In der vergangenen Woche sickerte durch, dass Apple für rund 3,2 Milliarden Dollar Beats Electronics (BE) kaufen wolle. Das Unternehmen aus Südkalifornien ist vor allem durch seine bunten, klobigen Kopfhörer bekannt. Zahlreiche Fußballstars, von Marco Reus über Jerôme Boateng bis Mario Götze, haben die BE-Ohrmuscheln bei TV-Interviews locker um den Nacken hängen - und das BE-Logo werbewirksam in den Fokus der Kameras gerückt. Auch der legendäre Apple-Gründe Steve Jobs ließ sich einst mit den bunten Ohrhörern von Beats Electronics ablichten.
Vermarktung beherrscht BE also schon mal ganz gut. Neben den Kopfhörern betreibt BE auch einen Musik-Abo-Dienst; den so genannten Streaming-Diensten gehört nach einhelliger Meinung von Branchenexperten die Zukunft im digitalen Musikgeschäft. Apple hat bislang kein konkurrenzfähiges Streaming im Angebot, den Boom also offenbar unterschätzt. Viele Marktbeobachter gehen daher davon aus, dass es Apple mit dem geplanten BE-Kauf weniger auf die Kopfhörer von BE, als auf deren Streaming-Dienst abgesehen hat.
Aber wie um alles in der Welt haben die beiden Gründer, der Musikmanager Jimmy Iovine und der Rapper Dr. Dre, den Computergiganten Apple dazu bekommen, drei Milliarden Dollar für Ihr Unternehmen auf den Tisch zu legen? Die nicht börsennotierte BE machte 2013 nicht ganz 1,5 Milliarden Dollar Jahresumsatz. Ein stolzer Preis also für einen Kopfhörerhersteller; Hardware erzielt normalerweise an der Börse selten mehr als eine doppelte Umsatzbewertung. Und vor allem: Was sagt so ein spektakulärer Kauf über Apple aus, das bisher nie mehr als eine Viertel Milliarde Dollar in einen Zukauf gesteckt hat?
Harsche Kritik
Auf jeden Fall bedeutet so eine große Übernahme einen Strategiewechsel. Kritik ließ denn auch nicht lange auf sich warten. Der bekannte US-Musikmanager Bob Lefsetz, der sich regelmäßig wortgewaltig mit Branchengrößen, Stars und Sternchen anlegt, bringt sie auf den Punkt: „Der Deal beweist, dass Apple ein sterbender Dino ist“, schrieb Lefsetz in seinem Blog, „… Tim Cook [Steve Jobs‘ Nachfolger , Anm. d. Verf.] ist ein reiner Zahlenmensch, der keine Visionen und vom Musikgeschäft keine Ahnung hat (…). Seit Jahren pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass die Zukunft allein dem Streaming gehört; Apple hat den Trend komplett verschlafen und sich auf seinem gut laufenden Geschäft mit bezahlten Downloads [iTunes] verlassen“, wettert Lefsetz.
iTunes – Pfründe langfristig in Gefahr
Was davon stimmt: Apple setzt bisher im Musikgeschäft fast nur auf sein Online-Kaufhaus iTunes; dort wird die Musik – wie dereinst in der physischen Welt der Vinylscheiben und CDs – noch immer einzeln (als Song) oder als Album (mit meist acht bis 15 Titeln) verkauft. Nur, dass die Kunden das Produkt nicht mehr als physischen Tonträger bekommen, sondern als Datei downloaden. Die Wachstumsraten mit iTunes waren anfangs sehr gut, auch, weil Apple als erster in das Geschäft mit legalen Musik-Downloads investierte und mit dem iPod das passende Hardwareprodukt dazu hatte, das ein internationaler Verkaufsschlager wurde.
Doch inzwischen schwächt sich das Wachstum mit dem bezahlten Download von MP3-Musikdateien schon wieder ab; schuld sind diesmal aber nicht neue illegale Formate, sondern das legale Streaming.
Europa-Marktführer Spotify aus Schweden etwa hat seinen Umsatz von 2011 auf 2012 auf fast 400 Millionen Dollar mehr als verdoppelt, schrieb aber noch rund 50 Millionen Dollar Verluste. US-Konkurrent Pandora machte im ersten Quartal 2014 125 Millionen Dollar Umsatz bei mehr als 20 Millionen Dollar Verlust.