Krebs-Therapie Forscher finden Mittel das Tumorwachstum bremsen kann

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Hoffnung auf neue Medikamente

Die Wissenschaftler hoffen, aus dieser Erkenntnis ein neues Medikament für die Krebstherapie entwickeln zu können: Einen spezifischen Wirkstoff, der das Tumor- und Metastasen-befeuernde Ral-Molekül daran hindern kann, aktiv zu werden. Im Vergleich etwa zu einer Chemotherapie, die nicht nur speziell die Krebszellen angreift und zahlreiche Nebenwirkungen haben kann, wäre das für den kranken Körper ungleich schonender.

Bei diesem Ansatz, spezifische Wirkstoffe für ein ganz bestimmtes Ziel im Stoffwechsel zu finden, sprechen Wissenschaftler von sogenannten allosterischen Inhibitoren. Ein Inhibitor ist ein Stoff, der etwa ein Enzym hemmen kann. Dazu muss man wissen, dass grundsätzlich zwischen kompetitiven und allosterischen Inhibitoren unterschieden wird. Ein kompetitiver Inhibitor kann im aktiven Zentrum des Enzyms binden. Er nimmt so dem Stoff, der dort eigentlich umgesetzt werden soll, den Platz weg.

Was an den Krebs-Mythen dran ist
Die Zahl der Krebs-Neuerkrankungen hat sich laut eines Expertenberichts seit 1970 fast verdoppelt Quelle: dpa
Krebs ist ansteckendDieses Vorurteil hält sich standhaft. Dabei ist wissenschaftlich eindeutig nachgewiesen, dass Krebs weder über den normalen Umgang mit Patienten noch über die Pflege, nicht einmal über Sex, übertragen werden kann. Denn Patienten scheiden die Krebszellen nicht aus. Kommt ein Mensch versehentlich mit Tumorgewebe direkt in Berührung, erkennt das Immunsystem die fremden Körperzellen und eliminiert sie. Derzeit geht die Wissenschaft davon aus, dass dieser Schutzmechanismus sogar funktioniert, wenn man eine Bluttransfusion mit dem Blut eines Krebskranken verabreicht bekommt.Quelle: Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums Quelle: dpa/dpaweb
Abtreibung löst Brustkrebs ausDieses Gerücht ist eine echte Belastung für alle Frauen, die sich im Laufe ihres Lebens einmal gegen ein Kind entscheiden mussten. Ausgangspunkt ist eine Studie aus den USA, die weltweit in den Medien zitiert wurde. Diese legte nahe, dass Abtreibungen das Risiko für ein Mammakarzinom erhöhe. Kritiker bemängelten, dass mit der Studie keine Krebshäufung unter betroffenen Frauen nachgewiesen werden konnte. Auch ließe sich gar nicht ablesen, dass Abtreibung und Brustkrebs ursächlich etwas miteinander zu tun hätten. Mittlerweile wurden fundierte Studien durchgeführt, die zeigen, dass Schwangerschaftsabbrüche und auch ungewollte Fehlgeburten als Risiko für Brustkrebs relativ sicher ausgeschlossen werden können. Quelle: dpa
Zu enge BHs verursachen BrustkrebsAuch diesen Mythos schürte ein Buch aus den USA. Darin hieß es, dass das Abklemmen der Lymphbahnen dazu führe, dass der Stoffwechsel nicht gut funktioniere und Schadstoffe nicht abwandern könnten. Ein Beweis oder eine wissenschaftliche Quelle für diese Behauptung konnten die Autoren jedoch nicht liefern. Inzwischen ist klar: Das Tragen von Büstenhaltern beeinflusst das Brustkrebsrisiko nicht, egal ob zu eng oder gut passend, mit Bügel oder ohne. Quelle: dpa
Viele Lebensmittel sind für Krebspatienten giftigSo viele Ratschläge Freunde und Bekannte auch auf den Lippen haben, eine sogenannte "Krebsdiät" gibt es nicht. Häufig wird vor Kartoffeln, Tomaten oder Schweinefleisch gewarnt, die angeblich giftig für Krebspatienten seien. Tatsächlich enthalten die Nachtschattengewächse Kartoffeln und Tomaten in ihren grünen Pflanzenteilen das schwach giftige Solanin. Krebs fördert dieser Stoff jedoch nicht. Das Gerücht, Schweinefleisch sei schädlich, scheint eher einen weltanschaulichen oder religiösen Hintergrund zu haben. Wissenschaftliche Belege, dass das Fleisch ungesund ist, gibt es jedenfalls nicht. Quelle: dpa
Krebsrisiko steigt nach einer SterilisationFührt eine Durchtrennung der Eileiter oder Samenstränge zur Empfängnisverhütung zu Krebs? Hierauf ist die Antwort nicht so eindeutig zu geben. Bei Frauen konnte die Vermutung, eine Unterbindung der Eileiter führe zu Eierstockkrebs, bislang nicht durch Studien belegt werden. Bei Männern sieht die Sache etwas anders aus: Jahrelang galt eine Vasektomie als ungefährlich. Das Risiko, an Hodenkrebs zu erkranken, scheint tatsächlich nicht anzusteigen. Bei Prostatakrebs hingegen sehen die Wissenschaftler noch offene Fragen. Eine US-Studie die im Journal of Clinical Oncology veröffentlicht wurde und 50.000 Männer über einen Zeitraum von 24 Jahren beobachtete, wies auf einen leichten Anstieg aggressiver Prostatakarzinome nach einer Vasektomie hin. Der Mechanismus dahinter ist aber noch unklar. Quelle: dpa
Übergewicht macht krebskrankEs gibt Studien, die sich mit der Frage beschäftigt haben, ob es einen Zusammenhang zwischen dem eigenen Körpergewicht und Brustkrebs gibt. Und tatsächlich müssen Frauen, die nach den Wechseljahren deutlich übergewichtig sind, mit einer höheren Erkrankungswahrscheinlichkeit leben. Für jüngere Frauen wurde dieser Zusammenhang bisher nicht bestätigt. Laut dem Krebsinformationsdienst laufen hierzu aktuell noch weitere Studien. Quelle: dpa

Das Problem: Die Wirkung ist oft unspezifisch. Das ist eine generelle Schwierigkeit in der Wirkstoffforschung: Inhibitoren hemmen nicht nur das eine, gewünschte Enzym, sondern können auch mehrere verwandte Mitglieder einer Enzymklasse blockieren.

"Wir packen das Enzym am Genick"

Allosterisch bedeutet nun soviel wie "an anderer Stelle". Dabei lagert sich ein Inhibitor nicht am aktiven Zentrum des Enzyms sondern an einer anderen Position an. Er verändert dadurch die räumliche Struktur des Enzyms und verhindert so, dass es wie gewohnt funktionieren kann. Der Vorteil: "Allosterische Inhibitoren packen das Enzym bildlich gesprochen am Genick", erläutert Gunkel. "Diese Angriffspunkte außerhalb seines aktiven Zentrums sind in der Regel einzigartig."

Allosterische Inhibitoren sind zwar per se nichts neues. Derzeit werde aber in der Krebsforschung verstärkt nach diesen Stoffen gesucht, erklärt Gunkel weiter. Die Klasse, zu der das nun von der US-Forschergruppe geknackte Ral-Protein gehört, ist in der Krebsforschung hochinteressant. "Das ist toll, ein guter Anfang", sagt Gunkel. "Man muss allerdings auch sagen, dass es noch ein weiter Weg hin zu einem einsatzfähigen Medikament ist - sowohl, was die Zeit als auch was das finanzielle Investment betrifft", schränkte er ein. "Hier steht keine neue Behandlungs- oder Heilungsmöglichkeit unmittelbar vor der Tür, sondern ein interessanter Ansatz, den es zu beobachten gilt".

Bis zu einem einsatzfähigen Medikament könnten also noch Jahre vergehen. Auch Theodorescu sagte, dass noch viel Forschungsarbeit und Tests nötig seien. Unter anderem müsse eine mögliche Giftigkeit der Substanz BQU57 überprüft und ausgeschlossen werden. Auch die beste Art der Gabe von BQU57 - etwa oral oder intravenös - müsse noch erforscht werden.

"Dennoch ist diese Studie ein wertvoller erster Schritt in Richtung einer Entwicklung einer neuen Klasse therapeutischer Mittel, die Ral ins Visier nehmen", betont Theodorescu.

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