Martin Schulz Wen die SPD für reich hält

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat seine Steuerpläne enthüllt. Er vermeidet dabei einen Fehler seines Vorgängers - aber an entscheidender Stelle bleibt er leider vage.

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Kanzlerkandidat Martin Schulz (SPD) Quelle: dpa

Der Mann da vorne am roten Pult strahlt Souveränität und Beherrschung aus. Kritische Fragen? Werden wahlweise mit kühler Schärfe beantwortet oder mit ironischer Beiläufigkeit abgebügelt. Nichts, gar nichts sieht nach Wackeln oder Wanken aus. Die Entscheidungen sind gefallen. Nun heißt es: Kurs halten.

Olaf Scholz, der Hamburger Bürgermeister, stiehlt Martin Schulz, seinem Parteichef und Kanzlerkandidaten, an diesem Montagmittag beim gemeinsamen Auftritt die Show. Man kann es nicht anders sagen: Es ist Scholz, nicht Schulz, der den sattelfesteren Eindruck macht, wenn es um die Steuerpolitik der SPD geht. Natürlich, Schulz ist laut und leidenschaftlich, verspricht Gerechtigkeit, üppige Investitionen in Höhe von 30 Milliarden Euro und überhaupt eine bessere Zukunft. Aber an diesen Sound hat man sich langsam gewöhnt. Scholz hingegen bleibt leiser - aber wann immer er etwas sagt, hat man das Gefühl, dass hier wirklich jemand weiß, was er will. Und warum er es will.

Der Kanzlerkandidat wirkt fast ein wenig erleichtert, als die gemeinsame Vorstellung nach knapp einer Stunde beendet ist. Die Steuerpläne waren der letzte noch unveröffentlichte Kernpunkt des SPD-Wahlprogramms. Nun liegen die Vorschläge also vor. Finanzen und SPD, das war in den vergangenen Wahlkämpfen immer ein Krampf, Martin Schulz wusste das. Auch deshalb hat er sich Zeit gelassen, alles sollte diesmal sitzen, exakt durchgerechnet sein, Sinn ergeben und dem politischen Gegner wenig Raum zum Angriff lassen.

Aber tut es das? In Bezug auf Wahlkampftauglichkeit dürfte die wichtigste Lehre aus dem Wahlkampf von Peer Steinbrück folgende sein: Wer unter „mehr Gerechtigkeit“ nur mehr Belastung versteht, hat bereits verloren. Schulz' Steuerpläne tappen tatsächlich nicht in diese Falle, so wie es dem Kanzlerkandidat des Jahres 2013 noch passiert war, denn sie sind eine Mischung aus Be- und Entlastung. Allerdings sind angesichts von Milliarden-Überschüssen im Bundeshaushalt Steuererhöhungen ohnehin nicht gerade leicht zu begründen.

Im Detail sieht das SPD-Konzept Folgendes vor:

- Der Spitzensteuersatz soll für Singles künftig ab 76.200 Euro zu versteuerndem Einkommen greifen, nicht wie heute bei knapp 54.000. Dafür steigt der Satz von 42 auf 45 Prozent. Konkret entlastet würden Jahres-Einkommen bis 60.000 Euro, erst darüber wären mehr Steuern fällig als heute.

- Die so genannte Reichensteuer für Einkommen ab 250.000 Euro steigt zudem von 45 auf 48 Prozent.

- Den Soli will die SPD ab 2020 schrittweise abschaffen, zunächst für Mittel- und Geringverdiener.

- Gerade kleine Einkommen, zwischen 451 und 1300 Euro monatlich, sollen zusätzlich über einen anderen Hebel als den Steuertarif entlastet werden: niedrigere Sozialabgaben. Im Falle der Rentenbeiträge soll dabei aber der volle Rentenanspruch erhalten bleiben. Dank eines Ausgleichs über Steuermittel.

- Die Abgeltungsteuer wird abgeschafft.

„Die erste echte Steuerreform seit 2002“ verspricht Schulz bei der Vorstellung seiner Pläne, alles in allem handle es sich um eine steuerliche Entlastung von rund 15 Milliarden Euro. Das ist wohl nicht zufällig eine Größenordnung wie sie auch bei der Union diskutiert wird.

Allerdings bleibt Schulz in einer heiklen Frage viel zu vage: der Erbschaftsteuer. Auf die umstrittene Vermögensteuer wird der linke Flügel der Partei im Wahlprogramm verzichten müssen, das macht Schulz klar - doch wie als Ersatz eine „umfassende“ Reform der Erbschaftsteuer aussehen sollte, was unter „weniger Ausnahmen“ zu verstehen ist und was es konkret heißt, wenn die SPD „sehr große Erbschaften höher besteuern“ will – darüber verlieren weder Schulz noch Scholz ein einziges Wort.

Das lässt Raum für Zweifel – und eben doch Angriffspunkte für die Konkurrenz.

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