Ein Zaun gegen Rehe und Hirsche ist der einzige Schutz, den Obstbauer Neal Carter für seine drei Plantagen im US-Bundesstaat Washington braucht. Seine Äpfel unterscheiden sich äußerlich nicht von allen anderen, die in diesem riesigen Anbaugebiet nahe des Vulkans Mount Rainier wachsen. So können Umweltschützer sie nur schwer aufspüren. Das Besondere an Carters Arctic Apple zeigt sich, wenn man ihn aufschneidet: Das Fruchtfleisch färbt sich nicht braun. Carter muss seine Äpfel daher nicht aufwendig behandeln, bevor er sie in mundgerechte Stücke schneiden lässt und abgepackt in Plastiktüten verkauft – so wie konkurrierende Anbieter.
Der Arctic Apple ist der erste gentechnisch veränderte Apfel im Supermarktregal. Im Herbst hat das von Carter gegründete Unternehmen Okanagan nach 22 Jahren Entwicklung die ersten Exemplare an eine kleine Zahl von Läden in den USA ausgeliefert. Nach den ersten Erfolgen will Carter den Designerapfel auch in Kanada und Argentinien anbauen.
Der Ruf von Genfood ist miserabel. Organisationen wie Friends of the Earth und Greenpeace haben ganze Arbeit geleistet. Es liegt vor allem an ihren Kampagnen, dass viele Menschen fürchten, beim Verzehr von gentechnisch veränderten Lebensmitteln ihre Gesundheit zu riskieren.
Vier von fünf Deutschen, so hat es eine Umfrage des Landwirtschaftsministeriums ergeben, wünschen sich eine Kennzeichnungspflicht. Sie soll verdeutlichen, ob Salat, Joghurt oder Tiefkühlpizzen frei von Gentechnik sind. Dabei betonen Wissenschaftler weltweit, dass Genfood die Gesundheit nicht gefährdet.
Neal Carter versucht nun auf seine Art, das Image der grünen Gentechnik aufzupolieren. Er will diejenigen überzeugen, die Obst und Gemüse essen – und nicht jene, die es anbauen. Wer bislang mit Gentechnik in der Landwirtschaft Geld verdienen wollte, der stärkte die Resistenz des Saatguts etwa von Mais oder Soja gegen Schädlinge und versprach den Bauern mehr Erträge. Carter geht einen anderen Weg: Er verändert das Erbgut und achtet darauf, dass sein Eingriff den Konsumenten nützt.
Gesünderes Fast Food
Und Carter steht nicht allein da. Eine Handvoll Unternehmen in den USA und Kanada baut auf gentechnisch veränderte Lebensmittel, die verbraucherfreundlich und gesund sein sollen. Wie die pinkfarbene Ananas, die eine Substanz erhält, um Krebs vorzubeugen. Wie die Kartoffel, die beim Frittieren nur noch wenig Acrylamid produziert, das vermutlich krebserregend ist. Und wie die Sojabohne, deren Öl beim Erhitzen keine Transfette mehr bildet, um das Herzinfarktrisiko zu vermindern. Selbst die fluffigen Brötchenhälften, zwischen die Fast-Food-Ketten ihre Buletten packen, sollen bald wichtige Ballaststoffe liefern, verspricht etwa das Start-up Calyxt aus dem US-Bundesstaat Minnesota: Es hat eine Weizensorte entwickelt, die dreimal mehr Ballaststoffe als normaler Weizen enthält.
Gezielt Verbraucher ansprechen und von den Vorteilen der Gentechnik überzeugen – das hat vor vielen Jahren schon einmal funktioniert: bei Insulin. Wissenschaftlern war es in den Achtzigerjahren gelungen, Kolibakterien zu verändern. Sie produzieren ein Insulin, das identisch mit dem ist, das auch Menschen ausschütten. Zuvor mussten sich Diabetiker mit Insulin aus Schweine- und Rindermägen versorgen. Viele vertrugen das tierische Hormon schlecht. Beim gentechnisch hergestellten Insulin gab es dagegen keine Nebenwirkungen. Heute gibt es kaum noch ein anderes zu kaufen.
McDonald’s wartet ab
Der Obstproduzent Del Monte will diesen Erfolg nun mit einer pinkfarbenen Ananas wiederholen – und hat dafür bereits die Zulassung der US-Lebensmittelaufsicht. Pink wird die Frucht laut Patent durch ein Pigment namens Lycopin. Das steckt auch in Tomaten und sorgt für die rote Farbe. Die Wirkungsweise wird rege erforscht, einigen Studien zufolge könnte der Stoff das Wachstum bestimmter Krebszellen bremsen.
Für die rosa Ananas hat Del Monte eines der Gene im Erbmaterial herkömmlicher Ananas gewissermaßen deaktiviert. In der veränderten Frucht wird die Ausschüttung eines Enzyms gehemmt, das in herkömmlicher Ananas das rote Pigment Lycopin in das gelbe Pigment Beta-Carotin verwandelt. Das Ergebnis ist eine süße Partyattraktion, die Food-Blogger bereits begeistert – und die nebenbei vor Krebs schützen soll.