die Pläne von PGE vor. Laut Informationen der Nachrichtenagentur Reuters soll Polen nun überlegen, die Pläne für die Mine auch aufgrund von steigenden Kosten und strengeren EU-Richtlinien fallen zu lassen. Denn mit ihrem neuen Green Deal setzt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Regierungen wie Unternehmen unter Druck, mehr für den Klimaschutz zu tun und ihren Schadstoffausstoß zu reduzieren.

Ihr Ziel: Die EU soll bis 2050 klimaneutral werden. Die Länder sollen dann nur noch so viel CO2 ausstoßen, wie sie auch selbst ausgleichen können – etwa durch Bäume, die das CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen oder durch technische Lösungen, die bis dahin noch entwickelt werden müssen. Es ist ein großes Versprechen, das die meisten EU-Staaten unterstützen. Einer der wenigen Ausreißer ist Polen, das momentan 80 Prozent seines Stroms aus Kohle produziert und sich daher eine längere Frist für das Erreichen der Klimaneutralität erbeten hat.

Kraftwerk Neurath

PGE, der Betreiber des Kraftwerks Bełchatów, spürt den Druck mittlerweile auch von Investorenseite. Das börsennotierte Unternehmen ist Mitglied im polnischen Länder-Aktienindex des renommierten Indexbauers MSCI, an dem wiederum viele Fonds ihre Polen-Portfolios ausrichten. Die Strategie von PGE passt nicht zum Nachhaltigkeitstrend, der an der Börse in den vergangenen Jahren Milliarden bewegt hat. Viele Investoren haben sich daher bereits aus der Aktie verabschiedet. Der PGE-Aktienkurs hat sich in fünf Jahren halbiert.

Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.


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