1. Startseite
  2. Technologie
  3. Digitale Welt
  4. Fußball-Europameisterschaft: Patentklage gegen die Abseitsautomatik der UEFA

Fußball-EuropameisterschaftPatentklage gegen die Abseitsautomatik der UEFA

Nutzt der Fußballverband widerrechtlich eine Technologie zur Abseitserkennung? Darüber entscheidet – kurz vor dem Start der EM – ein Hamburger Patentgericht. Die Umstände der Klage scheinen zumindest fragwürdig.Thomas Kuhn 17.05.2024 - 10:20 Uhr

Albärt, das Maskottchen der Fußball-EM 2024, präsentiert den EM-Pokal im Münchner Fußballstadion.

Foto: Peter Kneffel/dpa

Keine zwei Wochen vor Beginn der Fußball-EM am 14. Juni droht der UEFA unerwartet juristischer Ärger. Auslöser des Streits ist die vom Fußballverband und seinem Technologiepartner Kinexon genutzte Technologie zur automatischen Abseitserkennung. 

Am 3. Juni verhandelt das europäische Einheitliche Patentgericht über die Klage des niederländischen Unternehmens Ballinno B.V. Sollte es sich durchsetzen und kein Lizenzvertrag zustande kommen, müsste die Europameisterschaft ohne Abseitserkennung stattfinden. Und wohl nicht nur die. Denn dann wäre die Abseitsautomatik zumindest vorerst auch für alle anderen UEFA-Wettbewerbe gesperrt, von der nächsten Saison der Europa- bis zur Champions-League.

Zwei Tage nach dem Champions-League-Finale in London zwischen Borussia Dortmund und Real Madrid geht es vor der Hamburger Kammer des Patentgerichts auch für Ballinno um einen lukrativen Sieg oder eine schmerzhafte Niederlage. Denn das Unternehmen aus dem niederländischen Städtchen Obdam, 45 Minuten nördlich von Amsterdam, will eine einstweilige Verfügung gegen den Fußballverband und Kinexon durchsetzen. Laut Klage vom 18. April 2024 basiere die automatische Abseitserkennung auf einer durch ein Ballinno-Patent geschützten Technologie.

Kauflaune

Holt die Fußball-EM Deutschland aus dem Stimmungstief? Coca-Cola glaubt daran

Ein Sommermärchen könnte Deutschland aus der Lethargie befreien. Der deutsche Coca-Cola-Abfüller wettet darauf viele Werbemillionen – und sagt schon mal: Cola wird noch teurer.

von Hendrik Varnholt

Dabei beschreiben die Niederländer ein Verfahren, in dem unter anderem der Klang des Fußtritts gegen einen Ball mit zuvor gespeicherten Tonproben von Ballabgaben verglichen, und dem Schiedsrichter die Ballabgaben akustisch signalisiert werden. Für das beschriebene Verfahren hatte das Europäische Patentamt (EP) einem niederländischen Erfinder im Oktober 2011 das Patent EP1944067B1 gewährt.

Wie viel Kapital hat der Kläger?

Und seither ist laut EP-Dokumenten auch wenig geschehen. Erst im Herbst 2023, so die Gerichtsakten, hatte der damalige Patentinhaber die UEFA und Kinexon erstmals auf einen möglichen Patentverstoß hingewiesen und zur Lizenzierung der Technologie aufgefordert. Offenbar ohne Erfolg. Am 22. Januar 2024 war das Patent daraufhin auf einen neuen Inhaber übertragen worden, den jetzigen Kläger Ballinno. Dessen Rechtsform, abgekürzt „B.V.“, steht für „Besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid“ was in etwa mit einer deutschen GmbH vergleichbar ist. Allerdings mit einem wichtigen Unterschied.

Das erforderliche Gesellschaftskapital liegt weit unter den in Deutschland für eine GmbH erforderlichen 25.000 Euro. Laut den Gerichtsunterlagen beträgt das Stammkapital von Ballinno gerade einmal einen Euro. Die kurzfristige Übertragung des Patents vor der Klageerhebung im April und das werfe, so das Gericht in einem vorläufigen Beschuss zum Streitwert des Verfahrens, „die Besorgnis auf, dass der Zweck dieser Abtretung darin bestehen könnte, diesen Rechtsstreit zu erleichtern, ohne dass der Kläger ein finanzielles Risiko eingeht“.

EM 2024 Sponsoren

BYD auf der Überholspur

von Anabel Schröter

Florian Müller, Patentrechtsexperte und Betreiber des Online-Fachdienstes IP fray wird noch deutlicher. Seiner Auffassung nach versuche der Patentinhaber mit dem Druckmittel eines drohenden Patentverfahrens ausgerechnet vor der EM noch kurzfristig „Lizenzgebühren zu kassieren“. Ballinno, laut niederländischer Firmenunterlagen ein Ein-Personen-Unternehmen ohne weiteren Geschäftszweck oder Historie, setze offensichtlich darauf, den Zeitpunkt zu nutzen, um ein Patent zweifelhaften Innovationswerts zu versilbern. 

„Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Patentinhaber sonst ausgerechnet so kurz vor der Europameisterschaft noch eine Eilentscheidung braucht“, so Müller. Tatsächlich ist das Patent nicht nur bereits 12,5 Jahre alt, es läuft zudem auch in vier Jahren aus. „Das sieht nach Überrumpelungstaktik aus“, so der Patentexperte. Selbst wenn das Patent rechtsbeständig und verletzt sein sollte, was das Gericht erst noch zu klären habe, könnte Ballinno seine Ansprüche auch nach der EM noch durchsetzen.

Streit um den Streitwert

Wie groß die Ansprüche sein könnten, ist zwischen Ballinno und der UEFA ebenso umstritten wie die Frage nach den möglichen finanziellen Schäden für die Beklagten, sollte das Gericht zunächst eine einstweilige Verfügung erlassen, die Klage aber letztendlich doch für unbegründet erklären. Laut den Anwälten von Fußballverband und Kinexon könnte der Streitwert bis zu zwei Millionen Euro betragen, auch weil den Beklagten ein Reputationsschaden drohe. Ballinno wiederum hatte gefordert, vorab gar keinen Streitwert festzulegen.

Dem schloss sich das Hamburger Patentgericht in einer am Mittwoch, 14.6., veröffentlichten Vorabentscheidung nicht an und legte den Streitwert auf eine halbe Million Euro fest und forderte Ballinno zudem zur Zahlung einer Sicherheitsleistung von 56.000 Euro vor Beginn des Verfahrens am 3. Juni auf, zahlbar an die Gerichtskasse oder als Bankbürgschaft.

Viele wertlose Patente

„Nun wird sich zeigen, wie sicher sich der Kläger seiner Position ist“, sagt Patentexperte Müller. Ein Großteil der erteilten Patente werde nämlich im Fall von Rechtsstreitigkeiten um Lizenzforderungen nachträglich wieder von den Gerichten einkassiert. Das könnte angesichts der überschaubaren Innovationshöhe auch Ballinno drohen. „Und scheitert die Klage vor dem Europäischen Patentgericht, würde das das Klagepatent entwerten.“

Gut möglich, so der Fachmann, dass beide Seiten noch bis zum Champions-League-Finale pokern und das Verfahren am 3. Juni dann doch kurzfristig abgeblasen wird“, spekuliert Müller.

Lesen Sie auch: In einem Patentstreit vor dem Münchner Landgericht hat der Kläger einen Verkaufsstopp für Produkte von Lenovo und Motorola durchgesetzt. Welche Computer und Handys betroffen sind.

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
Stellenmarkt
Die besten Jobs auf Handelsblatt.com
Anzeige
Homeday
Homeday ermittelt Ihren Immobilienwert
Anzeige
IT BOLTWISE
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Remind.me
Jedes Jahr mehrere hundert Euro Stromkosten sparen – so geht’s
Anzeige
Presseportal
Lesen Sie die News führender Unternehmen!
Anzeige
Bellevue Ferienhaus
Exklusive Urlaubsdomizile zu Top-Preisen
Anzeige
Übersicht
Ratgeber, Rechner, Empfehlungen, Angebotsvergleiche
Anzeige
Finanzvergleich
Die besten Produkte im Überblick
Anzeige
Gutscheine
Mit unseren Gutscheincodes bares Geld sparen
Anzeige
Weiterbildung
Jetzt informieren! Alles rund um das Thema Bildung auf einen Blick