Wikipedia & Co.: Welchen Netzmarken die Generation 50+ vertraut

Wikipedia ist bei der Generation über 50 die beliebteste Marke im Internet.
Vor 13 Jahren hat ein Mann mit einer Idee die Welt verändert. Zumindest aber das Internet. 2001 hob Jimmy Wales Wikipedia aus der Taufe, dass das gesammelte Wissen der Netzgemeinde allen zugängig macht. Heute gibt es in der Online-Enzyklopädie Wikipedia rund 13 Millionen Artikel in 285 Sprachen - ein Großteil davon verteilt sich auf neun Sprachen. Wie groß die Datenbasis des Lexikons genau ist, weiß niemand so recht. Wales rechnet mit einigen Terabyte. Seine derzeitige Mission: die Vielfalt der Themen und der freiwilligen Autoren zu stärken. "Die Zahl unserer freiwilligen Redakteure ist über die Jahre stabil geblieben, wir haben etwa 85.000 pro Monat", sagte er. Und weiter: "Ich denke, das ist momentan genug. Klar: Je mehr wir haben, um so schneller können wir das Material aktualisieren."
In schnelllebigen Internetjahren ist Wikipedia mit seinen 13 Jahren ein Dinosaurier. Trotzdem gehört die Online-Enzyklopädie nicht zum alten Eisen, denn nie war das Teilen von Informationen und Wissen ein so großes Thema wie heute. Laut Gründer Wales hat das Portal weltweit 532 Millionen Nutzer im Monat.
Laut einer Forsa-Umfrage unter 1008 deutschen Internetnutzern ab 14 Jahren kennen 93 Prozent das Internetlexikon. 53 Prozent bezeichnen sich als gelegentlichen Nutzer, für 42 Prozent ist Wikipedia der erste Anlaufpunkt für Recherchen im Netz. Und die Zahl der mobilen Zugriffe steigt. Allein im Januar besuchten 6,09 Millionen Menschen die mobile Seite von Wikipedia. Nach Google (14,36 Millionen) und Facebook (10,44 Millionen) ist Wikipedia damit die am dritthäufigsten mit dem Smartphone oder Tablet aufgerufene Seite. Auch international wachsen die mobilen Zugriffe: "Wir beobachten in Afrika eine unglaubliche Beschleunigung beim Internet-Zugang per Handy - das entwickelt sich schneller, als so mancher hier ahnt", sagt Wales. Leider mache der kleine Handy-Bildschirm das Schreiben schwierig. "Aber wenn es mehr Leser gibt, dann gibt es auch mehr Freiwillige, die etwa in Zulu schreiben."
Derzeit gehört wikipedia.org zu den zehn am häufigsten frequentierten Internetseiten der Welt. Im September 2013 war die Seite weltweit auf Platz sechs, in Deutschland belegte Wikipedia zu diesem Zeitpunkt Platz sieben. Und das aus gutem Grund, wie Holger Geißler vom Marktforschungsinstitut YouGov sagt: "Es gibt eigentlich keine Alternative zu Wikipedia. Man kann höchstens Menschen fragen oder doch den guten alten Brockhaus zur Hand nehmen." Wales dagegen sieht die Konkurrenzlosigkeit darin begründet, dass Wikipedia im Grunde ein schlechtes Geschäft sei: "Wir leben von Spenden, wir geben alles umsonst ab - also sind wir nicht unbedingt ein lukratives Geschäftsmodell."
Und dennoch ist es eines der erfolgreichsten Projekte im Internet, die "Zeit" bezeichnet das Lexikon einmal als "das größte Werk der Menschen". Noch vor zehn Jahren sah es mit Akzeptanz des Onlinelexikons dagegen ganz anders aus: An Universitäten und in Schulen wurde das Portal verteufelt, die Artikel als unseriös und nichtwissenschaftlich bezeichnet. 2014 ist diese Anschauung überholt, wie Geißler sagt: "Auch die Reputation wird sehr gut bewertet."
Mittlerweile nutzen 73 Prozent der männlichen Internetnutzer die Online-Enzyklopädie Wikipedia zumindest gelegentlich. Bei den Frauen sind es 75 Prozent. Das ist das Ergebnis einer Online-Studie von ARD und ZDF. Am häufigsten besuchen demnach die 14- bis 19-Jährigen mit 95 Prozent die Plattform. Danach folgen die 20- bis 29-Jährigen mit 93 und die 30- bis 39-Jährigen mit 81 Prozent. Unter den 40- bis 49-Jährigen sind 77 Prozent Wikipedianutzer, bei den 50- bis 59-Jährigen sind es 61 Prozent und bei den 60- bis 69-Jährigen 47 Prozent. Außerdem nutzen 32 Prozent der über 70-Jährigen Wikipedia zumindest gelegentlich. Das zeigt auch die Beliebtheit der Marke. Bei der Gruppe der über 50-Jährigen in Deutschland ist Wikipedia laut dem Markenranking YouGov BrandIndex Top Performer 2013 die beliebteste Marke im Netz. Die Unterschiede zwischen den Altersklassen (unter 30, 30 bis 50, 50 und älter) sind zwar nicht gravierend, aber auch nicht marginal. Auch "in den USA finden die Ältesten Wikipedia am besten", wie Geißler sagt.

Platz 5: Die Sparkasse
Sieben Prozent der Nennungen entfielen auf die Geldinstitute. Mit zunehmenden Alter nimmt die Präferenz für eine bestimmte Marke allerdings immer weiter ab. Bei der Generation 50plus gaben 19 Prozent an, gar keine Lieblingsmarke zu haben. "Für Unternehmen wird es daher zunehmend schwerer, insbesondere ältere Kunden langfristig an eine bestimmte Marke zu binden", sagt Hans Meier-Kortwig, geschäftsführender Gesellschafter der GMK Markenberatung.

Platz 4: Samsung
Den koreanischen Elektronikkonzern nannten 8 Prozent der befragten über 50-Jährigen als Lieblingsmarke. Aufgrund ihrer Lebenserfahrung zählt die Generation 50 plus zu den anspruchsvollsten Käuferschichten. Die Kaufkraft dieser Altersgruppe liegt bei über 90 Milliarden Euro pro Jahr.

Platz 3: BMW
Der bayerische Autobauer ist für 11 Prozent der Befragten die persönliche Lieblingsmarke. Die Akzeptanz bei den über 50-Jährigen wird für Autobauer zunehmend wichtiger. So liegt das Durchschnittsalter von Käufern eines Neuwagens nach einer Untersuchung des CAR Center Automotive Research mittlerweile bei 51,3 Jahren. Heute sind bereits mehr als 30 Millionen Deutsche über 50 Jahre alt; bis 2050 soll ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung auf 50 Prozent ansteigen.

Platz 2: Volkswagen
Noch beliebter als die Münchener sind allerdings die Wolfsburger bei der Generation 50 plus. 19 Prozent wählten VW zur ihrer Lieblingsmarke. In der Gruppe der 14- bis29-Jährigen schaffte es übrigens keine einzige Automarke unter die Top 3. Stattdessen steht der Sportartikelproduzent Adidas auf Rang 3 und iPhone-Erfinder Apple auf Rang 2.

Platz 1: Mercedes
Der schwäbische Premiumautobauer ist und bleibt die Lieblingsmarke der über 50-Jährigen. Mit 20 Prozent der Nennungen fährt Mercedes aufs Siegertreppchen. Die Bemühungen, die Marke auch bei der Generation der unter 30-Jährigen beliebter zu machen - etwa durch die neue A-Klasse - fruchten noch nicht. Die Lieblingsmarke der 14- bis 29-Jährigen ist Samsung mit 28 Prozent der Nennungen.
Dass gerade die älteren Semester treue Wikipedia-Fans sind, mag mit der unterschiedlichen Internetnutzung der Generationen zusammenhängen. "Wer kein Social Media nutzt, findet Wikipedia besser als Facebook-Nutzer", hat Geißler beobachtet. "Das hat etwas damit zu tun, wie die Menschen im Netz an Informationen gelangen: Wer sich nicht über Netzwerke informiert, ist auf Wikipedia angewiesen." Oder auf den bereits erwähnten Brockhaus. Doch nur ein viertel der über 50-Jährigen nehmen an sozialen Netzwerke teil, wie eine Erhebung des statistischen Bundesamtes zeigt:
Insgesamt sind 71,8 Prozent der 50- bis 59-Jährigen online, bei den 60- bis 69-Jährigen fällt dieser Wert bereits auf 54,0 Prozent und bei den über 70-Jährigen nutzt nur noch knapp jeder Vierte (23,3 Prozent) das Internet.
Positiv ist zu werten, dass die 60- bis 69-Jährigen mit 5,5 Prozentpunkten den größten Anstieg bei der Internetnutzung aller Altersdekaden zu verzeichnen haben. Auch bei den über 70-Jährigen stieg der Onliner-Anteil mit 4,4 Prozentpunkten weit überdurchschnittlich.
Für die Mehrheit ist das Netz jedoch kein Kommunikationsmittel, sondern ein Wissensvermittler. Immerhin nutzen knapp 30 Prozent der Befragten im Alter von über 65 Jahren das Internet zum Schreiben von E-Mails an Familie, Freunde und Bekannte, wie eine Statistik zeigt.
Die Hauptgründe, warum die von den Marketingabteilungen als "Silver Surfer" bezeichnete Generation (50 bis 87) online geht, sind:
Damit ist Wikipedia gerade für die ältere Generation eine gute Anlaufstelle zur Beschaffung von Informationen. So gab es im April 2013 auf den Seiten von Wikipedia weltweit rund 26,4 Millionen Artikel, 1,6 Millionen davon waren deutschsprachig. Täglich kommen etwa 400 neue Artikel hinzu, 100 bis 150 davon werden allerdings aus Relevanzgründen wieder gelöscht.
Doch während die treuen Fans der Marke Wikipedia älter werden, stehen hinter dem Portal selbst noch eher jüngere Köpfe: Das durchschnittliche Alter der Autoren und Administratoren liegt bei 34,3 Jahren. Nach einer Ehrhebung durch den Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Würzburg sind 4,1 Prozent der aktiven Wikipedianer jünger als 18 Jahre, 49 Prozent stammen aus der Altersgruppe der 18- bis 32-Jährigen. 31,2 Prozent sind zwischen 33 und 48 Jahre alt und 13,5 Prozent sind 49 bis 64 Jahre alt. 2,1 Prozent sind älter als 64 Jahre. Vergleicht man die Auswertungen von 2006 und 2010 miteinander, ist ein Altern der Wikipedianer zu beobachten.
Das Projekt "Silberwissen" des Vereins Wikimedia Deutschland, wollte diese Entwicklung zum Teil auch unterstützen. Zwischen 2010 und 2013 versuchte der Verein, zusammen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, Ältere für das Mitmach-Internet und natürlich auch als Autoren für Wikipedia zu gewinnen. So heißt es auch im Abschlussbericht des von der EU-Kommission geförderten Projekts "Third Age Online – Community & Collaboration": "Ziel des Gesamtvorhabens war es, neue Nutzungsmöglichkeiten des Internets (Web 2.0) für ältere Erwachsene (Zielgruppe 50+) aufzuzeigen. Im Mittelpunkt stehen Ältere, die in die Nutzung des Internets zur Zusammenarbeit (Collaboration) und Communitybildung (Aufbau sozialer Netzwerke) eingeführt werden sollten. Eng damit verbunden war das Ziel, ihre Wissens- und Erfahrungsressourcen sowie ihre sozialen Kompetenzen einzubeziehen und ihnen ein höheres Maß an gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen."
Und weiter: "Innerhalb dieses Rahmens war es das Ziel des Teilvorhabens "Silberwissen" von Wikimedia Deutschland, Menschen mit umfangreicher Berufs- und Lebenserfahrung als ehrenamtliche Autor(inn)en für Wikipedia zu gewinnen. Der Schwerpunkt lag auf einer möglichst langfristig verbesserten Beteiligung von Senior(inn)en an der Online-Enzyklopädie. Älteren sollte die Möglichkeit aufgezeigt werden, ihr Wissen und ihre Erfahrungen in der Online-Enzyklopädie zu teilen und damit für interessierte Nutzer(inn)en zur Verfügung zu stellen." Auch Wikipedia-Gründer Wales sagt, dass er gar nicht so sehr an einer hohen Mitarbeiterzahl als vielmehr einer guten Vielfalt von Leuten interessiert sei, die aus allen Bereichen des Lebens kommen. "Wir wollen diese Vielfalt stärken, das ist unsere große Herausforderung. Wir wissen, dass unsere Gemeinschaft aus vielen männlichen Technik-Fans besteht, weshalb auch Dinge wie etwa USB-Standards besonders gut beschrieben werden. Aber es wird schon dünner, wenn es um frühkindliche Bildung oder eine preisgekrönte Roman-Autorin geht. Die Leute schreiben eben nur über das, was sie kennen."
Vielleicht auch deshalb nimmt die Zahl der aktiven Schreiber bei Wikipedia in Deutschland stetig ab: Während im Jahr 2007 noch 85.141 aktive Autoren schrieben, waren es 2012 nur noch 75.490. Mit ein Grund dafür könnte sein, dass der Einstieg bei Wikipedia heute viel schwieriger ist, als zu Zeiten, als die Plattform noch in den Kinderschuhen steckte. Das gibt auch Wales zu. Er sagt: "Wir testen gerade ein einfaches System, das es uns erlaubt, eine größere Bandbreite von Freiwilligen an Bord zu holen, die nicht so vertraut mit der Technik sind. Das ist die wichtigste strategische Herausforderung, die vor uns liegt, da haben wir noch zu wenig Fortschritte gemacht." Bereits 2011 monierte ein Wikipedianer, Tim Bartel, gegenüber WirtschaftsWoche Online, dass die gestiegene Qualität der Artikel den Einstieg erschwere. Wer nicht studiere tue sich mit Verbesserungen oft schwer, sagte Bartel. "Es ist auch schwierig, etwas zu finden, zu dem noch kein Eintrag existiert", so Bartel. So gibt es einen harten Wettbewerb darum, wer noch ein neues Thema beginnt. "Ich weiß nicht, ob ich heute wieder den Nerv hätte, mich da einzubringen, wenn ich zum ersten Mal auf Wikipedia stoßen würde."












