Steuerhinterziehung Ab einer Million Euro in den Knast

Der Bundesgerichtshof hat entschieden: Wer mehr als eine Million Euro Steuern hinterzieht, begeht ein schweres Verbrechen und muss ins Gefängnis ohne Bewährung.

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Das Schild mit dem Bundesadler am Bundesgerichtshof (BGH) Quelle: dpa

Der BGH hat in einem mit Spannung erwarteten Spruch ein mildes Urteil gegen einen Steuerhinterzieher einkassiert. Das Landgericht Augsburg hatte zuvor einen geständigen Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen mit insgesamt 1,1 Millionen Euro zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren mit Bewährung verurteilt. Die Bewährung wurde erteilt, weil der Täter Reue gezeigt hatte.

Bewährung nur in Ausnahmefällen

Dagegen aber hatte die Staatsanwaltschaft protestiert und mit der Revision nun beim BGH Erfolg. Jetzt muss das Landgericht Augsburg das Strafmaß neu verhängen. Klar ist nach dem höchstrichterlichen Urteil, dass bei Steuerhinterziehungen von über einer Million Euro grundsätzlich Haftstrafen ohne Bewährung fällig sind. Eine Bewährungsstrafe komme nur bei besonders gewichtigen Milderungsgründen infrage, so die BGH-Richter.

Welche Promis schon verurteilt wurden
900.000 Euro hinterzogene Steuern: Der Sänger Freddy Quinn hatte seinen Hauptwohnsitz jahrelang in der Schweiz, lebte aber überwiegend bei seiner Hamburger Lebensgefährtin Lilly Blessmann. Die deshalb in Deutschland fälligen Steuern, zwischen 1998 und 2002 immerhin rund 900.000 Euro, hat der Österreicher nach eigenem Eingeständnis aber nie bezahlt. Er habe sich nie mit finanziellen Dingen beschäftigt, rechtfertigte sich der Musiker vor Gericht. Außerdem beglich er sofort seine Steuerschuld, so dass im Prozess 2004 die verhängte Haftstrafe von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Hinzu kam ein Bußgeld über 150.000 Euro. Quelle: ap
970.000 Euro hinterzogene Steuern: Klaus Zumwinkel verlor wegen einer Steueraffäre seinen Job als Vorstandschef der Deutschen Post. Ermittler der Bochumer Staatsanwaltschaft durchsuchten vor laufenden Fernsehkameras im Februar 2008 das Privathaus des Topmanagers. Die Staatsanwaltschaft warf Zumwinkel vor, über die LGT Bank Geld in eine Stiftung nach liechtensteinischem Recht geschleust und so den deutschen Fiskus um fast eine Million Euro betrogen zu haben. Mitte Februar 2008 trat der Post-Chef zurück und wurde knapp ein Jahr später zu zwei Jahren Haft auf Bewährung plus Zahlung einer Geldstrafe von einer Millionen Euro verurteilt. Quelle: dpa
1,96 Millionen DM hinterzogene Steuern: Der frühere Verfassungsschutzchef und Ex-Verteidigungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls war eine Schlüsselfigur der CDU-Spendenaffäre. Er räumte ein, vom Geschäftsmann Karlheinz Schreiber 3,8 Millionen Mark erhalten zu haben. Schreiber habe das Geld für ihn in der Schweiz verwaltet. Ausgehändigt worden seien ihm 873.000 Mark. Das Landgericht Augsburg erklärte ihn 2005 der Vorteilsannahme und Steuerhinterziehung für schuldig und verurteilte ihn zu zwei Jahren und drei Monaten Haft. Pfahls kam nach gut 13 Monaten frei, musste aber Ende 2011 erneut wegen Bankrotts und Betrugs in Haft. Quelle: dapd
1,7 Millionen Euro hinterzogene Steuern: Um weniger Steuern zu zahlen, verlegte Tennis-Star Boris Becker Anfang der 90er-Jahre seinen Wohnsitz von München nach Monaco. Tatsächlich aber lebte er weiter überwiegend in Bayerns Metropole und nicht im Fürstentum. Das Landgericht München verurteilte ihn deshalb 2002 wegen Steuerhinterziehung von 1,7 Millionen Euro zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und 500.000 Euro Geldstrafe. Becker räumte eigene Fehler ein – was das Gericht ebenso strafmildernd berücksichtigte wie die Tatsache, dass Becker vor Prozessbeginn rund 3,1 Millionen Euro Steuern nachgezahlt hatte. Quelle: dapd
22,6 Millionen DM hinterzogene Steuern: Der frühere Springreiter Paul Schockemöhle hatte große Summen über Stiftungen in Liechtenstein am deutschen Fiskus vorbeigeschleust. 1996 wurde er deshalb zu elf Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt und musste 22,6 Millionen Mark Steuern nachzahlen. Schockemöhle wurde zum Verhängnis, dass dem Liechtensteiner Treuhänder Herbert Batliner Teile seiner Kundendatei gestohlen und den deutschen Steuerbehörden zugespielt wurden. Der Ex-Sportler, dem für eine erfolgreiche Selbstanzeige keine Zeit mehr blieb, verklagte Batliner später wegen der Datenpanne – ohne Erfolg. Quelle: dpa
203 Millionen Euro hinterzogene Steuern: Das Landgericht München verurteilte den Geschäftsführer des VIP Medienfonds 3, Andreas Schmid, 2007 wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Schmid hatte versucht, den Fiskus um 203 Millionen Euro zu prellen, indem er beim Finanzamt zu Unrecht „gewinnmindernde Aufwendungen“ geltend machte. Der Angeklagte wusste, dass nur 20 Prozent der Aufwendungen für die Filmproduktion verwendet, aber 80 Prozent zugunsten des Fonds angelegt wurden. Kurioserweise war nicht Schmid selbst Nutznießer der Steuerersparnis. Profitiert haben vielmehr zum größten Teil die Anleger des Medienfonds. Quelle: obs

Im vorliegende Fall hatte der Täter zwei Straftaten begangen. Der Angeklagte war im Jahr 2001 Mitgesellschafter und Geschäftsführer der P. GmbH. Diese und eine weitere Gesellschaft verkaufte er an die T. AG für 80 Millionen Mark; daneben zahlten ihm seine beiden Mitgesellschafter für den Verkauf von deren Anteilen je 300.000 Mark. Für seine eigenen Gesellschaftsanteile erhielt er 28,8 Millionen Mark. Zusätzlich zum Kaufpreis erhielt er Aktien der T. AG im Wert von 7,2 Millionen Mark als Gegenleistung dafür, dass er der T. AG den Kauf auch der anderen Gesellschaftsanteile der P. AG ermöglicht hatte. Dieses Aktienpaket deklarierte er in seiner Einkommensteuererklärung fälschlicherweise als weiteres Kaufpreiselement. Dadurch erlangte er die günstigere Versteuerung nach dem Halbeinkünfteverfahren für Veräußerungserlöse gemäß § 17 Einkommensteuergesetz, so dass er für das Jahr 2002 mehr als 890.000 Euro Einkommensteuer hinterzog.

Hinterziehung in großem Ausmaß

Später war der Angeklagte weiter Geschäftsführer der P. GmbH, wofür ihm im Jahr 2006 auch Tantiemen in Höhe von mehr als 570.000 Euro zustanden. Um die dafür zu entrichtende Lohnsteuer zu hinterziehen, veranlasste er – als „Gegenleistung“ für einen „Verzicht“ auf die Tantiemen – deren „Schenkung“ an seine Ehefrau und seine Kinder. Die dafür bezahlte Schenkungsteuer war wesentlich niedriger als die an sich fällige Lohnsteuer; diese wurde dadurch in Höhe von 240.000 Euro verkürzt.

Das Landgericht hat in beiden Fällen wegen Hinterziehung von Steuern „in großem Ausmaß“ i.S.v. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Abgabenordnung einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung angenommen und jeweils Freiheitsstrafen verhängt: Für die erste Tat von einem Jahr und neun Monaten, für die zweite Tat von zehn Monaten. Aus den beiden Einzelstrafen hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren gebildet, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.

Die Staatsanwaltschaft hält die Strafzumessung aus mehreren Gründen zu Gunsten des Angeklagten für rechtsfehlerhaft und erstrebte höhere Strafen, jedenfalls aber den Wegfall der Strafaussetzung zur Bewährung. Das sieht der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs nun auch so (Az 1 StR 525/11).

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