Flüchtlinge in Deutschland: Helfen per App

Autobahnmeisterei
Zelte für rund 200 Menschen wurden im baden-württembergischen Neuenstadt auf dem Gelände einer früheren Autobahnmeisterei aufgestellt. Im Südwesten sind auch mehrere hundert Flüchtlinge in der Landesfeuerwehrschule in Bruchsal untergebracht.

Berg
Deutschlands höchstgelegene Flüchtlingsunterkunft befindet sich im Alpenvorland auf dem 1071 Meter hohen Auerberg. Das Panorama reicht an schönen Tagen von den Schweizer Alpen bis nach Tirol - doch bis zur nächsten Ortschaft ist es eine Dreiviertelstunde Fußmarsch.

Container
Seit Frühjahr baut Berlin auf eigenen Grundstücken sechs Wohncontainerdörfer mit insgesamt 2200 Plätzen auf. Drei davon sind schon bezogen. Auch in Bochum ist ein Containerdorf auf einer Friedhofswiese geplant, die allerdings als Bauland ausgewiesen ist.

Bischofswohnung und Priesterseminar
In Hannover hat der evangelische Landesbischof Ralf Meister einen Teil seiner Dienstwohnung für zwei Flüchtlinge abgetreten. Das katholische Bistum Osnabrück lässt zwei pakistanische Asylbewerber in seinem Priesterseminar wohnen.

Ehemaliger Nachtclub
Die Stadt Ronnenberg bei Hannover will ab Herbst ein nicht mehr benutztes Erotikhotel als Flüchtlingsunterkunft für 25 Menschen nutzen.

Jugendherberge
Immer mehr Jugendherbergen in Deutschland öffnen ihre Türen für Flüchtlinge. In Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen haben die Herbergswerke etwa vereinbart, in der kälteren Jahreszeit mindestens acht Häuser als Flüchtlingsunterkunft zu nutzen, wie Knut Dinter, Sprecher des Deutschen Jugendherbergswerks, berichtet. Mehr als 1000 Menschen werden dort untergebracht.

Kaserne
In Südbrandenburg wird eine seit 2007 verlassene Bundeswehrkaserne in Doberlug-Kirchhain für neue Bewohner hergerichtet. Statt Fallschirmjägern oder Beamten nun Asylbewerber. Auch in Kiel-Holtenau leben mehrere hundert Flüchtlinge in umgebauten Kasernengebäuden des ehemaligen Marinefliegergeschwaders 5.

Konzerthalle
Erfurt überlegt, die Thüringenhalle als Notunterkunft für Flüchtlinge zu nutzen. In der Konzerthalle könnten sie solange untergebracht werden, bis andere Unterkünfte gefunden sind. Und die werden in der Landeshauptstadt spätestens im September knapp. Deshalb sollen in den nächsten Wochen Container aufgestellt werden. Zelte als Notlösung schlossen mehrere Städte in Thüringen aus.

Sporthalle
Zurzeit dient eine Sporthalle in Neumünster für 350 Asylbewerber als Notunterkunft. Auch in Oldenburg wird auf dem ehemaligen Fliegerhorst unter anderem eine umgebaute Sporthalle genutzt, wo 100 Plätze für Flüchtlinge zur Verfügung stehen. Berlin hatte bis Ostern acht Turn- und Sporthallen in Notunterkünfte umfunktioniert. Die sind jedoch an ihre Nutzer zurückgegeben worden.

Traglufthalle
Seit vergangenen Herbst leben in Berlin immer bis zu 300 Flüchtlinge in zwei Traglufthallen auf einem ehemaligen Fußballplatz in Mitte. In Düsseldorf sollen 600 Menschen in vier aufblasbaren, beheizbaren Traglufthallen mit festem Boden unterkommen. Mietkosten: 250.000 Euro monatlich.

Zeltstadt
In Sachsen-Anhalt reichen die 1000 regulären Plätze der Erstaufnahmeeinrichtung in Halberstadt nicht mehr. Nach kurzen Provisorien in Turnhallen entschied das Innenministerium, mit einer Zeltstadt Hunderte zusätzliche Schlafplätze zu schaffen. In Köln wird auf einer Bezirkssportanlage eine Zeltstadt aufgebaut. In Gießen und Wetzlar in Hessen gibt es bereits Zeltlager. An einer Zeltstadt für mehr als 1000 Menschen in Dresden kam es zwischen Rechten und Unterstützern der Flüchtlinge schon mehrfach zu Auseinandersetzungen.
Die Idee zur Helphelp2-App kam Rüdiger Trost aus München beim Einkaufen im Supermarkt. „Ich wollte hilfreiche Dinge für Flüchtlingsunterkünfte kaufen, wie zum Beispiel Zahnbürsten oder Ähnliches. Da ich mir nicht sicher war, was genau bei mir in der Region gebraucht wird, habe ich im Internet danach gesucht. Und nichts gefunden“, sagt Wirtschaftsinformatiker Trost, der für ein IT-Sicherheitsunternehmen arbeitet.
Diese persönliche Erfahrung und die seit Wochen angespannte Flüchtlingssituation rund um den Münchener Hauptbahnhof haben Trost zum Handeln verleitet. Zusammen mit einem befreundeten App-Entwickler hat er die kostenlose Helphelp2-App konzipiert.
Das Grundprinzip: Die App zeigt auf einer Karte an, wo in Deutschland welche Sachspenden aktuell gebraucht werden. Seit rund drei Wochen gibt es HelpHelp2 für Android-Geräte, und seit wenigen Tagen ist die App auch auf iPhones nutzbar. Während das Interesse der Helfer hoch ist – rund 5000 Mal wurde Helphelp2 bereits runtergeladen - haben sich bislang noch relativ wenige Hilfsorganisationen beteiligt. Schaut man sich die Deutschlandkarte an, findet man bisher nur Einträge in Großstädten wie München, Berlin und Stuttgart oder Ballungsräumen wie im Ruhrgebiet. „Wir haben viele Ideen im Kopf, wie wir die App erweitern können. Es geht aber zunächst einmal darum, dass die Karte voller wird und mehr Organisationen, Informationen über Sachspenden teilen“, so Trost.
Der Wunsch, Flüchtlingen zu helfen, ist derzeit bei vielen Menschen groß. So gehen beispielsweise beim Flüchtlingsrat NRW wöchentlich Meldungen von neu gegründeten Hilfsgruppen ein. Da kann man schnell den Überblick verlieren. „Digitale Möglichkeiten der Flüchtlingshilfe, wie zum Beispiel spezielle Apps, können eine Arbeitserleichterung für alle darstellen“, sagt Antonia Kreul vom Flüchtlingsrat NRW. Bislang seien die Angebote aber häufig noch lokal begrenzt oder würden sich teilweise in ihren Angeboten überschneiden.
Auch die Stadt Witten hat vor einigen Monaten eine App entwickelt, für die lokale Flüchtlingshilfe. Diese diente zunächst vorrangig den Wittenern zur Information, wie sie sich konkret vor Ort engagieren können. In den nächsten Wochen soll nun ein neues Projekt starten, das auch speziell auf die Bedürfnisse der aktuell rund 1.100 Flüchtlinge in Witten angepasst ist. „Die Plattform wird in mindestens zehn Sprachen verfügbar sein. Wir haben zusammen mit Ehrenamtlichen und Flüchtlingen ein Online-Bilderwörterbuch entwickelt mit den wichtigsten Begriffen für den Alltag“, erklärt Astrid Raith, die bei der Stadt Witten für das Thema E-Government zuständig ist.

Finanz-Verteilung
Die meisten Kosten etwa für Unterbringung, Verpflegung und medizinische Versorgung fallen bei Ländern und Kommunen an. Der Bund will sich daran strukturell, dauerhaft und dynamisch beteiligen. Für das laufende Jahr verdoppelt der Bund seine Hilfe auf zwei Milliarden Euro. Ab 2016 zahlt er den Ländern eine Pauschale von 670 Euro monatlich pro Flüchtling, und zwar von der Registrierung bis zum Abschluss des Verfahrens. Insgesamt erhalten die Länder für 2016 vorab 2,68 Milliarden Euro. Die Summe orientiert sich an 800.000 Flüchtlingen pro Jahr und einer Verfahrensdauer von fünf Monaten. Kommen mehr Menschen oder dauern die Verfahren länger, muss der Bund tiefer in die Tasche greifen, denn am Ende des Jahres gibt es eine "personenscharfe Spitzabrechnung". Zudem erhöht der Bund für die Jahre 2016 bis 2019 seine Zahlungen für den sozialen Wohnungsbau um jeweils 500 Millionen Euro. Für die Betreuung unbegleiteter Minderjähriger zahlt der Bund 350 Millionen Euro pro Jahr.

Leistungen
In den Erstaufnahmeeinrichtungen sollen Bargeldzahlungen wie etwa das Taschengeld durch Sachleistungen ersetzt werden. Wird doch Geld ausgezahlt, soll dies nur noch für maximal einen Monat im Voraus möglich sein. Rechtskräftig abgelehnte und ausreisepflichtige Personen, die einen Termin zur freiwilligen Ausreise verstreichen lassen, werden die Leistungen gekürzt: Sie erhalten dann bis zur Ausreise oder Abschiebung nur noch das Notwendige, um Ernährung und Unterkunft sowie die Körper- und Gesundheitspflege sicherzustellen. Dies soll alles als Sachleistungen gewährt werden. Die Regelung gilt auch für Personen, die im Zuge eines künftigen Verteilsystems in der EU in einen anderen Mitgliedstaat umgesiedelt wurden.

Unterkünfte
Der Bund übernimmt die Verteilung der Flüchtlinge und Asylbewerber auf die Länder und richtet "Wartezentren" für Neuankömmlinge ein. Um die Schaffung von Flüchtlingsunterkünften zu beschleunigen, soll zudem das Bauplanungsrecht zeitlich befristet gelockert werden. Auch werden Abweichungen bei den Vorgaben zu erneuerbaren Energien möglich gemacht. Ergänzend können die Länder Vorschriften lockern, die in ihre Zuständigkeit fallen. Flüchtlinge aus Westbalkan-Staaten sollen künftig bis zu sechs Monate in den Erstaufnahmezentren bleiben dürfen und damit bis zum Ende des Asylverfahrens. Bund und Länder haben sich darauf verständigt, 150.000 Erstaufnahmeplätze zu schaffen.

Gesundheit
Die Krankenkassen in einem Bundesland können verpflichtet werden, die Gesundheitsbehandlungen von Flüchtlingen zunächst zu übernehmen. Sie erhalten das Geld später von den Kommunen zurück und bekommen auch den Verwaltungsaufwand ausgeglichen. In diesem Rahmen kann auch die Einführung einer Gesundheitskarte auf Länderebene vereinbart werden. Dies soll vor allem den Verwaltungsaufwand verringern, denn bislang müssen sich Asylbewerber für fast jeden Arztbesuch vom Amt eine Bescheinigung holen.

Integration
Menschen, die in Deutschland bleiben dürfen, sollen möglichst schnell in Gesellschaft und Arbeitswelt integriert werden. Die Integrationskurse werden daher für Asylbewerber sowie Geduldete mit guter Bleibeperspektive geöffnet. Nach drei Monaten dürfen Asylbewerber und Geduldete als Leiharbeiter eingesetzt werden, wenn es sich um Fachkräfte handelt. Für geringer Qualifizierte ist der Zugang zur Leiharbeit erst nach 15 Monaten möglich.

Abschiebung
Wer aus wirtschaftlichen Gründen, aber nicht wegen politischer Verfolgung oder Krieg einreist, soll schneller abgeschoben werden. Auch sollen Abschiebungen durch die Länder nur noch für drei Monate ausgesetzt werden dürfen. Flüchtlingen, die ihre Ausreise haben verstreichen lassen, wird der Termin der Abschiebung nicht mehr vorher angekündigt, um ein Untertauchen zu verhindern.

Westbalkan-Staaten
Nach Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina werden auch Albanien, Kosovo und Montenegro asylrechtlich als sichere Herkunftsstaaten eingestuft, um die Asylverfahren zu beschleunigen. Migranten von dort werden schon jetzt zu fast 100 Prozent nicht als schutzwürdig anerkannt. Menschen aus den sechs Westbalkan-Staaten sollen aber legal einreisen können, wenn sie einen Arbeits- oder Ausbildungsvertrag für Deutschland vorlegen und die Einreise in ihrem Heimatland beantragen.
In Dresden geht man einen ähnlichen Weg. Seit wenigen Tagen gibt es die kostenlose „Welcome App“, die Flüchtlingen künftig die Orientierung erleichtern soll. So finden sie über die mehrsprachige App wichtige Informationen zum Beispiel über Sprachkurse, Kleidungs- und Nahrungsspenden, Asylberatung, Notfallhilfe, aber auch Adressen von Begegnungsstätten und Freizeitmöglichkeiten in der Umgebung.
Hinter dem App-Konzept stecken die zwei IT-Unternehmen Saxonia Systems AG und Heinrich & Reuter Solutions GmbH, die die App so entwickelt haben, dass andere Städte und Kommunen sie mit minimalem Aufwand auch an ihre Bedürfnisse anpassen können.
So wird am Tag der Deutschen Einheit die „Welcome App Deutschland“ an den Start gehen, eine komplett überarbeitete, deutschlandweite Fassung. Die Entwickler hoffen damit, möglichst umfangreich Informationen für Flüchtlinge zu generieren. Weitere Städte, Landkreise und ganze Bundesländer sollen die App bereichern, heißt es auf der Facebook-Seite des Welcome App Concepts. Mit rund 25 Städten stehen die App-Entwickler bereits in Kontakt. Bis zum Ende des Jahres wird das komplette Bundesland Sachsen in die „Welcome App Deutschland“ integriert sein wird.
Um auf die bereits bestehenden Angebote in der digitalen Flüchtlingshilfe aufmerksam zu machen und neue Projekte zu entwickeln, die den Bedürfnissen der Flüchtlinge und Hilfsorganisationen entsprechen, finden im Oktober eine Reihe von Refugee Hackathons statt.
Hackathons sind Veranstaltungen zur Entwicklung von Software in Kleingruppen. „Denkbar ist eine Art soziales Netzwerk für Flüchtlinge und Helfer. Hier kann man sich auf Augenhöhe begegnen und viel direkter helfen“, sagt Anke Domscheidt-Berg, die den Refugee Hackathon in Berlin vom 23. bis 25. Oktober ins Leben gerufen hat.












